"Roman Mählich hat die Geduld der Sturmfans über die Maße strapaziert, El Maestro wäre gut beraten den Leuten ein wenig Spektakel zu bieten. Besser ein 3:3 nach einem Fußballfest als ein Sieg wie der in Wolfsberg."
In der Mitte sind die Qualitäten von Juan Dominguez oder Otar Kiteishvili unbestritten. Nur spielen sie mit diesen so weit hinten am Fußballfeld, dass sie offensiv keinen Druck erzeugen. Kiteishvili versucht zwar wieder und wieder mit Tempodribblings nach vorne zu kommen, muss dabei aber so weite Wege zurücklegen, dass der Saft draußen ist, wenn er in Strafraumnähe kommt. Das ist natürlich eine Frage der Ausrichtung, und die ist, wenn man dem Trainer zuhört, klar: Keine Tore bekommen ist oberste Prämisse und die Stabilisierung der Defensive steht ganz oben auf der Liste. Das Grazer Publikum ist nach vielen Jahren spielerischer Schonkost unter Franco Foda, Darko Milanic oder später Roman Mählich mittlerweile einigermaßen ernüchtert. Ob das teilweise sportlich erfolgreich war oder nicht, ist nebensächlich. Bis auf Zwischenspiele (Heiko Vogel oder Peter Hyballa) war der Abteilungsleiterfußball, der mittlerweile in Graz zum geflügelten Wort für defensiv-vorsichtig ausgerichtetes Spiel geworden ist, das was es zu sehen gab.
Einmal Völlerei bitte
Das ist sowohl den Vorgaben aus der Klubführung, als auch der inzwischen fast überbordenden Ängstlichkeit der Trainer geschuldet. Alle gemeinsam bestärken sich in ihrem Verhalten darin, dass es nur einen Weg gibt, um zu bestehen: die Ergebnisse müssen stimmen, und zwar von Anfang an. Die logische Konsequenz: tunlichst danach trachten, nur ja keine Tore zu bekommen. Wenn dann vorne was gelingt, gut. Wenn nicht, hat man zumindest ohne Gegentor noch immer nicht verloren. Man kann seine Prioritäten so setzen, muss aber dann auch wissen, was die Konsequenzen sind. Eine davon ist: nur bei nachhaltigem sportlichen Erfolg, bleibt das Umfeld ruhig. Sobald es nicht mehr läuft, brodelt die aufgestaute Wut über das schwer zu ertragende Gekicke auf den Rängen und vor allem in den sozialen Medien über.
Der ewige Irrglaube, dass die Ergebnisse allein die wesentlichste Zutat für Stimmung und Fanzuspruch sind, ist nicht wegzubekommen. Der Zustand „Angst (vor dem Verlieren) essen Seele“ auf dominiert in jeder Ecke. Dabei bräuchte der SK Sturm nichts mehr, als wieder eine spielerische Identität. Ein „Sturm-Spiel“, ein Identifikationsmoment auf dem Rasen, wo der Fan in Liebenau weiß, hier spielt sein Verein. Nicht den 37. Klub in Europa, der versucht den irgendwann auf dem Misthaufen der Geschichte landen werdenden „Mourinho-Style“ nachzuahmen. Nach Jahren bei Wasser und Brot dürstet vielen nach einer Völlerei, auch wenn die vielleicht nachher ein paar Tage im Bauch ein wenig drückt. Fußball soll und muss manchmal auch Genuss, Spektakel und Wollust sein.
Besser Fußballfest als ein Sieg wie beim WAC
Das gilt vor allem dann, wenn das Wasser und das Brot schon lange nicht mehr satt machen. Defensivgemurkse und verlieren ist nämlich der Worst Case, der den Angstaposteln passieren kann. Nestor El Maestro ist ein cooler Typ, der glaubhaft vermittelt, er habe alles im Griff. Er muss nur aufpassen, dass er an der emotionalen Kälte seines Fußballs nicht erfriert. Wenn er nicht langsam anfängt, seiner Mannschaft auch einen offensiven Anstrich zu geben, dann könnte ihn tatsächlich der Fluch eines Sky Sport Austria-Pausenclowns einholen. Roman Mählich hat die Geduld der Sturmfans über die Maße strapaziert, El Maestro wäre gut beraten den Leuten ein wenig Spektakel zu bieten. Besser ein 3:3 nach einem Fußballfest als ein Sieg wie der in Wolfsberg. Und bevor jetzt wieder die Unkenrufe beginnen, dass ein Klub wie Sturm sich das „nicht leisten“ kann: Kurzfristig wäre ein anderer Zugang vielleicht ein bisschen ein Nachteil, langfristig sähe eine andere Ausrichtung des Klubs aber ausschließlich Gewinner. Wer es nicht wagt, wird es allerdings nie erleben und ewig in der Belanglosigkeit und Wurschtigkeit der österreichischen Bundesliga herumkicken.