Foto: © GEPA 12Meter

Wer hat‘s erfunden?

Das österreichische Nationalteam – Spieler und ihr Trainer - steht nach dem verpatzten EM-Quali-Auftakt schwer in der Kritik.Der Urheber des Problems bleibt unbehelligt und gefällt sich mit erhobenem Zeigefinger.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Viel wurde in den letzten Tagen zum österreichischen Nationalteam und seinem blamablen Auftritt in Israel geschrieben und gesprochen. Fehlende Mentalität und Leidenschaft bemängelte etwa der Teamchef und in einem seiner üblichen Phrasendrescherinterviews versuchte Franco Foda in der ZiB 2 über seine eigenen Defizite und Probleme als Trainer einer Fußballmannschaft hinwegzureden. Der ansonsten immer sehr gut vorbereitete Armin Wolf ließ ihn – wohl ob der ein bisschen fehlenden Sachkenntnis – gewähren und zu Ende schwurbeln (>> Faktencheck ZIB2-Auftritt). Aber Franco Foda ist Franco Foda und daran wird sich wahrscheinlich in diesem Fußballzeitalter nichts mehr ändern, wie an dieser Stelle sehr treffend festgehalten wurde. Noch viel mehr muss man jetzt aber nach der Urheberschaft der ganzen Angelegenheit fragen.

 

Der Fisch und der Kopf und so

Nach einem sehr schmeichelhaften Start für Foda in einer Reihe von Spielen, wo es um rein gar nichts ging, begann ein leiser aber stetiger Abwärtstrend mit der vorläufigen Endstation Haifa am Sonntag. Wer Franco Foda aus Graz gekannt hat, wusste bereits vorher, wohin die Reise fußballerisch gehen könnte. Der ÖFB und sein verantwortliches Gremium zur Teamchefbestellung wussten es vielleicht auch. Oder auch nicht? Wie auch immer. Jedenfalls stellte sich der Anführer dieses Gremiums, Präsident Leo Windtner, nach der 4:2-Pleite vor das Mikrofon und ließ wissen, dass das Nationalteam nicht wie eine Schülermannschaft auftreten könne und man alles hinterfragen müsse. Alles? Nein, natürlich nicht sich selbst.

"Ein bisschen erinnert die ganze Szenerie an eines der präsentesten Medienthemen dieser Tage, den Brexit." - Jürgen Pucher

Die Mannschaft zu allererst und danach alle anderen Bausteine des ÖFB-Teams seien zu hinterfragen. Aber den Präsidenten und seine Mitentscheider, die den aktuellen Weg beschlossen haben, stellt freilich niemand zur Disposition. Dabei ist dort die nahezu alleinige Verantwortung zu suchen. Diese Leute haben die Arbeit mit Marcel Koller beendet und vor allem noch dazu denjenigen hinausgeworfen, der die stragegischen Fäden im Verband in der Hand hatte, nämlich Willi Ruttensteiner. Und diese Leute haben stattdessen Peter Schöttel als Sportdirektor bestellt, wo bis heute noch niemand genau sagen kann, wozu eigentlich, und Windtner und Co haben Franco Foda als Teamchef geholt. Einen Mann, wo man genau vorhersehen hätte können was man bekommt, hat er doch fast sein ganzes Trainerleben lang vor der Haustür bei Sturm Graz gearbeitet. Jetzt davon zu sprechen, man müsse das alles hinterfragen, was man selbst vor etwas mehr als einem Jahr erfunden hat, grenzt an einen Schmäh. Einen schlechten allerdings.

 

Windtner macht den Cameron

Ein bisschen erinnert die ganze Szenerie an eines der präsentesten Medienthemen dieser Tage, den Brexit. Alles diskutiert über das Versagen der operativ handelnden Personen und dass diese keine Lösungen zustande bringen. Nach dem Urheber der Misere fragt kaum noch jemand. Dabei hat doch ein gewisser David Cameron, um seinen politischen Allerwertesten zu retten, ein Referendum über den Austritt aus der EU heraufbeschworen und damit die Büchse der Pandora erst geöffnet. Die Krot fressen müssen jetzt die anderen und auch medial kommt diesbezüglich kaum etwas. Zu sehr deckt das Vordergründige alles zu. Dasselbe Bild zeigt die Landschaft Fußballösterreichs. Lustlose Kicker ohne Mentalität stehen am Pranger, ein bisschen der überforderte Trainer und gar nicht der Chef. Der Erfinder des Trainers, der außerdem nur das macht, was er immer schon gemacht hat. Alles egal. Je höher man in der Verantwortungsleiter nach oben steigt, desto weniger wird diese wahrgenommen. Und desto weniger wird sie medial ebendiesen Leuten zugeschrieben.

Macht sich auch nicht so gut wie überbezahlte und sensible Kicker zu bashen, die in ihren Sportwagen herumfahren und teure Jogginghosen tragen. Den neureichen Emporkömmlingen die Leidenschaft für Österreich abzusprechen kommt besser an und mit dem Wahrnehmen von Verantwortung hat man es in Österreich ja generell nicht so. Und dann gibt es ja auch noch die eine oder andere Seilschaft und Abhängigkeit, wo man sich lieber nicht zu weit aus dem Fenster lehnt. Deswegen: Der Foda muss den Versagerhaufen in den Griff kriegen. Damit der Präsident nach dem nächsten Länderspiel dann von einer Reaktion auf seine Kritik sprechen kann und wir dann im Boulevard von der wirksamen Kopfwäsche des Chefs lesen werden. Leider wird dieser Trainer das nicht können, auch wenn er den einen oder anderen Spieler austauscht. Dann holt der Präsident eben den nächsten, dem er die Verantwortung zuschreiben kann. Antstatt bei sich selbst anzufangen.

 

Alles, was du zur aktuellen ÖFB-Krise sonst noch wissen musst:

90minuten.at-TV: Ayrton Senna Tribute Trikots

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