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Wie viel bringt Red Bull dem heimischen Kick (noch)? [Faktencheck]

Während Red Bull Salzburg wieder einmal ein hochkarätiges Testmatch spielt, wurde Sturm Graz von PSV Eindhoven eindeutig in die Schranken gewiesen, Rapid und Austria müssen sich durch die Quali quälen. „Bringt“ RBS dem heimischen Fußball noch etwas?

+ + 90minuten.at PLUS – Von Georg Sohler + 


Die Diskussion, wie viel Red Bull Salzburg dem heimischen Fußball wirklich bringt, ist so alt wie das Rebranding vor 18 Jahren. Auf der Habenseite stehen nach vielen verbrannten Millionen in den Anfangsjahren, folgenden Peinlichkeiten gegen Düdelingen und Co. mittlerweile regelmäßige Champions League-Teilnahmen, ein Abo-Titel, unzählige Transfermillionen. Im Fahrwasser konnte sich Sturm Graz aktuell als nationale Nummer zwei etablieren, mehr oder weniger knapp gefolgt vom LASK. In Ansätzen verfolgen beide ähnliche Ideen: weniger die Spielidee, mehr das Ein- und Verkaufen hoffnungsfroher Talente. Das zahlt sich aus, zumindest für die Klubs.

Umgekehrt ist Sturm zwar in 32 Runden immer mal wieder näher gekommen, PSV hat die Blackies aber filetiert. Da drängt sich die Frage auf, ob die für Meistergruppenteilnehmen vier, für die anderen zwei, Duelle gegen die Bullen rechnen. Und überhaupt: Da sind doch kaum mehr Österreicher dabei, bei den Mozartstädtern. 90minuten.at wirft einen genaueren Blick auf die Sache:

 

Weg vom Hättiwari

Klar, die Salzburger gewinnen national so gut wie alles. Aber ob es ein Schaden ist, gegen die aktuelle Nummer 27 der UEFA-Klubrangliste zu kicken? Das sind die Bullen nämlich im Durchrechnungszeitraum 2018-23. Der LASK (49), Rapid (89), Sturm (115) und die Austria (190) können da nicht mithalten. Zur Einordnung: Die fünf Teams vor Salzburg heißen Eintracht Frankfurt, Arsenal, Shakhtar Donezk, Olympique Lyon. Die dahinter Atalanta, Dinamo Zagreb, Club Brügge, die Rangers und Basel. Im Europacup wären das Spiele, die man ganz anders bewerten würde als mit der Frage, ob es gut ist, zwei bis vier Mal gegen sie zu spielen.

Andreas Ulmer, bei der Blamage gegen Düdelingen.

Was die Europacup-Performance betrifft, hat 90minuten.at die Frage für den Zeitraum 2017-22 bereits einmal gestellt. Das Fazit: Gänzlich ohne Salzburgs Punkte in der Fünfjahreswertung wäre man unter den besseren Top20-Teams, also zehn Plätze und mehr dahinter. Eine Simulation des Hätti-Wari ist schwierig, aber international hätten die anderen Klubs wohl nicht so schnell die Möglichkeit gehabt, sich von der Blamage gegen Düdelingen 2012 zum EL-Halbfinalisten 2018 hochzuschwingen. In einer 90minuten.at-Simulation wurde errechnet (), dass Österreich 2023/24 (mit den Punkten 17-22) eben nicht Achter, sondern Zwölfter wäre. Bis hierhin kann bzw. muss man festhalten: Ja, die anderen Klubs profitieren von Red Bull Salzburg, ein anderer Klub hätte nicht die finanziellen Möglichkeiten, diese Stellung zu erlangen, aber der Benefit heißt nicht: Alles zappenduster ohne die Bullen. Womit sich die nächste Frage stellt: Was bedeutet das für das A-Nationalteam?

 

Ausbildungsbundesland Salzburg?

