Kampf alleine reicht nicht aus: Strukturschwaches Rapid verliert das Derby (3)
Djuricin fordert von seiner Mannschaft mehr Mut und mehr Aggressivität. Dabei liegen die Problem vielmehr in strukturellen und strategischen Defiziten. Von Momo Akhondi
Rapid mit dem Ball – öfter durchs Zentrum aber strukturellen Defiziten
Neben den Problemen im Pressing fielen die Defizite im Angriffsspiel noch viel stärker ins Gewicht, vor allem weil die Austria auf den Ball verzichtete und nur auf 35% Ballbesitz kam.
Dabei fingen die Probleme im Spielaufbau, wie so oft, im ersten Drittel an – wenngleich die Probleme am Sonntag ganz andere waren, als noch unter Damir Canadi.
Stefan Schwab war stets bemüht, den Spielaufbau der Gastgeber anzukurbeln und kippte daher immer wieder zwischen die Innenverteidiger ab. Rapid brauchte mit Torhüter Knoflach also nicht weniger als vier Spieler, um die Solospitze der Austria - Larry Kayode - zu überwinden.
Solch eine Überzahl war gegen Kayode nicht notwendig und Schwab fehlte dementsprechend in höheren Zonen. Hier war aber nicht unbedingt das Abkippen an sich das Problem, sondern die Art und Weise. Dadurch, dass sich Schwab konstant nach dem gleichen Muster zurückfallen ließ, war es die meiste Zeit auch nicht notwendig, dass einer der Austria-Mittelfeldspieler nachrückt oder mitgeht. Im Sinne des Positionsspiels hätte Schwab seine zurückfallenden Bewegungen so timen müssen, dass er entweder Holzhauser oder Grünwald dazu zwingt ihm zu folgen. Dadurch hätten die Gastgeber wiederum Lücken aufreißen können, welche die Gäste nicht geplant hatten. So war es für die Austria jedoch umso leichter, die Angriffe der zahlenmäßig unterlegenen Rapidler zu verteidigen. Bei Angriffen, bei denen die Rapidler konstant in Unterzahl angreifen müssen, ist auch die oft diskutierte Qualität der Offensivpieler weniger entscheidend.
Konnte man dann – meist durch hohe Bälle von Knoflach auf Joelinton, siehe Passmap – in die gegnerische Hälfte kommen, agierte man um einiges zentrumslastiger als noch unter Canadi.
Rapid hatte jedoch schon sehr früh die Tendenz, das Zentrum numerisch über zu besetzen und stand dabei außerdem viel zu eng, womit ein Durchspielen durch die Mitte de facto unmöglich wurde. Für die Austria war es dadurch möglich, sehr eng zu stehen und trotzdem alle relevanten Räume zu besetzten.
Pep Guardiola sagte einst auf einer Pressekonferenz: „Um erfolgreich durch die Mitte zu kommen, brauchst du Breite. Um über die Außen durchzukommen, brauchst du Spieler in der Mitte. Es geht nicht um entweder... oder.“
Genau dieses fundamentale Prinzip des Positionsspiels beachtete Rapid im Derby nicht. Das Zentrum war zwar stark besetzt, ohne die passende Breite war der Gegner aber nicht genötigt Räume in der Mitte herzugeben, also verteidigte die Austria diese Räume mit Mann und Maus. Um den Gegner aus der Formation zu locken, hätten die Rapidler vor allem die Flügel besetzen müssen. Das heißt jedoch nicht, dass Rapid auf Flanken hätte setzen sollen. Die Breitenbesetzung hätte jedoch dazu geführt, dass die Austria nicht mehr ohne Weiteres so kompakt hätte verteidigen können. Hier waren es vor allem Schrammel und Pavelic, welche nicht konsequent genug mitgingen um ihre Kollegen im Angriff zu unterstützen (siehe Bild 8).
Ein weiterer Aspekt des Positionsspiels ist die Notwendigkeit von passenden Strukturen für den Fall, dass der Ball verloren geht. Vor dem Spiel gegen die Austria erzählte Goran Djuricin, dass im Training vor allem am Gegenpressing nach Ballverlust gearbeitet wurde. Hier konnte man erneut die Diskrepanz zwischen dem vorhandenen Willen und der mangelhaften Struktur im Spiel der Hütteldorfer erkennen. Die Rapidler waren im Moment des Ballvelustes sehr aggressiv und liefen den Gegner unermüdlich an, ihre schon im Ballbesitz sehr schwache Positionierung machte ein erfolgreiches Gegenpressing jedoch fast unmöglich.
