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Versuchslabor SK Rapid: Aber jetzt! [Kommentar]

Rapid-Fans forderten wochenlang die Entlassung ihres Trainers – doch damit wird selten alles gut. Schon gar nicht bei Rapid.

++ 90minuten.at PLUS - Ein Kommentar von Gerald Gossmann ++

 

Rapid-Legende hin oder her: „Zoki raus“, hallte es immer öfter durchs Stadion. Dabei war Zoran Barišić als Retter vorgesehen. Ein echter Rapidler für Rapid. Im Februar war sein Vertrag, der bis 2024 gelaufen wäre, vorzeitig und ohne Not bis 2025 verlängert worden. Nun gut: Wer Geld hat, muss nicht sparen. Heute wurde Barišić entlassen. Nach einem, wie soll man sagen, etwas kuriosem Vorgeplänkel. Am Sonntag vermeldete „Sky“ das Trainer-Aus. Dann vermeldeten die Hütteldorfer: Stimmt alles nicht. Nun stimmte es doch. Geschäftsführer Steffen Hofmann betont aber, dass es „die Diskussion so am Sonntag noch nicht gegeben hat“. Sie sei erst „Anfang der Woche aufgekommen“. Der TV-Sender Sky verfügt offenbar über ziemlich versierte Propheten. Anders ist die Sache nicht zu erklären.

In Wien-Penzing setzt sich der Zickzack-Kurs fort. Die neuen Bosse verkündeten im Winter: Aber jetzt. Der SCR müsse fortan immer unter die Top 3. Und irgendwann, da wolle man wieder um die Meisterschaft spielen. Vor der neuen Saison folgte der Rückzieher: Erstmal wolle man bloß unter die Top 6. Nun ist man Achter. Immerhin, der Weg sei der Richtige, wird betont. Der Klub habe eine Philosophie – und ein Konzept. Oder beides. Viel davon wurde nicht verraten: Man setze auf die Jugend. Und auf die hauseigenen Spielphilosophie. Die soll 600 Seiten stark sein. Doch mit freiem Auge war zu erkennen, dass die drei letzten Trainer (Didi Kühbauer, Ferdinand Feldhofer und Zoran Barišić) gänzlich unterschiedliche Zugänge hatten.

 

Rapids Probleme enden nicht auf der Trainerbank

Kurzum: Die Probleme des Rekordmeisters enden nicht auf der Trainerbank. Und das schon sehr lange. Trotzdem findet der Verein kein anderes Rezept, als bei Misserfolgen den Trainer hochkant hinauszuschmeißen. Das mag oft richtig sein - so gelangen Barišić nur vier Siege in 14 Bundesligapartien. Doch wenn der Klub als Ganzes nicht funktioniert – und im Verein zu viele Baustellen brachliegen – kann ein bloßer Trainer-Rauswurf viel zu wenig sein. Er beruhigt kurzfristig die erhitzten Gemüter – doch bald ist wieder alles beim Alten. Rapid hat das im letzten Jahrzehnt öfter erlebt. Lerneffekt gab es keinen.

Rapid verbrauchte in den letzten zehn Jahren acht Trainer. Dabei sind klare Muster zu erkennen. Rapid setzt im Regelfall auf Mitglieder aus der Rapid-Familie (Hickersberger, Pacult, Schöttel, Kühbauer, Feldhofer, Barišić). Geht das schief, versucht man es mit einem Gegenmodell: einer Art Internationalisierung. Dabei setzte der Verein auf Trainer, die zwar der Hauch einer großen Fußballwelt umwehte, die aber auch nicht recht weiter wussten (Matthäus, Büskens). Ebenso ein beliebter Zugang: Trainer, die mit Underdogs Erfolg hatten (Zellhofer, Canadi, Feldhofer). Die Funktionäre glauben an eine Milchmädchenrechnung: Wer mit dem Dorfklub performt, muss mit dem potenteren SK Rapid durch die Decke gehen. Aufgegangen ist die These so gut wie nie, trotzdem kommt sie nicht aus der Mode.

Tatsächlich hängt am Können des Trainers auch der Erfolg der Mannschaft. Schon oft hat sich gezeigt, was ein Trainerwechsel bewirken kann. Etwa beim ÖFB, wo Ralf Rangnick das Potenzial der Teamkicker weit mehr entfaltet als Vorgänger Franco Foda. Doch dort spielen zwei entscheidende Faktoren zusammen: mutige Pressing-Spieler treffen auf einen mutigen Pressing-Trainer.

