"Denkt man weiter, könnte man auch die toten Gastarbeiter vor der WM mit jenen Menschen vergleichen, die die EU an den Grenzen sterben lässt. Wer auf andere zeigt, muss auch in den Spiegel blicken."
Allerdings darf der Verweis auf das kleine Land nicht den großen Westen aus der Verantwortung nehmen. Auch wenn in Österreich immer alles "richtig" gemacht wird, ist nicht alles rosig, was wir anderen vorwerfen. Ein paar Beispiele: Einfach nur Stichwort WKStA. Oder vier Euro Stundenlohn und 14 bis 15 Stunden Arbeit pro Tag, so ging/geht es Erntehelfer:innen aus Rumänien in Niederösterreich. Das Innenministerium lässt hier verwurzelte Kinder mit Spezialeinheiten abholen und widerrechtlich außer Landes bringen. Die komplette rechtliche Gleichstellung homosexueller Ehepaare kam in Österreich nicht von der Politik, sondern vom Verfassungsgericht. In Summe wohl weniger „schlimm“ als in Qatar. Denkt man weiter, könnte man auch die toten Gastarbeiter vor der WM mit jenen Menschen vergleichen, die die EU an den Grenzen sterben lässt. Wer auf andere zeigt, muss auch in den Spiegel blicken.
Das Leder rollt, wir schreiben
90minuten.at wird über diese Themen berichten – und über Fußball. Das Spiel mit dem runden Leder ist das Kerngeschäft, zugegebenermaßen. Aber die Spiele selbst, um mögen sie ungewöhnlicherweise auch im Winter stattfinden, sind doch ein Zeichen, dass in dieser immer verrückter werdenden Welt doch auch eine kleine Sphäre existiert, in der nach relativ klaren Regeln Menschen aus aller Herren und Frauen Länder 90 Minuten lang inne halten, zusammen auf die Bildschirme schauen und sich der schönsten Nebensache der Welt erfreuen.
Die Redaktion wird berichten, analysieren und ansprechen, was da in Qatar passiert. Auch wenn es nicht in die Zeit und vor allem an diesen Ort passen will: Wenn wildfremde Menschen gemeinsam Siege bejubeln und Niederlagen beweinen, sich in die Arme fallen und einander trösten, diese Freiheit sollte man sich nicht von korrupten Menschenfeinden nehmen lassen.