Der SK Rapid hat den Frühjahrsauftakt mit drei Niederlagen in Folge verpatzt. In Hütteldorf geistert nebst vielem anderen auch das Trainerdiskussionsgespenst herum.
Die Redaktion konfrontiert 90minuten-Gründer Michael Fiala und Redakteur Georg Sohler mit vier Thesen zum Wiener Top-Klub.
These 1: Sechs sieglose Liga-Spiele, nur ein Erfolg aus den letzten neun Spielen. Wer eine Trainer-Diskussion bei Rapid für unangebracht hält, kennt die Mechanismen des modernen Fußballs nicht.

Michael Fiala: Die Mechanismen im Fußball sind nun einmal so, dass man als Rapid nach so einer Serie eine Trainerdiskussion hat. Zumindest kann man das in den einschlägigen Foren bereits seit einiger Zeit lesen. Aus Sicht von Rapid sollte man derzeit jedoch die Nerven behalten und Robert Klauß auf jeden Fall bis zum Ende der Saison den Rücken stärken. Alles andere wäre fatal.
Markus Katzer wird aber meiner Meinung nach sowieso immer alle Optionen prüfen, und ein aktuelles Gespür dafür haben, ob es eine entsprechende Entwicklung gibt. Denn eines muss man schon auch sagen: So viel Geld wie jetzt hat Rapid selten zuvor in den Kader gesteckt. Insofern werden die Ziele auch andere sein, als schon wieder zu zittern, ob man in die Meistergruppe kommt oder nicht. Es wird sich zeigen, ob die aktuelle Trainerdiskussion am Ende der Saison auch das Management von Rapid erfassen wird.
Georg Sohler: Ich lese diese Wortmeldungen auch mit Verwunderung. Aber vielleicht haben die, die das posten, die letzten Jahre vergessen. Sollen wir es nochmals sagen? Ok. Also: 2008 ist Rapid das letzte Mal Meister geworden. Dieser Meistertitel kann schon wählen und den L17 anfangen. Seitdem hat der Rekordmeister schon sehr viel versucht.
Wenn man in dieser Spirale bleibt, dass man beim zweiten oder dritten Gegenwind wieder alles über den Haufen wirft, dann wird sich irgendwann wer anderer mit der Wiener Austria um den Rekordmeistertitel zanken. Evaluieren und Hinterfragen ist nie verkehrt, aber angesichts der kommenden Gegner kann man mit Ende des Grunddurchgangs gut und gerne Dritter und Europacup-Viertelfinalist sein.
These 2: Rapid ist gut beraten, den vollen Fokus auf die Meisterschaft zu legen. Der Einzug in die Meistergruppe muss über dem Aufstieg in der Conference League stehen.

Georg Sohler: Ich halte einmal grundsätzlich wenig davon, zu fordern, in irgendeinem Bewerbsspiel unmotivierter zu gehen als in ein anderes. Liga, Cup, Europa: Immer Vollgas. Abgesehen davon hat Rapid noch immer vier Punkte Vorsprung auf den Siebten und ist ja nicht gerade von den drei Tabellenschlusslichtern abgeschossen worden. Man soll zwar nicht immer alles auf die Auslosung schieben, aber jetzt spielt man daheim gegen Letzten aus Altach, muss dann nach Hartberg und trifft dann abschließend auf den derzeit vorletzten GAK.
Das ist im Vergleich zu der lauernden Konkurrenz aus Linz und Hartberg schon um einiges einfacher und es sind die Gegner, gegen die man im Normalfall aus Qualitätsgründen zwei, drei Tore machen wird. Es würde mich schon sehr wundern, wenn die Hütteldorfer das noch versemmeln. Und deswegen sollte man sich auch nicht die Chance auf das erste europäische Viertelfinale seit 1995/96 nehmen lassen.
Michael Fiala: Ich stimme Georg zu, dass es da keinen Unterschied geben darf. Man muss sich das ja vor Augen halten, dass die meisten Gegner in der Conference League nicht übermächtig sind. Mit ein bisschen Geschick und Glück kann da noch vieles gehen. Und es kann auch der rettende Strohalm sein, wenn es vielleicht in der Meisterschaft in dieser Saison schon wieder nicht nach Plan läuft.
Derzeit ist es aber noch zu früh, Bilanz zu ziehen. Nach 22 Runden in der Meisterschaft wissen wir mehr, ob die große Depression eintreffen wird oder nicht. Vermutlich wird es Rapid in die Meistergruppe schaffen. Aber allein schon das Wort "vermutlich" zeigt ja, dass bei den Hütteldorfern derzeit der Wurm drinnen ist.
These 3: No Burgi, no party! Ohne Guido Burgstaller ist der SK Rapid in der Offensive einfach nicht gut genug aufgestellt.