"Rangnick funktioniert beim ÖFB. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit bei RB Salzburg, RB Leipzig und in Liverpool. Bei Manchester United oder dem FC Mauerwerk aber wohl nicht. Das läge aber nicht an Rangnick, sondern an Vereinen, die sich in ein Kuddelmuddel verstrickt haben." - Gerald Gossmann

Die alles entscheidende Frage lautet deshalb: Wie weit ist Rapid ein funktionierender Fußballklub? Für welche Spielweise ist der Kader ausgerichtet? Und wie sehr wird nun die Kompatibilität zwischen Trainer und Spielern geprüft? Denn Rangnick funktioniert beim ÖFB. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bei RB Salzburg, RB Leipzig und in Liverpool. Bei Manchester United, Schalke oder dem FC Mauerwerk wohl nicht. Das läge aber nicht an Rangnick, sondern an Vereinen, die sich in ein Kuddelmuddel verstrickt haben.

Sprich: Bo Svensson, der Ex-Bulle und Mainz-Trainer wäre am Markt. Mit René Marić, dem Ex-Assistenten von Marco Rose, wurde gesprochen. Mit Ronald Brunmayr. Allesamt Pressing-Trainer. Aber auch mit Markus Schopp oder gegensätzlichen Typen wird Kontakt gesucht werden.

Wo also steht Rapid im breiten Spektrum zwischen RB Salzburg und dem FC Mauerwerk? Ja, es wurden ein paar Neuerungen umgesetzt. Etwa das Scouting ausgeweitet. Und man setzt aus Geldmangel vermehrt auf die Jugend. Aber die großen Meilensteine sind das im durchprofessionalisierten Fußballgeschäft nicht. Der LASK und Sturm Graz sind da schon weiter. Rapid betont trotzdem seit Jahren, dass diese eben einen Vorsprung hätten – man aber bereits mitten in der Aufholjagd sei. Die Aufholjagd wurde regelmäßig zum Schneckenrennen. Rapid war auch in den letzten beiden Saisonen nach 14 Spieltagen nicht besser als heuer: Siebter, Siebter, Achter, lautet die Bilanz.

Der klassische Fan ist aber ein vertrauensseliger Mensch. Jeder neuen Idee des Vereins gibt er ausreichend Zeit zur Entfaltung. Jedes Jahr heißt es: Aber jetzt! Jetzt klappt es bestimmt. Oft war schon zu Beginn klar, wohin der Weg führen wird. Als der Schweizer Freddy Bickel zum Sportchef wurde, genügte eine kurze Recherche in der Branche, um zu wissen, dass der Mann bei seinen Stationen viel Geld für Transfers zur Verfügung hatte, aber keine große Vision verfolgte. Beides war für Rapid nicht ideal. Trainer Didi Kühbauer hat den Ruf, maximal zwei Jahre Feuer entfachen zu können – doch danach stürzt alles ein. Genauso kam es auch. Mit Ferdinand Feldhofer wollte Sportdirektor Barisic die neue Spielphilosophie umsetzen, auch wenn er selbst konträre Ansichten hatte – und später als Trainer zum Ballbesitzfußball zurückkehren sollte. Ein langfristiger Weg ist schwer zu erkennen. Und die neuen Bosse, die versprachen, dass alles besser wird? Die versuchen gerade Strukturen innerhalb des Vereins zu verändern. Aber im Sportbereich sind sie Laien – und müssen auf Personal vertrauen, das sie in Wahrheit nicht bewerten können, aber bestellen und verantworten müssen.

 

Was muss der neue Rapid-Trainer können?

Was hilft Rapid nun, wo man doch (wie alle Funktionäre betonen) eigentlich auf dem richtigen Weg sei? Den neuen Trainer wird Rapid-Sportdirektor Markus Katzer suchen. Er betont, schon in den letzten Wochen den „Markt sondiert“ zu haben. Auch wenn der Sprecher der Geschäftsführung, Geschäftsführer Hofmann, eisern dabeibleibt, dass Barisic´ Abberufung bis Sonntagabend kein Thema gewesen sei.

Immerhin: das Trainer-Anforderungsprofil habe Rapid schon festgelegt. „Es wird kein Trainer sein, der seine Strategie mitbringt – sondern wir haben eine Strategie. Wir haben einen klaren Plan und eine Idee. Und er muss zu dieser Idee passen“, erklärt Sportdirektor Katzer. Derlei Sätze sind schwierig zu bewerten. Viele Fußballfunktionäre wissen mittlerweile, was Medien und Fans hören wollen – und können diese Worthülsen um drei Uhr morgens auswendig aufsagen. Was ein neuer Trainer denn mitbringen müsse, um bei Rapid arbeiten zu können? Die karge Antwort Katzers: „Wir brauchen jemanden, der junge Spieler entwickeln – und mit Rapid erfolgreich sein kann“.

Das Positive am Rapid-Anforderungsprofil: So ziemlich jeder Trainer dürfte hineinpassen.

Über Gerald Gossmann

Gerald Gossmann ist freier Journalist, schreibt für "Profil", "Die Zeit" und ist Kolumnist bei 90minuten.at.

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