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Sportler:innen strafen für Putins Aggression? [Kommentar]

Der Fußball schließt Russland von allen Bewerben aus, Belarus darf vorerst noch teilnehmen. Ist es richtig, dass Sportler:innen wegen des Verhaltens der Diktatoren und deren Führungsclique ausgeschlossen werden?

+ + 90minuten.at Exklusiv – Ein Kommentar Georg Sander + + 

 

Es hat ein bisschen gedauert, dann entschlossen sich die Fußballverbände FIFA und UEFA dazu, hart Maßnahmen vor allem gegen die russischen Auswahlen auszusprechen. Vor dem Hintergrund von Vladimir Putins völkerrechtswidrigen, aggressiven, sinnlosen und menschenverachtenden Angriff auf die demokratische Ukraine wurden alle russischen National-, Nachwuchs- und Klubmannschaften ausgeschlossen. Russland hat keine Chance auf die WM 2022 in Qatar mehr, das Frauenteam darf nicht bei der Euro in England antreten, die U19 nicht gegen Österreischs Nachwuchs um in der Eliterunde spielen. Der letzte verbliebene Klub im Europacup, Europa League-Viertelfinalist Spartak Moskau, wurde ausgeschlossen. Zudem wurde das Champions League-Finale am 28. Mai von Putins Geburtsstadt St. Petersburg aus der Gazprom-Arena ins Stade de France in Paris verlegt.

 

Reaktion musste kommen

FIFA und UEFA folgen somit dem Vorbild des IOC und des gesammelten Sports, sieht man etwa vom Tennis ab, wo Nummer eins Daniil Medwedew beispielsweise weiterhin spielen darf. Irgendeine Reaktion musste die Sportwelt geben. Es dauerte. Aber vermutlich auch deswegen, weil Vertragswerke geprüft werden müssen. Oder, wie die Wiener Austria erzählte, man zuerst niemanden erreicht hat. Und so einfach ist eine einseitige Vertragsauflösung über Weltcup-Austragungsorte und Sponsorenverträge nicht.

"Just in Qatar findet eine Weltmeisterschaft statt, chinesische Sponsoren drängten sich zuletzt auf. Der Glaube, dass die FIFA hierbei genauso vorgeht, ist nicht allzu groß." - Georg Sander

Dass die UEFA Gazprom, den russischen Gaskonzern, vor die Tür setzt, scheint dabei das Mindeste. Spartak Moskau, der Klub gehört Lukoil-Manager Leonid Fedun, aus dem Europacup zu werfen ist mit Sicherheit keine große Sache, die Sbornaja wäre bei den Herren im gegenwärtigen Leistungszustand schon nicht nach Qatar gefahren. Die russischen Frauen kamen als eine der sechs Zweitplatzierten knapp zur Euro, Portugal, Tschechien und – richtig vermutet - die Ukraine blieben im Playoff hängen. Zwar hatte die UEFA einen Vertrag mit Gazprom, der rund 40 Millionen Euro im Jahr bringen soll, aber da findet sich, wie auf Schalke, sicherlich ein anderer Sponsor.

 

Wie geht es weiter?

Kurzfristig wirken die Maßnahmen der Sponsoren und Verbände und nicht wenige sehen darin wichtige Symbole. Aber zur Erinnerung: Das ehemalige Yugoslawien wurde erst in Folge von UN-Sanktionen von der Euro 92 ausgeschlossen. Saudi-Arabien führt seit 2015 einen Angriffskrieg im Jemen, bis 2017 unter Mithilfe just von Qatar (und weiteren arabischen Ländern), mit logistischer Unterstützung von den USA, Frankreich und Großbritannien. Konsequenzen gegen die USA oder andere westeuropäische Länder gab es vonseiten des Sports nie, bei keiner Intervention in den letzten 30 Jahren. Wer hier eine Doppelmoral ortet, der liegt faktisch nicht komplett daneben.

Und das ist auch ein Fingerzeig auf die nächsten Monate: Just in Qatar findet eine Weltmeisterschaft statt, chinesische Sponsoren drängten sich zuletzt auf. Die Menschenrechtsverletzungen in beiden Ländern sind dokumentiert. Der Glaube, dass die FIFA hierbei genauso vorgeht, ist nicht allzu groß. Und: Müsste man dann nicht in weiterer Folge alle Unternehmen als Sponsoren ausschließen, die – Stichwort Klimawandel – ebenfalls die Zukunft des Planeten aufs Spiel setzen? Um noch eines drauf zu setzen: Wie geht man mit Fußballer:innen, jungen Menschen, um, die vielleicht aus Propaganda oder Angst um die Familie den Angriff nicht benennen wollen?

Vom Sport wird viel verlangt, Stars stehen in der Öffentlichkeit, es sind fast die größten Events auf dem Planeten. Oftmals scheitert man daran, das Richtige zu tun – auch, weil es schlichtweg nicht einfach ist.

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