Nicht nur Schwarz oder Weissman
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Nicht nur Schwarz oder Weissman

Der Transfer des Israelis zu Blau-Weiß Linz polarisiert, wie kaum einer in der jüngeren Vergangenheit. Ist die zweite Chance für ihn gerechtfertigt? Und wenn ja, warum?

In Zeiten wie diesen, in denen Aussagen mit politischem Hintergrund einen schneller einholen, als man sie selbst begreifen kann, ist die Verpflichtung von Shon Weissman durch Blau-Weiß Linz ein mutiger Schritt.

Aber kann man den Stahlstädtern dazu wirklich gratulieren? Keiner von uns vermag abzuschätzen, welche Folgen dieser Transfer noch haben wird.

Rein sportlich wertet ein Mann, der für den WAC einst 37 Tore in 40 Spielen erzielt hat, den blau-weißen Kader fraglos auf. Doch dieser Transfer hat eine Dimension, die weit darüber hinausgeht.

Es gibt mehr als eine Perspektive

Wer (rasch wieder gelöschte) Äußerungen tätigt, wonach Gaza "ausgelöscht" werden solle und es dort "keine Unschuldigen" gebe, darf sich über das Echo nicht wundern.

In Österreich verwechseln wir oft "verstehen" mit "gutheißen". Doch verstehen bedeutet nicht zustimmen, sondern nachvollziehen – die Sichtweise des anderen erkennen und respektieren, ohne sie automatisch zu teilen oder gutzuheißen.

Doch bei aller (berechtigten!) Kritik an Weissmans Äußerungen - gerade in diesen volatilen Zeiten schadet es nicht, auch die Perspektive der anderen Seite einzunehmen. Dazu sei folgendes erwähnt, weil in diesem Zusammenhang eminent: In Österreich verwechseln wir oft "verstehen" mit "gutheißen". Doch verstehen bedeutet nicht zustimmen, sondern nachvollziehen – die Sichtweise des anderen erkennen und respektieren, ohne sie automatisch zu teilen oder gutzuheißen. Außerdem sei gesagt: Weissman tätigte diese Äußerungen kurz nach dem Überfall auf Israel vor zwei Jahren. Von dieser Warte aus gilt es, sie auch zu betrachten - und nicht aus heutiger Perspektive, wo die Lage eine andere ist.

Manchmal muss man bei sich selbst anfangen

Kaum jemand, der in Österreich geboren und aufgewachsen ist, kann sich vorstellen, was es bedeutet, Menschen, die einem am Herzen liegen, an einen mörderischen Krieg zu verlieren. Auch ich nicht. Schätzen wir uns darüber glücklich. Wer dies für selbstverständlich hält, dem sei die Lektüre eines Geschichtsbuchs über das 20. Jahrhundert ans Herz gelegt.

Stellen wir uns vor, unsere Heimat würde unvermittelt angegriffen. Freunde, Verwandte, enge Familienangehörige finden den Tod – einfach so. Genau das ist Weissman passiert, der einige der Opfer persönlich kannte.

Wir würden alle emotional reagieren. Würden Menschen in einer solchen Ausnahmesituation Dinge ins Internet schreiben, die sie später bereuen? Ja. Kann jemand von uns ausschließen, dass er in dieser Lage nicht ähnlich handeln würde? Kaum.

Man kann Weissmans Äußerungen als spontane emotionale Bewältigungsstrategie verstehen, die in solchen Ausnahmesituationen häufig als Schutzmechanismus auftritt. Wut, Zorn, Trauer – eine Mischung, wie wir sie nach einer tiefen persönlichen Krise kennen, nur in viel extremerem Maß. Ich wüsste nicht, wie ich reagieren würde.

Zwischen Schwarz und Weiß

Wer nun glaubt, ich schlage mich damit auf die Seite Weissmans: Nein, das tue ich nicht. Ich stelle mich aber auch nicht gegen ihn. Auch in Zeiten, in denen alles oft nur in Schwarz oder Weiß gesehen wird, gibt es etwas dazwischen.

Hätte Weissman die Verantwortlichen bei Blau-Weiß Linz nicht überzeugt, dass er seine Äußerungen in dieser Form bereut, wäre es zu keiner Verpflichtung gekommen.

Weissman hat zu seinen umstrittenen Äußerungen Stellung bezogen. Er erklärte seine Aussagen im Kontext persönlicher Betroffenheit und Loyalität zu Israel – er distanzierte sich von Hass, ohne die ursprüngliche Sichtweise vollständig zu relativieren. Es sei aus seiner Sicht notwendig und möglich, "Schaden an unschuldigen Menschen auf beiden Seiten abzulehnen". Nichtsdestotrotz bleibt der 7. Oktober für ihn "eine offene Wunde".

Ich kenne die Verantwortlichen bei Blau-Weiß Linz mittlerweile gut genug, um sagen zu können: Hätte Weissman sie nicht überzeugt, dass er seine Äußerungen in dieser Form bereut, wäre es zu keiner Verpflichtung gekommen. Der Klub hat auch klargemacht, dass man Weissmans Aussagen von damals in keinster Weise teilt oder unterstützt und gleichzeitig betont, dass sich Menschen ändern, bessern und aus ihren Fehlern lernen können.

Blau-Weiß Linz ist ein Verein, der dafür steht, nicht nur Sportlern, sondern auch Menschen eine zweite Chance zu geben – so wie der Klub selbst vor knapp 30 Jahren ein zweites Leben geschenkt bekommen hat. Auch Weissman hat eine zweite Chance verdient. Klar ist: Er muss diese Chance nutzen, denn eine dritte wird es kaum geben.

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