Nach einem vielversprechenden Neuanstrich im Sommer hat man beim SK Rapid den Lack inzwischen schon wieder abgekratzt, diesmal fast in Rekordzeit.
Hinter der ansehnlichen Vereinsfassade in Hütteldorf liegt viel im Argen und gerade nach dem Scheitern von Peter Stöger stellt sich die Frage, wer es jetzt noch richten kann. Nicht, weil der 59-Jährige frei von Fehlern war und ist. Sondern, weil man seinem Nachfolger wünschen würde, genau zu wissen, worauf er sich einlässt. Rapid hat seine Eigenheiten.
Gleichzeitig sollte der neue Mann frei von frischem Stallgeruch und mit herausragenden zwischenmenschlichen Fähigkeiten ausgestattet sein. Es gilt, eine Reihe an Egos und Einzelinteressen im Zaum zu halten.
Idealerweise wird es also einer wie Stöger, nur besser und erfolgreicher.
Die Schuldfrage
In vielen Interviews mit grün-weißen Spielern und Funktionären klingt aktuell die Einsicht durch, dass die Verantwortung für die jüngsten Misserfolge auf vielen Schultern zu verteilen wäre. Tatsächlich handelt es sich dabei aber wohl eher um eine politisch korrektere und PR-taugliche Variante des Fingerzeigens.
Stefan Kulovits ließ am Sonntag ja unbeabsichtigt bereits tief blicken: Ein von ehrlichen Selbstzweifeln Geplagter, dem jetzt auch noch eine schwierige Aufgabe zugemutet wird, hätte trotz aller persönlichen Erfolge nach sieben Tagen und drei Niederlagen wohl kaum die Formulierung "coole Woche" gefunden.
"Coole Woche": Kulovits erklärt seinen Sager >>>
Dass einem 42-jährigen Ex-Profi als Entschuldigungsgründe mangelhaftes Medientraining oder Erfahrungsmangel unterstellt werden, ist emblematisch für einen Mangel an Verantwortungsbewusstsein, der den Verein durchzieht.
Als Depp steht bei Rapid am Ende immer wieder der Trainer da, daran wird sich ohne einen tiefgreifenden Umbruch auch nichts ändern - dabei gäbe es durchaus Ansatzpunkte.
Katzer fest im Sattel
Zum Beispiel Markus Katzer, der fester im Sattel zu sitzen scheint, als es zumindest einem Teil der Fangemeinde aktuell lieb sein dürfte.
Hätte die Vereinsführung Zweifel an ihrem Sportchef, dürfte sie ihn nicht auf seine dritte Trainersuche schicken, zumal parallel ja auch stetig am Kader gebastelt wird.
Dass Katzer unumstrittene Volltreffer auf dem Transfermarkt landen kann, hat er anhand von Personalien wie Mamadou Sangaré und Isak Jansson bewiesen. Dass er den richtigen Übungsleiter auswählen und ihm einen langfristig funktionalen Kader an die Hand geben kann, allerdings noch überhaupt nicht.
Zudem macht sich der 45-Jährige durchaus Gedanken über seine eigene Karriere: Vor kurzem liefen noch Gespräche über ein mögliches Engagement bei Red Bull Salzburg. Auch wenn er sich zwischenzeitlich wieder "zu 100 Prozent" zu Rapid bekannt hat, stehen hinter der sportlichen Leitung mehr Fragezeichen, als einem lieb ist.
Sprungbrett Rapid
Stögers Nachfolger erbt einen sichtlich zerrissenen Kader. Ob Gerüchte über Gruppenbildung und Kleinkriege der Wahrheit entsprechen, sei dahingestellt - Harmonie und Zusammenhalt war aber auch schon unter Robert Klauß nicht mehr zu erkennen.
Rapid hat sich zum Sprungbrett entwickelt und wirtschaftliche Erfolge erzielt, die eingekauften Spieler wollen sich hier zeigen und Karriere machen. Ohne sportlichen Erfolg geht dieser Plan nicht auf - dass so schnell Frust entsteht und gleichzeitig der Fokus abhandenkommt, liegt nahe.
Jeder Trainer scheitert, wenn mehrere Spieler einige Gänge zurückschalten. Der aktuelle Rapid-Kader scheint eine besondere Anfälligkeit dafür zu haben. Wirklich viel tun kann der Verein aktuell nicht, mit einem Kaderschnitt und Ausverkauf im Winter würde man die hohen Investitionen aus dem Sommer torpedieren.
Was ist die Erwartung?
Seit der Trennung von Didi Kühbauer im November 2021 hat der SK Rapid vier vollwertige Cheftrainer präsentiert. In Bälde soll ein weiterer dazukommen, über die letzten vier Jahre käme man also schon auf sechs Stück.
Peter Stöger wurde die schlechte Form über die vergangenen zwölf Pflichtspiele zum Verhängnis. In diesem Zeitraum hat seine Mannschaft im Schnitt 0,83 Punkte geholt - zugegebenermaßen kein gutes Argument für eine Weiterbeschäftigung. Bei Rapid wurde man schon für weniger gegangen, seine vier Vorgänger bilanzieren allesamt besser.
Punkteschnitt in den letzten 12 Spielen der Amtszeit:
Trainer | Zeitraum | Schnitt |
|---|---|---|
Peter Stöger | 28.09. - 27.11.2025 | 0,83 |
Robert Klauß | 01.03. - 23.04.2025 | 1,33 |
Zoran Barisic | 31.08. - 11.11.2023 | 1,33 |
Ferdinand Feldhofer | 11.08. - 15.10.2022 | 1,16 |
Dietmar Kühbauer | 19.09. - 07.11.2021 | 1,41 |
Andererseits belegte Rapid gerade noch den zweiten Tabellenplatz und hat im Cup gute Chancen auf den Einzug ins Halbfinale. Die Saisonziele waren also durchaus in Gefahr, aber noch nicht verloren.
Wie soll man ein langfristig ausgelegtes Projekt aufziehen, wenn in jeder Schwächephase die Reißleine gezogen wird? Vor allem das Zeichen an die Mannschaft ist fatal: Ein Trainerwechsel soll in der Regel als Signal funktionieren, um sie in die Pflicht zu nehmen. Dieser Effekt verhallt, wenn die Spieler wissen, dass sie am längeren Hebel sitzen.
Auf wen auch immer die Wahl fällt, die Rapid-Fans sollten ihre Erwartungen zügeln. Junge Trainer mit klaren taktischen Konzepten - Klauß, Sacramento, Lijnders - sind in der Bundesliga zuletzt ebenso gescheitert, wie arrivierte Verwalter. Der einzige, der überall zu funktionieren scheint, ist Kühbauer. Aber auch der hat sich bei Rapid letztlich abgenutzt.
Stögers Nachfolger trifft bei Rapid auf einen Sportchef, der sich abermals beweisen soll, ein Trainerteam mit einer zweifelhaften Erfolgsbilanz, einen dysfunktionalen Kader ohne echte Identifikationsfiguren und viele weitere Persönlichkeiten, die den Verein hinter den Kulissen in unterschiedliche Richtungen zerren. Unter diesen Voraussetzungen und dem trotzdem immensen Erfolgsdruck lässt sich in Hütteldorf aktuell keine nachhaltige Erfolgsgeschichte schreiben.
Daniel Sauer