Foto: © GEPA 12Meter

Bitte ein bisschen Butter aufs Brot

Mit Nestor El Maestro steht der nächste auf Ergebnis gepolte Mann an der Linie des SK Sturm, mit allen schwer anzusehenden Konsequenzen. Wenn die Grazer Fans nicht bald ein bisschen was geboten bekommen, dann wird das wieder kein gutes Ende nehmen.

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Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Sechs Punkte nach vier Spielen stehen unter dem Strich für den SK Sturm nach dem letzten Wochenende. Nestor El Maestro startet also auch recht durchwachsen in seine erste Bundesliga-Saison als Cheftrainer. Dazu kommt das Aus gegen Haugesund im Europacup. Das größte Problem stellt allerdings noch etwas Anderes dar: Die nicht vorhandene Offensive der Grazer Schwarz-Weißen. Nur vier Tore nach vier Spielen, eklatant wenig Torschüsse und auch was mit freiem Auge auf dem Platz zu sehen ist, muss eher als ernüchternd beschrieben werden. Vor allem in den letzten drei Partien gegen den WAC, Hartberg und Rapid.

 

Sturm spielt ohne Angriff

El Maestro spielt mit einer Stoßspitze und bisher fast immer im 4-2-3-1. Dazu wurde in der Transferperiode noch einmal investiert und der albanische Nationalspieler Bekim Balaj an die Mur geholt. Philipp Hosiner oder Markus Pink erfüllen offenbar nicht die Anforderungen des neuen Trainers, Emeka Eze wurde jetzt sogar in die Türkei verliehen. Balaj hat zwar gegen den WAC sofort zum Einstand getroffen, hängt aber seitdem auch mehr in der Luft als sonst etwas. Sturm schafft es nicht annähernd, offensiv Druck auszuüben oder überhaupt so etwas wie ein Offensivspiel aufzuziehen. Am Flügel kommt wenig, am ehesten ist hier noch ein weiterer Neuzugang, Emanuel Sakic, auf der rechten Verteidigerposition positiv zu erwähnen. Links harmonieren Thomas Schrammel und Jakob Jantscher mäßig, der Ausfall von Thorsten Röcher vor Saisonbeginn hat dem Spiel auf der Seite sicher auch nicht geholfen.

"Roman Mählich hat die Geduld der Sturmfans über die Maße strapaziert, El Maestro wäre gut beraten den Leuten ein wenig Spektakel zu bieten. Besser ein 3:3 nach einem Fußballfest als ein Sieg wie der in Wolfsberg."

In der Mitte sind die Qualitäten von Juan Dominguez oder Otar Kiteishvili unbestritten. Nur spielen sie mit diesen so weit hinten am Fußballfeld, dass sie offensiv keinen Druck erzeugen. Kiteishvili versucht zwar wieder und wieder mit Tempodribblings nach vorne zu kommen, muss dabei aber so weite Wege zurücklegen, dass der Saft draußen ist, wenn er in Strafraumnähe kommt. Das ist natürlich eine Frage der Ausrichtung, und die ist, wenn man dem Trainer zuhört, klar: Keine Tore bekommen ist oberste Prämisse und die Stabilisierung der Defensive steht ganz oben auf der Liste. Das Grazer Publikum ist nach vielen Jahren spielerischer Schonkost unter Franco Foda, Darko Milanic oder später Roman Mählich mittlerweile einigermaßen ernüchtert. Ob das teilweise sportlich erfolgreich war oder nicht, ist nebensächlich. Bis auf Zwischenspiele (Heiko Vogel oder Peter Hyballa) war der Abteilungsleiterfußball, der mittlerweile in Graz zum geflügelten Wort für defensiv-vorsichtig ausgerichtetes Spiel geworden ist, das was es zu sehen gab.

 

Einmal Völlerei bitte

Das ist sowohl den Vorgaben aus der Klubführung, als auch der inzwischen fast überbordenden Ängstlichkeit der Trainer geschuldet. Alle gemeinsam bestärken sich in ihrem Verhalten darin, dass es nur einen Weg gibt, um zu bestehen: die Ergebnisse müssen stimmen, und zwar von Anfang an. Die logische Konsequenz: tunlichst danach trachten, nur ja keine Tore zu bekommen. Wenn dann vorne was gelingt, gut. Wenn nicht, hat man zumindest ohne Gegentor noch immer nicht verloren. Man kann seine Prioritäten so setzen, muss aber dann auch wissen, was die Konsequenzen sind. Eine davon ist: nur bei nachhaltigem sportlichen Erfolg, bleibt das Umfeld ruhig. Sobald es nicht mehr läuft, brodelt die aufgestaute Wut über das schwer zu ertragende Gekicke auf den Rängen und vor allem in den sozialen Medien über.

Der ewige Irrglaube, dass die Ergebnisse allein die wesentlichste Zutat für Stimmung und Fanzuspruch sind, ist nicht wegzubekommen. Der Zustand „Angst (vor dem Verlieren) essen Seele“ auf dominiert in jeder Ecke. Dabei bräuchte der SK Sturm nichts mehr, als wieder eine spielerische Identität. Ein „Sturm-Spiel“, ein Identifikationsmoment auf dem Rasen, wo der Fan in Liebenau weiß, hier spielt sein Verein. Nicht den 37. Klub in Europa, der versucht den irgendwann auf dem Misthaufen der Geschichte landen werdenden „Mourinho-Style“ nachzuahmen. Nach Jahren bei Wasser und Brot dürstet vielen nach einer Völlerei, auch wenn die vielleicht nachher ein paar Tage im Bauch ein wenig drückt. Fußball soll und muss manchmal auch Genuss, Spektakel und Wollust sein.

 

Besser Fußballfest als ein Sieg wie beim WAC

Das gilt vor allem dann, wenn das Wasser und das Brot schon lange nicht mehr satt machen. Defensivgemurkse und verlieren ist nämlich der Worst Case, der den Angstaposteln passieren kann. Nestor El Maestro ist ein cooler Typ, der glaubhaft vermittelt, er habe alles im Griff. Er muss nur aufpassen, dass er an der emotionalen Kälte seines Fußballs nicht erfriert. Wenn er nicht langsam anfängt, seiner Mannschaft auch einen offensiven Anstrich zu geben, dann könnte ihn tatsächlich der Fluch eines Sky Sport Austria-Pausenclowns einholen. Roman Mählich hat die Geduld der Sturmfans über die Maße strapaziert, El Maestro wäre gut beraten den Leuten ein wenig Spektakel zu bieten. Besser ein 3:3 nach einem Fußballfest als ein Sieg wie der in Wolfsberg. Und bevor jetzt wieder die Unkenrufe beginnen, dass ein Klub wie Sturm sich das „nicht leisten“ kann: Kurzfristig wäre ein anderer Zugang vielleicht ein bisschen ein Nachteil, langfristig sähe eine andere Ausrichtung des Klubs aber ausschließlich Gewinner. Wer es nicht wagt, wird es allerdings nie erleben und ewig in der Belanglosigkeit und Wurschtigkeit der österreichischen Bundesliga herumkicken.

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