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Finks Austria läuft taktisch inferior ins Debakel (3)

Thorsten Fink und Franz Wohlfahrt meinten nach dem Milan-Spiel, dass man taktisch nicht viel ausrichten konnte. Dabei offenbarte die Fink-Elf eklatante Mängel im taktischen Bereich. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi.

Das Ballbesitzspiel der Austria hatte gegen Milan jedoch zwei entscheidende Schwächen – diese werden auf internationaler Ebene auch dementsprechend schnell bestraft.

Bild 12 – Auch Milan deckt Mann gegen Mann, lässt aber keinen Spieler frei.

Die Mailänder agierten im ganz hohen Pressing zwar auch mannorientiert, stellten den Spielaufbau der Austria jedoch zur Gänze zu. Auffällig war auch, dass dahinter fast kaum der Gegenspieler als Orientierungspunkt für der Defensivarbeit genutzt wurde. Hinter der ersten Pressinglinie deckten die Italiener fast durchgehend den Raum. Außerdem verstanden es die Mannen von Montella sehr gut, die Austria rasch und einfach auf die Flügel zu leiten – und dort komplett zu isolieren.

Bild 13 – Klein sofort auf Außen isoliert und spielt die Outlinie entlang auf Prokop. Holzhauser steht frei.

Schon mit dem zweiten Pass landet die Austria an der Outlinie, wie von Milan vorgesehen. Klein ist nicht nur sofort isoliert, sondern besitzt auch schlichtweg nicht die Fähigkeiten um solch eine Engensituation zu lösen. Unter Druck spielt er einen „Long-Line-Pass“ die Seitenlinie entlang zu Prokop. Mailand macht diesen Raum zu dritt zu, gewinnt den Ball und erzielt das 4:1.

 

Ein weiteres Problem der Austria war die katastrophale Absicherung der eigenen Angriffe. Ging der Ball in der gegnerischen Hälfte verloren, waren die Violetten fast nie auf den Konter der Italiener vorbereitet. Es drängt sich die Frage auf, ob Thorsten Fink vielleicht dachte, dass seine Mannschaft im Spielaufbau gegen Milan ohne Ballverlust auskommen würde?

Bild 14 – Holzhuaser zu Martschinko, der mit Fehlpass. AC Milan kontert.

Die Austria hat hier eine passable Staffelung für den Angriff, auch numerisch gesehen haben die Hausherren genügend Spieler in der Defensive um einen Konter der Gegners in Zaum zu halten. Das große Problem ist hier jedoch die Ausführung.

Bild 15 – Milan kontert zu dritt gleich vier Austrianer aus.

Calhanoglou leitet den Konter ein und attackiert die Abwehr der Austria mit einem Dribbling. Dort hat die Austria mit Holzhauser, Westermann und Kadiri an und für sich eine Überzahl (3gegen2). Kadiri beschließt herauszurücken um den Gegenspieler zu stellen. Nachdem Holzhauser jedoch dahinter den ballfernen Raum deckt, statt den direkten Gegenspieler, steht Westermann gegen zwei Gegenspieler. Der Deutsche beschließt daraufhin den kurzen Pass auf Kalinic zuzustellen, was an und für sich eine kluge Entscheidung ist, da der Pass auf Silva um einiges schwerer zu spielen ist.

 

Es spricht in dieser Situation selbstverständlich auch für die individuelle der Italiener, dass Calhanoglou den Diagonalpass auf Silva ohne weiteres spielen kann und dieser alleine auf Tormann Hadzikic zulaufen kann und das 0:3 erzielt. Entscheidend ist jedoch nicht, dass die Austria in solchen Situationen individuell unterlegen ist sondern, dass Fink es zuließ, dass seine Mannschaft fast konstant in solche Situationen gezwungen wurde. Hier hätte entweder Holzhauser in der Restverteidigung aktiv teilnehmen müssen, oder Kadiri versuchen die Restverteidigung zu stabilisieren indem er die Position hält. Die Mischung aus dem Fehlverhalten Holzhausers und dem dazu unpassenden Attackieren von Kadiri ließ die Austria komplett entblößt zurück.

 

Schwaches Positionsspiel von Holzhauser

Zuletzt sei an dieser Stelle auch das schwache Positionsspiel von Raphael Holzhauser erwähnt, der mit seinem oft wenig sinnvollen Abkippen bzw. Herauskippen das Zentrum der Austria schwächte und viele Angriffe dadurch unnötig früh auf den Flügel lenkte. Die Mailänder schenkten diesen unnötigen Rochaden und Umformungen der Austria jedoch kaum Beachtung und verteidigten weiterhin konsequent den Raum. Dies stand natürlich im krassen Gegensatz zum Defensivverhalten der Austria, bestes Beispiel hierfür ist die Mann“verfolgung“ von Holzhauser gegen Kessie auf den Bildern 7, 8 und 9.

 

Erschwerend kam dabei wie bereits erwähnt hinzu, dass Holzhauser danach oft nicht in der Lage war die Ballverluste seiner Mannschaft abzusichern und im Konter des Gegners einzugreifen.

Bild 16 – Holzhauser kippt heraus und verlangt vehement den Ball. Milan interessiert sich hierfür jedoch kein bisschen.

Fazit

„Wenn du nach neun Minuten gegen so eine starke Mannschaft 2-0 hinten, dann sind das Galaxien an Unterschied. Daher ist taktisch nicht mehr viel übriggeblieben.“ Thorsten Finks Analyse nach dem 1:5 klang denkbar einfach. Wohlfahrt meinte gar: „Im Grunde haben wir gegen so eine Mannschaft keine Chance.“

 

Damit machten es sich die Verantwortlichen nicht nur sehr einfach, sondern geben den Spielern gleichzeitig die volle Schuld an dem Debakel – zumindest indirekt. Statt die taktisch gravierenden Mängel des Trainerteams anzusprechen, konnten die Verantwortlichen die gesamte Verantwortung erfolgreich auf die Mannschaft schieben.

 

Die klassischen Mainstream-Medien schlugen nämlich in die selbe Kerbe und gaben schnell dem klassischen Narrativ der jungen, unerfahrenen Mannschaft, welche auf internationalem Niveau noch viel Lehrgeld bezahlen muss nach. Dadurch können die Verantwortlichen rund um Thorsten Fink weiterhin den Schein wahren, dass sie in taktisch/strategischen Fragen keinem Journalisten auf Augenhöhe zu begegnen haben und lassen dementsprechend wenig Kritik an ihrer Arbeit zu.

 

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Über den Autor: Momo Akhondi

Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und arbeitet mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammen.

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