Die Wahl ist (einstimmig) geschlagen, die ersten Interviews mit der APA und in der ZIB2 sind absolviert. Josef Pröll wird also künftig den größten Sportverband Österreichs letztverantworten. Und eines ist jetzt schon klar: Auf den Niederösterreicher warten einige prekäre Themen, an denen sich seine Vorgänger die Zähne ausgebissen haben.
90minuten zeigt die wichtigsten Punkte auf, welche Baustellen Pröll in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren beseitigen sollte:
Ruhe im Verband
Es war fast schon trügerisch ruhig in den Tagen vor der Wahl von Pröll. Doch dann hielt der ÖFB an seinen Traditionen fest und es gab im Falter eine brisante Story über Corona-Förderungen, die möglicherweise zu Unrecht beantragt worden sind. Wie viel Substanz die Vorwürfe haben, und für Josef Pröll vermutlich genauso wichtig, wer die Geschichte "lanciert" hat, wird sich noch zeigen.
Es ist kein Geheimnis, und der neue ÖFB-Boss hat es in seinen zwei Interviews auch schon klar betont, dass der ÖFB endlich Ruhe braucht, ja sogar nach dieser "lechzt". Ob das alle Präsidiumsmitglieder auch so sehen, darf zumindest bezweifelt werden. Nur allzu oft hatte man in den vergangenen Jahren den Eindruck, dass manche Personen sogar ein wenig Spaß haben, wenn sie für öffentliche Unruhe sorgen. Nicht zuletzt startet im Juni die WM-Qualifikation, und es wäre natürlich die logischste Aufgabe, dem Team optimale Rahmenbedingungen zu ermöglichen. Und dazu gehört auch, dass der Verband weder den Teamchef noch die Spieler mit Querelen belastet.
Bekenntnis zu Ralf Rangnick
Womit wir auch gleich zu einem zweiten, wichtigen Punkt kommen: Josef Pröll hat auch noch einmal im ZIB2-Interview unmissverständlich klargestellt, dass Ralf Rangnick der absolut richtige Trainer am richtigen Platz ist. Daran soll sich nichts ändern.
Auch das wird Pröll noch mit dem einen oder anderen Präsidiumsmitglied wohl ein wenig intensiver besprechen müssen. Zum Beispiel mit Johann Gartner, der es sich in der Vergangenheit nicht hat nehmen lassen, Rangnick öffentlich anzuzählen, und auch einen Vergleich mit Franco Foda nicht gescheut hat.
Die Gründe für diese Kritik liegen aber nicht (nur) an den Rückschlägen, die das ÖFB-Team in den Spielen gegen Slowenien und Serbien erlitten hat, sondern auch an tieferliegenden Themen, wie etwa die Aufteilung der Budgets an die Landesverbände bzw. für den Profisport.
Der Machtkampf muss ein Ende finden
Bilanziert man die Krisen, die der ÖFB in den vergangenen Jahren nahezu ausschließlich öffentlich ausgetragen hat, so zieht sich dabei ein Thema wie ein roter Faden durch: Der Konflikt der beiden Geschäftsführer Thomas Hollerer (Generalsekretär) und Bernhard Neuhold (Geschäftsführer Wirtschaftsbetriebe).
Die meisten Streitereien haben einen Bezug zu diesem Konflikt. Eines hat Pröll jetzt schon klargestellt: "Ich habe keinen Grund, überstürzte Entscheidungen zu treffen. Ich habe mit beiden schon Gespräche geführt und werde das intensivieren. An dieses Thema gehe ich objektiv und ohne Voreingenommenheit heran. Ich habe niemandem gegenüber Vorurteile oder historische Hypotheken."
Eine Lösung wird es jedoch brauchen, weil der Konflikt den ganzen Verband in ständige Unruhe versetzt hat. Der Posten des neuen ÖFB-CEOs soll laut Pröll ausgeschrieben werden. Das ist aber nur ein erster Schritt. Ein offenes, transparentes und faires Ausschreibungsverfahren ist dringend notwendig, um auch in diese Thematik mehr Ruhe zu bekommen.
Der ÖFB braucht eine Strategie
Die ständigen Streitereien der vergangenen Jahren haben auch dazu geführt, dass der ÖFB eigentlich einige seiner Kernaufgaben vernachlässigt hat. Entscheidungen werden hinausgezögert, strategische Planung oftmals verhindert.
Eine wichtige Aufgabe für Pröll wird es daher vermutlich auch sein, den Verband als solchen in der Öffentlichkeit zu positionieren und gemeinsam mit dem Präsidiumsteam eine zukunftsfitte Strategie auszuarbeiten. Inwiefern das mit den aktuellen Protagonisten in diesem Gremium möglich ist, sei dahingestellt.
Es wäre aber jedenfalls an der Zeit, wenn der ÖFB wieder ein Ziel bzw. eine Vision vor Augen hat, an dem sich alle orientieren können. Die Querelen rühren nicht zuletzt auch daher, dass das schwerfällige Schiff oft führungslos gesteuert wurde, und sich in diesem (Macht-)Vakuum viele Personen profilieren wollten.
Neues Nationalstadion & neue Finanzquellen
Das Thema eines neuen Nationalstadions hat nun auch Josef Pröll geerbt. Die fehlende Strategie (siehe oben) hat auch dazu geführt, dass diese heiße und oftmals dann doch wieder sehr kalte Kartoffel hin- und hergereicht wurde. Die Politik konnte es sich in diesem schwachen Führungsumfeld ebenfalls sehr leicht machen, und die Verantwortung von sich schieben. Nur ein starker ÖFB, der an einem Strang zieht, hat überhaupt die Möglichkeit, dieses Projekt anzugehen.
In diesem Zusammenhang wird der ÖFB künftig auch noch kreativer werden müssen, wie man den Spitzen- und Breitensport finanziert. Neue Konzepte und Ideen bei den Themen Marketing und Sponsoring sind gefragt - gerade in Zeiten, in denen gespart wird.