Auch wenn es weh tut

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat den Zwangsabstieg der Vienna bestätigt. Es ist eine schmerzhafte Entscheidung. Sie ist aber richtig – und ein wichtiges Signal für die Zukunft. Ein Kommentar von Michael Fiala

Die Emotionen, die rund um die Entscheidung des Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Causa Vienna hochgekommen sind, waren auf Facebook & Co nicht zu überlesen. Viele Argumente wurden ausgetauscht, jede Menge Verschwörungstheorien gepostet, jedoch nur selten die (rechtlichen) Fakten dabei zu Hilfe genommen.

 

Kurz zusammengefasst: Die einen freuten sich, dass die Vienna ihre gerechte Strafe bekommen haben, die anderen meinten, wie kann man nur den ältesten Verein Österreichs in die Ungewissheit absteigen lassen. Statements wie: „Man hätte doch eine Ausnahme machen können oder ist der ÖFB stolz darauf, wenn die Zuschauerzahlen jetzt sinken“, „Alle freuen sich, dass es die Vienne erwischt hat“ bzw. „die Vienna wird absichtlich an die Wand gefahren. die immo- haie warten schon und winken mit €€€€€“ waren auf der Seite der Enttäuschten etwa zu lesen. Oder aber auch ein Klassiker lebte wieder auf: „Fußballmafia ÖFB“ war nicht nur einmal zu lesen.

 

Alles fing im Jänner an

Blicken wir zurück: Die Vorkommnisse im Jänner 2017 sind längst bekannt. Die Vienna verliert einen bereits vorher mit argen Turbulenzen zu kämpfenden Hauptsponsor. Ein Insolvenzantrag wird unausweichlich. Die Folge laut ÖFB-Regulativ seit der Causa Ritzing ist klar: Zwangsabstieg. Die Vienna kämpft dagegen gerichtlich an.

 

Mit dem Antrag auf einstweilige Verfügung hat die Vienna im Frühjahr 2017 großes Kämpferherz gezeigt. Das Signal für die Fans, Sponsoren und Öffentlichkeit war klar: "Wir kämpfen bis zum letzten Atemzug". Die Wirkung wurde nicht verfehlt: Rettungsspiel gegen Rapid, Finanzspritze der Austria, der Titel wurde geholt, den Döblingern wurde durch das Bezirksgericht Leopoldstadt zunächst ein Startplatz in der Regionalliga zugestanden, die Euphorie war groß. Und schlussendlich wird die Ausgleichsquote von den Gläubigern angenommen, zudem Uniqa als neuer Hauptsponsor präsentiert. All dies wäre womöglich nicht passiert, hätte die Vienna den Antrag auf einstweilige Verfügung nicht gestellt. Beste Stimmung in Döbling, man schien mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.

 

Doch bereits in dieser Zeit war es unter vielen Rechtsexperten klar: Die einstweilige Verfügung wird wohl nicht halten, denn die vom ÖFB eingebrachten Argumente wurden vom Gericht nicht oder nur sehr wenig gehört. Ob die Vereinsverantwortlichen der Vienna in dieser Phase dies auch realisierten, bleibt schwer zu beurteilen: Zu sehr war man im Kampf ums Überleben an jedem Strohhalm gefesselt und eine Kursänderung zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

 

Und jetzt?

Das Urteil des Landesgericht ist wichtig. Wichtig für den ÖFB und für alle anderen Vereine, die sich dem Regulativ des ÖFB unterwerfen. Dass der ÖFB hart geblieben ist, war die aus Verbandssicht einzige Möglichkeit. Eine Ausnahme zu Gunsten der Vienna hätte ein Fass ohne Boden aufgemacht und zahlreiche Klagen von Vereinen bei Insolvenzen der kommenden Jahre wären die Folge gewesen. Motto: „Wenn es eine Ausnahme für die Vienna gibt, dann wollen wir die auch.“

 

Jahrelang hat man sich über das – zum Teil zu Recht – unprofessionelle Vorgehen des ÖFB bei gewissen Themen aufgeregt. Der ÖFB, mittlerweile mit Jurist Thomas Hollerer an der Spitze, hat sich aber in einigen Bereichen professionalisiert und in Ruhe diese ganze Causa analysiert. Und auch im Verband war daher relativ schnell klar, dass man die einstweilige Verfügung bekämpfen wird – mit großer Aussicht auf Erfolg, was am 7. Juli nun auch bestätigt wird.

 

Urteil akzeptieren?

Ob die Vienna nun weitere, rechtliche Schritte tätigen wird, bleibt offen. Im Sinne eines echten Neuanfangs gibt es immer mehr Stimmen, die den Döblinger empfehlen, das Urteil zu akzeptieren, um endlich Klarheit zu schaffen. Ein monatelanger, wenn nicht jahrelanger Rechtsstreit mit geringer (?) Aussicht auf Erfolg würde der Vienna auf lange Sicht wohl nicht weiterhelfen.

 

Das Urteil des Landesgericht tut weh, denn wer weiß, wie es mit der Vienna jetzt weitergeht? Kann die Hohe Warte langfristig als legendäre Spielstätte gehalten werden? Wird die Vienna diesen Rückschlag überstehen? Das jetzige Urteil des Landesgericht ist jedenfalls die Kehrseite der Euphorie vom Frühjahr: Aus der Euphorie ist man in eine tiefe Depression gefallen.

 

Hoher Preis, wichtige Signalwirkung

Es tut auch weh, weil jetzt engagierte Leute bei der Vienna am Werk sind, die zwar mit der Vergangenheit abschließen wollten, aber mit den Auswirkungen zu kämpfen haben. Aber auch wenn es weh tut, war es das offensichtlich logische Urteil des Gerichts, da der ÖFB im Zuge der Causa Ritzing anscheinend eine juristisch wasserdichte Regelung eingeführt hat.

 

Das Urteil tut weh und kostet vielleicht einen hohen Preis. Es ist aber die einzige Möglichkeit, allen Vereinen in Österreich für die Zukunft ein klares Signal zu geben, auch wenn in Österreich nicht immer nachvollziehbare Entscheidungen getroffen werden: Verlasst euch nicht mehr darauf, dass man im österreichischen Fußball jeden Blödsinn irgendwie dann doch noch ausbügeln kann.

 

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