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Neuer ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick: Groß gedacht [Kommentar]

Ralf Rangnick soll das ÖFB-Nationalteam der Herren zur Euro 2024 nach Deutschland führen. Die Entscheidung von Milletich, Schöttel und Co. verdient Respekt, es gilt aber aufzupassen.

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Ralf Rangnick also. Die größtmögliche Lösung für den ÖFB-Teamchefposten. Der Erklärer des Fußball, der Maestro des Pressing. Ulm und Hoffenheim führte er in lichte Höhen, in der Vita stehen Klubs wie Stuttgart, Schalke oder aktuell Manchester United. Und natürlich Salzburg und Leipzig. 2012 heuerte er im Hause Red Bull an, der Rest ist Geschichte. Salzburg ist mit dem Pressingfußball der Faktor in Österreich, stand im Europa League-Halbfinale und ist Champions League-Stammgast. Leipzig stieg hoch, könnte nur wenige Jahre nach dem Aufstieg in die Bundesliga mit dem Pokal den ersten nationalen Titel holen und steht im zweiten europäischen Halbfinale nach 2020.

Rangnick ist Red Bull-Fußball und wohl auch als Name groß genug, um die starken Charaktere im Nationalteam zu führen. „Seine“ Red Bull-Jünger sind sowieso auf seiner Seite. Der ÖFB wird es sich finanziell überlegt haben, ein weiterer Sponsor ist möglich. Gegen sein bzw. in seinem eigenen Heimatland, mit einem Nationalteam, das durch seine Schule ging, zu kicken, mag Rangnick wohl gefallen. Die absolute Wertschätzung, etwa in Form eines prominenten Trainerpostens in Deutschland, blieb ihm ja verwehrt. Vielleicht ist auch das Ego eines älteren Mannes nicht zu unterschätzen. Fragen konnte man ihn das nicht, er war am Freitag nicht zugegen.

 

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Es mag dem Zeitdruck geschuldet gewesen sein, aber die Präsentation der Teamchefkür war wieder einmal ausbaufähig. Österreichs Fußballbund redet sich klein, kommuniziert die Verpflichtung so, als ob man erst in den letzten Tagen darauf gekommen wäre, dass Rangnick überhaupt gefragt werden könnte. Dazu gab es noch einen Milletich'schen Seitenhieb auf den Vorgänger. Professionell sieht anders aus.

"Gerhard Milletich und Co. haben eine sportlich und finanziell mutige Entscheidung getroffen, die dem vorsichtigen und eher konservativ denkenden Verband die wenigsten Beobachter zugetraut hätten." - Georg Sander

Natürlich gibt es bei dem neuen Nationalteamtrainer nicht nur Licht. Rangnick war schon in Salzburg dafür bekannt, sehr viel zu kontrollieren. Mit absoluten Megastars, siehe Manchester United, tut er sich offenbar schwerer. Eine junge, hungrige Mannschaft zu trainieren, das liegt ihm mehr. Da ist es fraglich, wie er mit echten Superstars wie David Alaba, Legenden wie Marko Arnautović oder Meinungsführern wie Martin Hinteregger auskommt.

Und letztlich stellt sich auch die Frage, wie lang und weitreichend das Projekt des Red Bull-Fußballerfinders ist. Ein Verband besteht nicht nur aus dem A-Team, die Spielideen zumindest auf die U21, wenn nicht auch auf die U19 auszuweiten, würde sich empfehlen; ob es nicht sinnvoll wäre, jetzt, da man sich klar für RB-Kick entschieden hat, weitreichendere Entscheidungen auch im Nachwuchsfußball anzugehen hinsichtlich der Spielausrichtung zu treffen?

Über all dem steht aber eines: Gerhard Milletich und Co. haben eine sportlich und finanziell mutige Entscheidung getroffen, die dem vorsichtigen und eher konservativ denkenden Verband die wenigsten Beobachter zugetraut hätten. Endlich wird auch in Österreich einmal groß gedacht.

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