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SK Sturm: Zurück an den Start!

Sturm liefert Woche für Woche unansehnlichen Fußball ab, der mittlerweile auch ergebnislos bleibt. Die Verantwortlichen suchen die Schuld bei „alternativen Fakten“ oder den Spielern. Dabei braucht der SK Sturm einen Neustart und eine langfristige Ausrichtung.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

„Wir wollen ein Top-Klub sein in Österreich, aber wenn wir so agieren, sind wir das nicht“, ließ Sturm-Sportchef Günter Kreissl nach der Heimniederlage der Grazer gegen den WAC wissen. Das ist schon richtig, nur zieht er aus der erneut nur schwer zu ertragenden Partie der Schwarz-Weißen am Sonntag die falschen Schlüsse. Böse sei er nämlich jetzt auf die Spieler, für die es nun ungemütlich würde. Und der Trainer sei ein armer Hund, weil der würde so viel investieren, um die Mannschaft gut vorzubereiten. Kreissl sieht nicht, oder will nicht sehen, dass sein Team gerade an sehr vielen Ecken in die falsche Richtung unterwegs ist. In England sagen sie: „The wheels are coming off our season“, wenn ein Klub seine Spielzeit versenkt. Das passiert gerade auch beim SK Sturm, nur meinen die Verantwortlichen, das wäre so zu erwarten gewesen (Mählich) und man müsse jetzt eben die Spieler in die Pflicht nehmen (Kreissl). Beides kann man so nicht stehen lassen.

"Woche für Woche stellt sich Roman Mählich nach einer erneut mühsam anzusehenden Partie seiner Mannschaft vor die Mikrofone und weist die Verantwortung von sich."

Alternative Fakten

Woche für Woche stellt sich Roman Mählich nach einer erneut mühsam anzusehenden Partie seiner Mannschaft vor die Mikrofone und weist die Verantwortung von sich. Er wäre ja erst mitten in der Saison zum Klub gekommen. Das brauche alles noch Zeit. Ein anderer Fußball – offensiver, dominanter, spielerischer – sei derzeit noch nicht möglich. Und überhaupt hätte er ja eine gar so junge, unerfahrene Mannschaft, da könne man keine Wunderdinge erwarten. Das wesentliche Ziel, das Erreichen der Meistergruppe, hätte man doch bitte sehr geschafft und man könne nun nicht mehr absteigen. Letzteres mag stimmen, alles andere muss aber in den Ohren vieler Fans wie eine Frotzelei klingen. Oder wie „alternative Fakten“.

Roman Mählich hat einen Kader übernommen, der noch im Sommer als mehr oder weniger ebenbürtig zum letztjährigen verkauft wurde, und plötzlich muss man froh sein, nicht gegen den Abstieg im unteren Play-off spielen zu müssen? Peter Zulj hat den Klub verlassen, ja, aber der neue Trainer hatte nach vier Spielen im Herbst eine ganze Wintervorbereitung zur Verfügung, drei neue Spieler inklusive. Wenn man sich außerdem Altersstatistiken und zugehörige Einsatzminuten des Sturm-Kaders zu Gemüte führt, wird man feststellen, dass die Mählich-Leier mit der fehlenden Erfahrung ebenfalls nicht haltbar ist. Nicht zuletzt hat dieses Team in dieser Saison auch schon einen ganz anderen Fußball gezeigt. Auch wenn unter Heiko Vogel nicht alles eitel Wonne war, es wurde zumindest Fußball und nicht nur Flipper gespielt.

 

„Angst-Fußball“ lässt sich schwer weiterentwickeln

Dass Sturm aktuell nicht einmal mehr in der Lage ist in Liebenau Gegner wie St. Pölten zu dominieren und fußballerisch in die Schranken zu weisen, ist das Resultat eines Prozesses, der mit dem Paradigmenwechsel der Mählich-Verpflichtung eingeleitet wurde und jetzt schön langsam an seinem Ende angekommen ist. Vor lauter Angst, nicht unter die ersten sechs zu kommen, wurde die Parole „Ergebnisse um jeden Preis“ ausgegeben. Statt spielerischen Lösungen, wählte man Tore verhindern und dann schauen wir einmal. Oder man nennt es "Angst-Fußball", wie Hartberg-Trainer Markus Schopp. Es ging ein paar Runden lang gut und das kurzfristige Ziel der Meistergruppe wurde geschafft. Der Preis, den man mittel- und langfristig dafür zu zahlen haben wird (und bereits jetzt zu zahlen beginnt), ist hoch. Jetzt ist man nämlich oben dabei, jetzt müsste man auch andere Lösungen parat haben, als „Ball nach vorne und dann Prinzip Hoffnung“. So oder so, wie die Erfahrung immer wieder zeigt: So einfach ist das nicht, wenn man sich wochenlang auf Defensive und reagieren festgelegt hat. In den seltensten Fällen gelingt es einem Trainer mit diesem Zugang dann auch eine Evolution dieses Spiel hinzubekommen.