Als Beispiel erneut die Staffelung auf Bild 9: Jeder Fehlpass ist für die Gastgeber in dieser Situation tödlich. Gewinnt die Austria den Ball ist Rapid einerseits nicht in der Lage den Ballführenden Austrianer unter Druck zu setzen, andererseits kann das tiefe Zuspiel auf Stürmer Kayode nicht verhindert werden. Abgesehen von der schlechten Breiten- und Tiefenstaffelung fehlt in dieser Sequenz ein balancierender „Safety“-Spieler, der einerseits Drucksituationen für die Aufbauspieler lösen kann und andererseits eine eventuelle Rezirkulation (Angriff abbrechen und neustarten) einleiten kann. Vor allem müsste diese Position aber besetzt sein um den direkten Passweg auf Kayode zuzustellen und aus dem Deckungsschatten heraus das Gegenpressing zu initiieren. Durch die schwache Positionierung der Innen- und Außenverteidiger bei Rapid kamen die Hütteldorfer nicht nur offensiv nicht voran, sondern waren auch defensiv schlecht abgesichert. Djuricins Gegenpressing verpuffte. Auch hier zeigt sich: der alleinige Wille zum Gegenpressen reicht nicht aus. Es muss auch die Struktur dazu passen.
Ein Grund für diese schwachen Staffelungen im Spielaufbau der Rapidler, war Stephan Auer. Auer spielte eigentlich so, wie es sein Trainer von ihm erwartete: aggressiv und mutig. Sein unbändiger Wille stand ihm jedoch die meiste Zeit im Weg. Gegen den Ball waren seine herausrückenden Läufe oft wenig bis gar nicht abgesichert (siehe Bild 5). Mit dem Ball drängte der 26-jährige immer wieder nach vorne und ging bis in die Spitze.
In Kombination mit Stefan Schwabs immer wieder zurückfallenden Läufen ergaben sich dadurch immer wieder extrem schlechte Aufbau-Staffelungen bei Rapid.
Im Laufe der zweiten Hälfte schoben die Rapidler weiter nach vorne
Je länger die Partie ging, desto tiefer stand die Austria und umso höher schoben die Außenverteidiger bei Rapid. Prompt entstanden dadurch bei der Austria Fünfer- und sogar Sechserketten. Vor allem die Flügelspieler Tajouri und Pires hatten den Auftrag mit den gegnerischen Außenverteidigern mitzugehen und landeten irgendwann auf Höhe der eigenen Abwehrreihe.
Eine Faustregel lauter: je stärker die letzte Linie des Gegners wird, desto schwächer wird die Linie davor. Auf Bild 14 kann man sehen wie das Austria-Mittelfeld zu dritt die gesamte Breite sichern muss. Dementsprechend luftig stand sie gezwungenermaßen. Doch statt diese Lücken gezielt zu bespielen, fiel Rapid in alte Muster zurück und flankte die Bälle nacheinander in den Strafraum.
Dabei war vor allem der Rückraum oft beängstigend schlecht abgesichert.
Nachdem Flanken von Grund aus sehr selten zum Erfolg führen, sollte man zumindest auf den zweiten Ball vorbereitet sein um den Ballbesitz dann am Sechzehner zu sichern. Die gezielte Absicherung von Flanken ist ein weiteres Prinzip welches im Positionsspiel oft vorkommt (jedoch nicht exklusiv dort).
Fazit
Djuricin fordert von seiner Mannschaft mehr Mut und mehr Aggressivität. Dabei war seine Mannschaft im Derby sowohl aggressiv als auch mutig, das belegen auch die Zahlen. Das Problem waren vielmehr die strukturellen und strategischen Defizite, die Rapid an den Tag legte. Gegen den Ball herrschte über 90 Minuten eine Zerrissenheit zwischen offensivem Anlaufen und ängstlichem Zurückfallen-Lassen. Mit dem Ball ballte sich die Mannschaft in viel zu engen Abständen im Zentrum und die Außen konnten den Angriffen keinerlei Breite geben, weshalb die Austria die Angriffsbemühungen der Hütteldorfer auch so gut verteidigen konnte. Bei den Veilchen blühte hingegen Serbest in seiner neuen Rolle förmlich auf und machte das ganze Spiel der Austria damit einen Tick ökonomischer.
Rapid ist vor der Cup-Partie gegen den LASK gut beraten, sich um die spielerische Linie zu kümmern, statt noch mehr Kampf auszurufen.
Über den Autor: Momo Akhondi
Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und arbeitet mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammen.