Grün-weiße Wahlkabine: Die großen und kleinen Unterschiede zwischen Bruckner und Schmid

Erstmals müssen die Rapid-Mitglieder bei einer Hauptversammlung zwischen zwei Kandidaten im Rahmen einer Präsidentenwahl entscheiden. 90minuten.at hat die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Listen herausgearbeitet.

Die Zeiten der herben Verluste der Hütteldorfer sind vorbei – unter der Voraussetzung, dass Rapid in der Europa League Gruppenphase spielt oder lukrative Transfers verbuchen kann.

Geschäftsführer Christoph Peschek ist bei einigen Präsidiumskandidaten der Liste Schmid ein rotes Tuch. Die Zukunft des Rapid-Geschäftsführers steht bei einem Sieg von Schmid in den Sternen.

Mit der Liste Schmid könnte im Erfolgsfall möglicherweise mehr erreicht werden. Andererseits besteht aber auch die Gefahr, dass die neuen Ideen nicht schnell genug greifen und das Pulverfass Hütteldorf dann eher explodiert als unter Bruckner.

++ 90minuten.at exklusiv ++ Eine Analyse von Michael Fiala

 

Sportliche Entwicklung

Hier ist wohl einer der größten Unterschiede beider Listen auszumachen: Die Liste Bruckner steht hier für Kontinuität im Sinne der Bestellung von Zoran Barisic. Hier sieht Bruckner den richtigen Weg eingeschlagen, der in den kommenden drei Jahren weiterverfolgt werden soll. Kurz gesagt: Bruckner ist der Meinung, dass der Erfolg unter Zoran Barisic und Didi Kühbauer zurückkommen wird.

Bei Roland Schmid und seinem Team ist das schon ein wenig anders. Mit Conny Wilczynski und Max Kindler hat Schmid zwei Personen im Präsidium, die ziemlich konkrete Vorstellungen haben, wie der Sport künftig aufgestellt sein soll. Zwar wurde im Vorfeld oft betont, diesen Weg mit Zoran Barisic gehen zu wollen. Fraglich ist jedoch, ob Barisic mit den Ideen von Wilczynski, Kindler und Schmid auf einer Linie ist.

 

Nachwuchs

Der Nachwuchs inklusive dem noch zu errichtenden Akademiezentrum bietet für das Team Schmid wohl die größte Angriffsfläche. Schmid will hier die bestmögliche Variante umsetzen, die von Peschek & Co präsentierte Lösung vor wenigen Wochen findet er enttäuschend.

Martin Bruckner hingegen findet die modulare Lösung, die vorgestellt wurde, als zeitgemäß. Sollten sich durch künftige sportliche Erfolge neue finanzielle Mittel auftun, können man jederzeit erweitern.

Ein weiteres Thema ist der finanzielle Anteil des Gesamtbudgets National, das in den Nachwuchs fließen soll. Schmid will hier deutlich mehr investieren als es bisher geschehen ist. In diesem Zusammenhang sind in den vergangenen Wochen viele Zahlen genannt worden. Bruckner warnt jedoch davor, dass ein massiv erhöhtes Budget für den Nachwuchs auf Kosten der Kampfmannschaft gehen würde. Bruckner hat zudem auch betont, dass bereits in den vergangenen Jahren der finanzielle Anteil für den Nachwuchs deutlich erhöht wurde.

Wirtschaftliche Entwicklung

Wie in den Satzungen vorgesehen, hat Rapid spätestens zehn Tage vor der Hauptversammlung seinen Geschäftsbericht für 2018/19 veröffentlicht.

Diese Zahlen wurden naturgemäß je nach Blickwinkel unterschiedlich interpretiert: Martin Bruckner lobte die Entwicklung mit einem Rekordbudget von über 50 Mio. Euro. Die Zeiten der herben Verluste der Hütteldorfer sind vorbei – unter der Voraussetzung, dass Rapid in der Europa League Gruppenphase spielt oder lukrative Transfers verbuchen kann. Rein aus dem nationalen Betrieb hat Rapid ein Minus von mehr als 6 Mio. Euro zu Buche stehen. In den vergangenen Jahren ist es aber immer gelungen, dieses durch Europa League oder Transfers mehr als auszugleichen. 

