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Vizemeister Sturm: Sport, Spirit und die Baustellen [12 Meter]

Sturm spielt eine sehr gute Saison und der zweite Platz wird den Grazern nicht mehr zu nehmen sein. Die konsequente Arbeit trägt Früchte. Trotzdem darf man auf die Baustellen im Klub nicht vergessen.

+ + 90minuten.at Exklusiv - Ein 12 Meter von Jürgen Pucher + +

 

Sturm und Rapid trennten sich am Sonntag in Hütteldorf mit 1:1 und die Grazer stehen somit vier Runden vor dem Ende der Meisterschaft mit acht Punkten Vorsprung auf Rang zwei der Tabelle. Wenn es nicht ganz eigenartig zugeht, waren die vier Punkte im direkten Duell mit den drittplatzierten Rapidlern wohl der Grundstein für den Vizemeistertitel in dieser Spielzeit. Sturm zeigt damit in dieser Saison, dass konsequente Arbeit mit einem klaren Plan ausreicht, um hinter der Fußballabteilung des Energy Drink-Oligarchen das Maximum in der Bundesliga zu erreichen.

 

Transfers und Psyche top

Seit zunächst Andreas Schicker auf Günter Kreissl als Sportchef in Messendorf nachgefolgt ist und sich dann Trainer Christian Ilzer dazu geholt hat, läuft es für die Schwarz-Weißen in der Liga. Man ist die zweite Kraft in der Bundesliga, the best of the rest, wie es eben nicht anders möglich ist, solange Red Bull meint, Fußball spielen zu müssen. Schicker hat sich in seiner Zeit bei Sturm ein Netzwerk aufgebaut, wo er bei Transfernotwendigkeit ganz offensichtlich immer gute Optionen parat hat. Zudem hat es das Trainerteam geschafft, die Mannschaft psychisch in eine Verfasstheit zu bringen, die sie nicht mehr sofort kippen lässt, wenn etwas nicht nach Plan läuft. Noch vor gar nicht allzu langer Zeit, war für Sturm ein Spiel nach Rückstand quasi verloren.

"Schicker schafft es zudem offenbar, den sehr zur Nervosität neigenden Präsidenten in Graz dauerhaft in Sicherheit zu wiegen." - Jürgen Pucher

Wichtig ist außerdem, dass die ganze Arbeit aus einem Guss kommt. Zumindest hat es den Anschein, als würden Trainer und Sportchef bei allen wesentlichen Dingen an einem Strang ziehen. Sollte es intern einmal Differenzen geben, zum Beispiel über die Verpflichtung eines neuen Spielers, wird die Entscheidung schlussendlich trotzdem gemeinsam nach außen vertreten. In Zeiten des Erfolgs ist das natürlich alles relativ einfach. Trotzdem ist dieser Zugang der Grundstein für ruhige nachhaltige Arbeit. Andreas Schicker schafft es zudem offenbar, den sehr zur Nervosität neigenden Präsidenten in Graz dauerhaft in Sicherheit zu wiegen. Diese Entwicklung und der Spirit, der damit transportiert wird, spiegelt sich auch auf der Tribüne wider. Die Fankurve ist in Bestform, Sturm genießt zuhause und auswärts einen Support der sicher auch noch das eine oder andere Prozent aus der Mannschaft herausholt.

 

Leitbild ohne Substanz

Der aktuelle Lauf bei Sturm deckt natürlich aber auch zu, wo es noch etwas zu tun gibt. Spielerisch zum Beispiel ist da schon noch sehr viel Luft nach oben. Speziell dann, wenn Otar Kiteishvili nicht eingesetzt werden kann. Einen sofort einsatzbereiten Plan B für das Ingame-Coaching gibt es außerdem nicht. Und abseits der rein sportlichen Performance, kann man da und dort durchaus Kritikpunkte finden. Der Umgang mit dem Corona-Cluster letzten Herbst war kein Meisterstück.

"Beim Leitbild liegt für das Geschäftsführer-Duo Schicker und Thomas Tebbich noch ordentlich Unerledigtes herum." - Jürgen Pucher

Der Klub hat außerdem eine recht teure Mitgliederaktion ins Leben gerufen, die nicht den gewünschten Erfolg gebracht hat und nicht zuletzt trägt man seit mittlerweile zweieinhalb Jahren ein Leitbild vor sich her, das noch nicht in sehr vielen Bereichen mit Leben gefüllt ist. Da fehlt es an Substanz und Inhalten, die für die Fans sichtbar und spürbar sind. Da liegt für das Geschäftsführer-Duo Schicker und Thomas Tebbich noch ordentlich Unerledigtes herum. Es bleibt zu hoffen, dass diese Dinge in ähnlicher Konsequenz angegangen werden, wie es etwa in der Transfertätigkeit schon gelebte Praxis ist.

 

Feldhofer und das Fairplay

Schlussbemerkung: Der Fairplaypreis im Nachhall des sonntäglichen Spiels geht jedenfalls nicht an Ferdinand Feldhofer. In punkto schlechter Verlierer wandelt er schon jetzt ziemlich zünftig auf Didi Kühbauers Spuren. Seine Aussage, die Sturmspieler würden relativ leicht fliegen, ist gelinde gesagt sogar eine Frechheit. Die Grazer verloren in diesem Spiel drei Leute verletzt nach Foulspiel des Gegners und Alexander Prass humpelte sich gerade noch so über die Zeit. Und Trainer Feldhofer unterstellt den Grazern, sie wären Schwalbenkönige? Der Ex-Nationalspieler sollte mehr Energie in das Training seiner Mannschaft investieren und dafür die Energie bei Fieldinterviews sparen. Ein Crashkurs in Sportsmanship täte zusätzlich auch ganz gut. Vielleicht findet sich dafür ja der eine oder andere Euro im Budget der Hütteldorfer.

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