Michael Fiala: Keine Frage, Guido Burgstaller ist sicherlich ein wichtiger Spieler im Mannschaftsgefüge des SK Rapid. Aber bitte nicht böse sein: Ein Spieler, der eigentlich so oder so in vier Monaten seine Karriere beenden wird, kann nicht so wichtig sein, dass diese These schlagend wird.
Rapid investiert – ich habe es weiter oben schon erwähnt – so viel in den Kader wie schon lange nicht. Da darf ein Ausfall von Guido Burgstaller gerne zu einer Verunsicherung führen, aber nicht den geplanten Weg des SK Rapid ins Wanken bringen.
Georg Sohler: Grundsätzlich werde ich Michael nicht widersprechen, aber ergänzen. Vorneweg allerdings: Warum Burgstaller nicht spielt, ist tragisch. Und jetzt zur These, die ich eigentlich nicht wirklich verstehe. Warum hat sich Blau-Weiß Linz damals Ronivaldo geholt? Oder wieso hat Red Bull Salzburg den 32 Jahre alten Karim Onisiwo geholt? Routinierte Spieler verdienen höhere Summen und man kann sie auch nicht teuer weiterverkaufen, die Erwartungshaltung an Stürmer-Oldies ist überall ganz schlicht und einfach eines: Tore zu schießen.
Und weil sich niemand zwei bis drei dieser Spieler holt, ist es eigentlich eine selbsterfüllende Prophezeiung, dass der Stürmerstar fehlt. Außerdem hat der Herr Beljo in der Liga das letzte Mal Anfang November getroffen...
These 4: Alles halb so schlimm, was aktuell passiert. In Wahrheit bastelt Sportchef Markus Katzer an einem Kader, der nächste Saison zu den absoluten Titelfavoriten zählen wird.

Georg Sohler: Also wenn ich mir ansehe, wie sehr sich der Wind in Hütteldorf innerhalb von ein paar schlechten Spielen dreht, wird mir schwindlig. In These eins werfen wir den Trainer raus, jetzt werden wir Meister? Dagegen ist das ÖFB-Team-bezogene "himmelhochjauchzend/zutodebetrübt" ein Lercherlschaß.
Katzer hat es eh schon oft gesagt: Wer so lange nichts gewonnen hat, kann quasi keine Ansprüche stellen. Darüber hinaus frage ich mich, wer Rapid zum Meistertitel schießen soll, wenn Stand heute mit Burgstaller, Beljo, Kara und Radulovic vier Offensivspieler vor dem Abschied stehen. Und selbst wenn der Sportchef einen absolut tollen Plan hätte, würde ich mich schon auch drauf verlassen, dass gerade dieser Klub sich aus irgendwelchen dummen Gründen verlässlich selbst ein Bein stellen wird.
Michael Fiala: Also von "ein paar schlechten Spielen" zu reden, halte ich persönlich wieder für Untertreibung. Die Grün-Weißen suchen seit Monaten ihre Form bzw. eine Spielidee, die man erfolgreich umsetzen kann. Tendenz: Sie suchen noch immer. Insofern ist es aus meiner Sicht nicht "halb so schlimm", denn wie schnell sich die (finanzielle) Stimmung drehen kann, würde man sehen, wenn es in der kommenden Saison keine Europacup-Spiele in Wien Hütteldorf geben würde. Weil dann gibt es auch keine finanzielle Basis für einen besseren Kader.
Und die Wörter "Titelfavorit" und "Rapid" in einem Satz würde ich vermeiden, auch wenn es vielen Rapid-Fans weh tut, dass ausgerechnet in den mittlerweile schlechten Jahren von Salzburg es nicht die Hütteldorfer sind, die in die Bresche springen.
VIDEO: Form- oder Ergebniskrise bei Rapid?