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Marc Jankos perfekte Analyse: Streng mit den anderen, weich im Urteil mit sich selbst

Mit scharfen Worten hat Marc Janko vollkommen zu Recht die ÖFB-Funktionäre kritisiert. Bei der Beurteilung der Leistung des eigenen Teams war er jedoch weniger streng.

Ein Kommentar von Michael Fiala

 

Dass Teamchef Marcel Koller zur ersten gemeinsamen Pressekonferenz vor den letzten beiden WM-Quali-Länderspielen Marc Janko mitgenommen hat, war sicherlich nicht dem Zufall geschuldet. Janko, mittlerweile 34 Jahre alt, hat nicht mehr viel zu verlieren. Seine Teamkarriere wird sich früher oder später dem Ende zuneigen. Ebendieser Janko hat Koller zudem – neben Marko Arnautovic – in den vergangenen sechs Jahren von allen ÖFB-Kickern am meisten zu verdanken – Stichwort Nibelungentreue.

 

Nach den irritierenden Wortspenden diverser ÖFB-Funktionäre in den vergangenen Wochen war es daher aufgelegt, dass die anwesenden Journalisten den Torjäger, der gerade in Prag zum wiederholten Male eine unfreiwillige Spielpause bekommt, zu den Vorkommnissen befragen werden. Und Janko antwortete ruhig wie immer, aber aussagekräftig wie nie zuvor.   

 

"Es ist beschämend"

Immer wieder kam er bei seinen Antworten auf die ÖFB-Funktionäre zu sprechen. Der Satz „Es ist beschämend“ hat in weiterer Folge die Sport-Schlagzeilen dominiert. Und womit? Mit Recht! Janko hat mit seinem Worten treffend zusammengefasst, was sich tausende Fußball-Fans in den letzten Tagen gedacht haben und den ÖFB als führungslosen Verband erscheinen haben lassen.

Jankos Analyse der ÖFB-Spitze war sachlich, aber hart - und vor allem korrekt. Aus Sicht des ÖFB war es ein kommunikativer Supergau. Die Auswahl von Janko als Gesprächspartner ist zudem ein weiteres Indiz, dass das Verhältnis zwischen Koller und dem Verband nicht mehr zum Besten bestellt ist. Koller hat letzte Woche auch kein Geheimnis daraus gemacht, dass er die Art und Weise der Kommunikation der Nicht-Verlängerung für entbehrlich hält.

 

"Janko zeigte sich auch irritiert ob der geforderten Detail-Analyse der letzten beiden Jahre, die Sportdirektor Willi Ruttensteiner jetzt bis Mitte Oktober liefern soll. Wenige Minuten zuvor lobte Janko bei der Pressekonferenz noch die Fähigkeit von Willi Ruttensteiner, der mit seinen Analysen den Weg zum Erfolg geebnet hat."

Auf dem zweiten Auge blind

Jankos Worte haben aber leider auch ein weiteres Mal gezeigt, wie blind das ÖFB-Team rund um Marcel Koller auf dem zweiten Auge in den letzten 18 Monaten geworden ist. Denn die Analyse des aktuellen Prag-Legionärs der eigenen Team-Leistung in der laufenden WM-Quali erinnerte an die Phrasen, wie man sie von Leo Windtner, Sportdirektor Willi Ruttensteiner und Teamchef Marcel Koller abwärts seit der Euro in Regelmäßigkeit vorgekaut bekommen hat.

 

„Es war nie so, dass wir in einem Spiel die schlechtere Mannschaft gewesen sind.“ Oder: „Wir haben es aufgrund von vielen Kleinigkeiten, Details nicht geschafft.“ Die sportliche Performance sei zudem wie eine Sinus-Kurve, der sportliche Misserfolg in gewissen Phasen daher nichts Ungewöhnliches.

 

Janko zeigte sich auch irritiert ob der geforderten Detail-Analyse der letzten beiden Jahre, die Sportdirektor Willi Ruttensteiner jetzt bis Mitte Oktober liefern soll. „Es muss mittelfristig unser Ziel sein, uns häufiger für Großereignisse zu qualifizieren. Da aber jetzt alles in Frage zu stellen und noch einmal eine Analyse zu fordern und noch einmal ins Detail zu gehen – man kann sich auch in dieser Suche verlieren.“ Wenige Minuten zuvor lobte Janko bei der Pressekonferenz noch die Fähigkeit von Willi Ruttensteiner, der mit seinen Analysen den Weg zum Erfolg geebnet hat.

 

Die perfekte Analyse

Es war nicht zu erwarten, dass der Offensivspieler Teamchef Koller in den Rücken fällt - siehe oben, Stichwort Nibelungentreue. Marc Janko hat es in der Pressekonferenz aber geschafft, die Probleme des ÖFB der vergangenen beiden Jahre auf direkte und symptomatische Art und Weise perfekt zusammenzufassen: Funktionäre, die von persönlichen Motiven geleitet werden und fachliche Qualifikation vermissen lassen, und eine sportliche Abteilung, die den Kopf vor der sportlichen Realität in den Sand steckt. Chapeau!

 

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