Für Roland Schmid läuteten nach der Präsentation der Geschäftszahlen in einer Aussendung die Alarmglocken. Er kritisierte das deutlich negative Geschäftsergebnis im nationalen Bereich und die hohen Personalkosten. Christoph Marek, der als Vizepräsident unter Schmid vorgesehen ist, meinte: „ Unter diesen Umständen ist man nicht nur zum sportlichen Erfolg verdammt, sondern auch zu einem starken Umdenken in wirtschaftlichen Fragen.“

 

Transferpolitik

Die Liste Bruckner hat hier eine klare Ansage: „Bei uns wird es keine 1-Mio-Euro-Einkäufe mehr geben. Diese Typen müssen wir selber haben."

Roland Schmid setzt auch klar auf den Nachwuchs, will eine 50% Quote von Eigenbauspielern im Verein. Bei den restlichen 50% kann man laut Schmid auch über teure Transfers reden. Schmid im 90minuten.at-Interview: „Wenn der Sportdirektor entsprechend dem Strategiepapier einen derartigen Spieler (Anm.: Mit einer Transfersumme von beispielsweise 2 Mio. Euro) vorschlägt, schließe ich so etwas nicht aus.“

 

Investor

Das Thema Investor ist bei Rapid naturgemäß heikel, denn der Mitgliederverein hat stets betont, zu 100% in den Händen der Mitglieder bleiben zu wollen. Die Liste Bruckner ist hier generell unverdächtig, es ist vollkommen klar, dass der Status so bleibt wie es ist und es keine Diskussionen über künftige Investoren geben wird.

Dies hat auch Roland Schmid bei seiner Präsentation und diversen Interviews erklärt, wobei Schmid ein wenig Erklärungsbedarf hatte, weil der Unterstützungsbrief der sieben Legenden sich für einen Investor bei Rapid ausgesprochen hat. Auch Michael Tojner, der im Hintergrund der Listen Grüneis/Schmid als Unterstützer herumschwirrt, ist als klassischer Investor bekannt. Sollte er wirklich fünf Millionen Euro für den Bau der Rapid-Akademie zur Verfügung stellen, stellt sich natürlich die Frage, wie die Gegenleistung dafür aussieht. Denn nur aus Liebe zu Rapid allein wird Michael Tojner keine fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen. Schmid stellt klar: „So wird es auch bei Michael Tojner sein, er wird eine Gegenleistung für die fünf Millionen Euro bekommen und wir werden keine Anteile von Rapid dafür hergegeben. Das können wir rechtlich auch gar nicht.“

Personelle Änderungen: Christoph Peschek

Beide Listen haben angekündigt, an den personellen Schnittstellen wie Geschäftsführung Wirtschaft oder Sport vorerst nichts zu ändern. Blickt man jedoch hinter die Kulissen ist klar, dass ein Sieg der Liste Schmid jedoch auch in diesem Bereich wohl für Veränderung steht. Geschäftsführer Christoph Peschek ist bei einigen Präsidiumskandidaten der Liste Schmid ein rotes Tuch. Die Zukunft des Rapid-Geschäftsführers steht bei einem Sieg von Schmid in den Sternen.

Beim Team Bruckner ist eine weitere Zusammenarbeit mit Christoph Peschek jedenfalls dezidiert vorgesehen.

 

Personelle Änderungen: Zoran Barisic

Roland Schmid hat mit Andi Herzog eine starke Persönlichkeit in der Hinterhand. Sollte Herzog, der noch das PlayOff mit Israel bestreitet und daher noch nicht klar ist, ob er auch noch im Sommer 2020 als Teamchef tätig sein wird, tatsächlich für Rapid tätig werden, ist wohl für alle klar, dass er das nicht in der zweiten Reihe unter Zoran Barisic machen würde. Zudem vermeidet Schmid eine Jobgarantie für Zoran Barisic, auch wenn es konkret um die Frage geht, ob Barisic für die nächsten 12 Monate der Sportdirektor sein wird. Vieles wird hier davon abhängen, ob die Ideen des Team Schmid mit jenen von Barisic kompatibel sein werden.