Roman Mählich ist in dieser Entwicklung natürlich nur der Repräsentant des Problems nach außen. Er hat bei seiner Verpflichtung genau diesen Auftrag von der sportlichen Leitung bekommen, abgesegnet von den Bossen im Verein. Der SK Sturm hat sich sein aktuelles Auftreten selbst verordnet und jetzt grämt man sich zwischen traurig und wütend, dass das nicht schön aussieht. Die heilige Ergebniskuh hat dem Klub ihr Wohlwollen auch entzogen und es gibt (zurecht) kaum noch Punkte für den schwarz-weißen Kick. Dazu kommt mehr und mehr eine Wagenburg-Mentalität in Messendorf, die eine kritische Sicht der Dinge offenbar erschwert. Die Spieler als Schuldige auszumachen, das übliche Gerede à la „die rennen nix, da fehlt es an Mentalität“ wird die Probleme nicht lösen. Man müsste die Sache schon an der Wurzel angehen, aber dann würde es nicht nur für die Spieler ungemütlich, sondern auch für die sportliche Leitung.

"Würde man als Sportdirektor, und vor allem als Vereinsleitung, ohne Weichzeichner und Ablenkungsmanöver auf den Status Quo blicken, dann kann der nächste Schritt nur heißen: Reset-Knopf drücken und zurück an den Start."

Eine Kur, keinen Notarzt

Würde man als Sportdirektor, und vor allem als Vereinsleitung, ohne Weichzeichner und Ablenkungsmanöver auf den Status Quo blicken, dann kann der nächste Schritt nur heißen: Reset-Knopf drücken und zurück an den Start. Es ist langfristig gesehen völlig belanglos, welchen Platz der Verein in dieser Meistergruppe heuer belegen wird. Wieder irgendwelche kurzfristigen „Notarzt“-Maßnahmen für Platz drei oder was auch immer zu initiieren, wären eine Themenverfehlung. Im Moment wäre man angesichts der Performance ohnehin fast geneigt zu sagen, es wäre besser einen Europacupplatz eher zu vermeiden. Außerdem vertreiben Auftritte wie die letzten bald auch die sehr treuen Anhänger aus Liebenau. Es gilt die Karten auf den Tisch zu legen und die wesentlichen Dinge anzusprechen. Welchen Fußball will man spielen und mit wem? Kann Roman Mählich das auch umsetzen, oder ist er auf den aktuellen fußballerischen Zugang limitiert? (Siehe auch die aktuelle 90minuten.at-Umfrage am Ende des Artikels: 450 Personen haben am 22. April abgestimmt - und sind vornehm ausgedrückt eher skeptisch). Diese Dinge gilt es jetzt zu klären und nicht erst nachdem die Saison zu Ende gewurschtelt wurde.

Und nicht zuletzt gehört das, was man fußballerisch gedenkt zu tun – was auch immer es sein soll, da gibt es unterschiedlichste Zugänge – in ein langfristiges Konzept eingebettet und dieses nachhaltig verfolgt. Jugendarbeit, Kaderplanung und der zugehörige Trainer gehören abgestimmt. Die Struktur und der Plan müssen im Vordergrund stehen und nicht ein Neuanfang mit jedem personellen Wechsel. Das geht nicht in ein paar Monaten, dafür gilt es auch die eine oder andere „Aufbausaison“ in Kauf zu nehmen. Dazu gehört dann eben auch ein bisschen Mut und vor allem die richtige Kommunikation nach innen und außen. Aber eines ist sicher: nur so geht überhaupt irgendwas, wenn man die Grazer Blackies in dieser Bundesliga vernünftig aufstellen will. Nächste Saison gibt es wieder eine Teilung der Liga nach 22 Runden. Dieses Damoklesschwert darf nicht die strategische Ausrichtung steuern, was der SK Sturm sein soll. Wenn die sportliche Leitung diese Notwendigkeit nicht sehen kann, nicht sehen will oder sich nicht sehen traut, wäre das Präsidium gefragt hier die Linie vorzugeben.

 

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Das Vertrauen in Mählich ist weg:

 

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