"Woche für Woche stellt sich Roman Mählich nach einer erneut mühsam anzusehenden Partie seiner Mannschaft vor die Mikrofone und weist die Verantwortung von sich."
Alternative Fakten
Woche für Woche stellt sich Roman Mählich nach einer erneut mühsam anzusehenden Partie seiner Mannschaft vor die Mikrofone und weist die Verantwortung von sich. Er wäre ja erst mitten in der Saison zum Klub gekommen. Das brauche alles noch Zeit. Ein anderer Fußball – offensiver, dominanter, spielerischer – sei derzeit noch nicht möglich. Und überhaupt hätte er ja eine gar so junge, unerfahrene Mannschaft, da könne man keine Wunderdinge erwarten. Das wesentliche Ziel, das Erreichen der Meistergruppe, hätte man doch bitte sehr geschafft und man könne nun nicht mehr absteigen. Letzteres mag stimmen, alles andere muss aber in den Ohren vieler Fans wie eine Frotzelei klingen. Oder wie „alternative Fakten“.
Roman Mählich hat einen Kader übernommen, der noch im Sommer als mehr oder weniger ebenbürtig zum letztjährigen verkauft wurde, und plötzlich muss man froh sein, nicht gegen den Abstieg im unteren Play-off spielen zu müssen? Peter Zulj hat den Klub verlassen, ja, aber der neue Trainer hatte nach vier Spielen im Herbst eine ganze Wintervorbereitung zur Verfügung, drei neue Spieler inklusive. Wenn man sich außerdem Altersstatistiken und zugehörige Einsatzminuten des Sturm-Kaders zu Gemüte führt, wird man feststellen, dass die Mählich-Leier mit der fehlenden Erfahrung ebenfalls nicht haltbar ist. Nicht zuletzt hat dieses Team in dieser Saison auch schon einen ganz anderen Fußball gezeigt. Auch wenn unter Heiko Vogel nicht alles eitel Wonne war, es wurde zumindest Fußball und nicht nur Flipper gespielt.
„Angst-Fußball“ lässt sich schwer weiterentwickeln
Dass Sturm aktuell nicht einmal mehr in der Lage ist in Liebenau Gegner wie St. Pölten zu dominieren und fußballerisch in die Schranken zu weisen, ist das Resultat eines Prozesses, der mit dem Paradigmenwechsel der Mählich-Verpflichtung eingeleitet wurde und jetzt schön langsam an seinem Ende angekommen ist. Vor lauter Angst, nicht unter die ersten sechs zu kommen, wurde die Parole „Ergebnisse um jeden Preis“ ausgegeben. Statt spielerischen Lösungen, wählte man Tore verhindern und dann schauen wir einmal. Oder man nennt es "Angst-Fußball", wie Hartberg-Trainer Markus Schopp. Es ging ein paar Runden lang gut und das kurzfristige Ziel der Meistergruppe wurde geschafft. Der Preis, den man mittel- und langfristig dafür zu zahlen haben wird (und bereits jetzt zu zahlen beginnt), ist hoch. Jetzt ist man nämlich oben dabei, jetzt müsste man auch andere Lösungen parat haben, als „Ball nach vorne und dann Prinzip Hoffnung“. So oder so, wie die Erfahrung immer wieder zeigt: So einfach ist das nicht, wenn man sich wochenlang auf Defensive und reagieren festgelegt hat. In den seltensten Fällen gelingt es einem Trainer mit diesem Zugang dann auch eine Evolution dieses Spiel hinzubekommen.
Roman Mählich ist in dieser Entwicklung natürlich nur der Repräsentant des Problems nach außen. Er hat bei seiner Verpflichtung genau diesen Auftrag von der sportlichen Leitung bekommen, abgesegnet von den Bossen im Verein. Der SK Sturm hat sich sein aktuelles Auftreten selbst verordnet und jetzt grämt man sich zwischen traurig und wütend, dass das nicht schön aussieht. Die heilige Ergebniskuh hat dem Klub ihr Wohlwollen auch entzogen und es gibt (zurecht) kaum noch Punkte für den schwarz-weißen Kick. Dazu kommt mehr und mehr eine Wagenburg-Mentalität in Messendorf, die eine kritische Sicht der Dinge offenbar erschwert. Die Spieler als Schuldige auszumachen, das übliche Gerede à la „die rennen nix, da fehlt es an Mentalität“ wird die Probleme nicht lösen. Man müsste die Sache schon an der Wurzel angehen, aber dann würde es nicht nur für die Spieler ungemütlich, sondern auch für die sportliche Leitung.