Ganz anders ist dies beim Team Bruckner: Die Liste Leitbild ist vom Weg von Zoran Barisic voll und ganz überzeugt. Es gibt keinerlei Zweifel an der Person Zoran Barisic. Man ist davon überzeugt, dass man unter dieser Entwicklung schon bald sportliche Früchte ernten kann.

 

Personelle Änderungen: Didi Kühbauer

Interessant ist auch die Meinung von Roland Schmid zu Didi Kühbauer: "Ich erkenne unter Didi Kühbauer keine nachhaltige Verbesserung“, meinte Schmid im 90minuten.at-Interview. Eine Aussage, die medial für viel Unruhe gesorgt hat. Aber: Die Entscheidung, ob ein Trainer gehen muss oder nicht, trifft aus Sicht von Schmid der Sportdirektor und nicht der Präsident. Die Aussage von Schmid ist jedoch ein klares Indiz dafür, dass er mit der aktuellen sportlichen Performance nicht zufrieden ist.

Auch hier hat das Team Bruckner eine andere Sichtweise: Mit Kühbauer in der Kombination mit Barisic habe Rapid eine positive Entwicklung gezeigt, so Bruckner.

 

Authentizität

Das Konzept der Liste Bruckner ist sicherlich authentischer als jenes der Liste Schmid. Das ist auch einfach erklärt: Das Konzept, das von Schmid nach der Zulassung durch das Wahlkomitee verschickt wurde, ist jenes von Robert Grüneis – eine Mischform beider Konzepte war aus formellen Gründen nicht mehr möglich, weil sonst das Wahlkomitee noch einmal zusammentreten und das neue Konzept hätte bewerten müssen. Bei der ersten Pressekonferenz meinte Schmid dazu, dass sein Konzept und jenes von Grüneis inhaltlich große Überschneidungen haben. Schmid hat zudem sein ursprüngliches Konzept auch veröffentlicht, das im sportlichen Bereich deutlich weniger ausgereift war als jenes von Grüneis.

Fans

Hier gibt es kleine Unterschiede zwischen den Kandidaten. Martin Bruckner will den eingeschlagenen Weg des Dialogs fortführen und spricht von roten Linien, die jedoch wie schon in der Vergangenheit recht schwammig formuliert werden.

Roland Schmid ist hier ein wenig „strenger“. Er sieht den Block West als autonome Gruppe und ist der Meinung, dass alles, was dem Verein schadet, nicht passieren darf. Dabei führt er als Beispiel auch die Aktion an, als zwei Vertreter der Ultras in die Loge von Michael Tojner spaziert sind und das Transparent entfernt haben.

Der Block West hat sich jedenfalls bereits vor einiger Zeit klar definiert und unterstützt Martin Bruckner.

 

Risiko

Die Liste Bruckner ist sicherlich jene Liste mit dem geringeren Risiko, denn sie baut auf dem bestehenden Weg auf. Es gibt aber auch unter Bruckner Vorschläge für Veränderungen wie einen Satzungskonvent, eine Ideenwerkstatt, etc., doch im Großen und Ganzen baut man darauf, dass unter Zoran Barisic der sportliche Erfolg zu Rapid zurückkehrt. Barisic genießt auch unter den Rapid-Fans hohen Kredit, insofern kann man davon ausgehen, dass es in Hütteldorf zunächst unter der Führung von Bruckner ruhig bleibt.

Die Liste Schmid hingegen geht sicher das größere Risiko ein. Strukturen würden zum Teil mehr oder weniger verändert, vermutlich auch neues Personal an wichtigen Positionen eingesetzt. Das liegt durchaus in der Natur der Sache, weil sich jeder Präsident auch loyale Spitzenkräfte ins Unternehmen holt. Mit der Liste Schmid könnte im Erfolgsfall möglicherweise mehr erreicht werden. Andererseits besteht aber auch die Gefahr, dass die neuen Ideen nicht schnell genug greifen und das Pulverfass Hütteldorf dann eher explodiert als unter Bruckner, weil der Faktor Zeit generell im Fußball sehr schwierig zu argumentieren ist und der Block West Schmid gegenüber tendenziell negativ eingestellt ist. 

++ Live: Die Wahl zum neuen Rapid-Präsidenten im Live-Ticker