Sieht man sich nämlich den aktuellen Kader an, dann fällt auf: Rot-Weiß-Rot ist nicht en vogue. Neben dem ablösefrei geholten Alexander Schlager und Superroutinier Andreas Ulmer stehen mit Samson Baidoo, Lukas Wallner, Justin Omoregie und Dijon Kameri nur noch vier weitere Österreicher im Kader. Mit Kameri und Baidoo sind das auch nur zwei Kicker, die aktuell für die erste Mannschaft in Frage kommen. Am Transfermarkt hat man hauptsächlich im Ausland zugeschlagen, sieht man von den Liefering-Wechseln und Schlager ab. Doch nun muss man ein bisschen einschränken. Zunächst einmal muss man festhalten, dass sich mit Amar Dedić und Luka Sučić zwei in Zell am See bzw. Linz geborene Kicker für andere Nationen entschieden haben. Beide wären wohl ein Fall für Ralf Rangnick, spielen allerdings auch schon seit der U16 bzw. U15 für Bosnien bzw. Kroatien. Nicolas Seiwald und Junior Adamu gab man zwei Stammspieler ab. Man müsste die Realität zwar ein bisschen beugen, aber würde dieser Beitrag im Mai erscheinen und Dedić und Sučić würden für rot-weiß-rot kicken, wäre das eine passable Auswahl.

Überhaupt Transfers: Die Ausbildung bei den Bullen ist gewissermaßen „schuld“ daran, dass so wenige Österreicher bei ihnen kicken. Im letzten Kader von Ralf Rangnick gegen Belgien und Schweden standen mit Adamu, Laimer, Schlager und Seiwald aktuelle/ehemalige Salzburger. Zieht man den Kreis noch weiter zu jenen, die maßgebliche Ausbildungen/Schritte genossen haben, könnte man noch Alexander Schlager, Patrick Pentz, vielleicht auch noch Maximilian Wöber und unter Umständen Marcel Sabitzer heranziehen. Auf Abruf standen mit Lainer, Ulmer, Honsak und Prass auch noch eine Reihe derartiger Spieler.

Sturm-Juwel Alexander Prass: Von 2012 bis 2021 in Salzburg ausgebildet

Das passt gut zu einem noch weiteren, möglichen Leistungsnachweis der Salzburger Nachwuchsausbildung: Jene Kicker, die es nicht bei den roten Bullen schaffen. Sturm etwa hat mit Affengruber, Gazibegovic, Prass und Hierländer (ev. Schnegg) vier bzw. fünf ehemalige RBS-Kicker im Kader. Das könnte man jetzt durchspielen, aber viele heimische Vereine profitieren immer wieder von Salzburg-Leihspielern.

Ist die Zeit vorbei?

Doch die Frage ist, wie es nun weitergeht. Für die erste Mannschaft wurden von Bidstrup über Terzic und Ratkov zu Fernandes-Neto internationale Kicker verpflichtet. Von den von Liefering „hochgezogenen“ Wallner, Ibertsberger und Hofer ist nur Wallner aktuell noch in Salzburg, die anderen beiden verliehen. So weit, so verständlich, kaufen doch auch die anderen Champions League-Topklubs international ein. Die Luft an der Spitze ist dünn. Aber im „inoffiziellen“ Zweitteam FC Liefering schaut es auch schlecht aus. Da wäre einmal die sportliche Performance. Letztes Jahr landete man nur fünf Zähler vor Absteiger Vorwärts Steyr. Cheftrainer Fabio Ingolitsch musste gehen.

Von den Kickern, die in der letzten 2. Liga-Saison mehr als 1.000 Einsatzminuten verbuchten, waren nur neun für Österreich spielberechtigt. Raphael Hofer ist zu BW Linz gegangen, Samson Baidoo und Lukas Wallner sind „oben“, Lukas Ibertsberger ist an den WAC verliehen, Elias Havel an den LASK. Sprich, es sind noch vier da. Und nachdem internationale Talente ebendort „geparkt“ werden, um sich letztgültig für Salzburg zu empfehlen, scheint es mehr als fraglich, wie rot-weiß-rot der Bullennachwuchs letztlich sein wird.

 

Die Antwort: Das kommt drauf an...

Natürlich, das Engagement der Bullen in Österreich ist ein Faktum. Nachdem das Werk'l läuft und sich selber trägt, ist man gut aufgestellt. Ob die Punkte in Europa nun von Pavlovic, Gourna-Douath und Gloukh geholt werden, ist dabei genau so wenig entscheidend wie die Frage, ob das passt, wenn Wüthrich, Kiteishvili und Włodarczyk selbiges für die Grazer tun.
Es ist schön, dass im Fußball nur Leistung, aber kein Pass zählt. Salzburg hat sich mit vielen Österreichern einen Namen in Europa gemacht, derzeit sind weniger da. Inwiefern das die Zukunft ist oder eine Momentaufnahme, zeigen die kommenden Jahre. Derzeit schlägt das Pendel in dir Richtung mit weniger Österrreicher aus …

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