"Das „Produkt“ – und nein, das ist nicht einmal der Fußball, das ist die Dose – muss im Vordergrund bleiben. Da ist kein Platz für auf einzelne Spieler fokussierende Heldengeschichten oder Momente und Orte der Erinnerung. Ja, da ist nicht einmal Platz für einen Stern am Trikot nach zehn Meistertiteln."
Kein Platz für Helden und Sterne
Das kann bei Red Bull niemals geschehen. Nicht nur aufgrund der erst sehr kurz andauernden Existenz. Auch deshalb nicht, weil es von der Führung nicht gewünscht wird. Das „Produkt“ – und nein, das ist nicht einmal der Fußball, das ist die Dose – muss im Vordergrund bleiben. Da ist kein Platz für auf einzelne Spieler fokussierende Heldengeschichten oder Momente und Orte der Erinnerung. Ja, da ist nicht einmal Platz für einen Stern am Trikot nach zehn Meistertiteln. Das lenkt vom „Produkt“ ab. Und nicht alle Titel wurden unter der Knute der Marketingmaschine Red Bull gewonnen. Bei drei Meisterschaften hieß das noch Austria Salzburg und das Ganze war eine (heute störende) Erzählung. Dort waren aber die Fans. Und nicht nur bei den großen Europacup-Fights. Auch das Stadion Lehen in der Bundesliga platzte bei Spitzenspielen aus allen Nähten. Red Bull hat gerade wieder die Gruppenphase der Europa League gewonnen. Zum letzten Heimspiel, als der Aufstieg gegen Vitória de Guimarães fixiert werden konnte, kamen 6.500 Fans.
Das sind weniger als bis vor kurzem beim Drittligaderby Wiener Sportclub gegen Vienna regelmäßig in Dornbach oder auf der Hohen Warte waren. Weil es dort eben eine Erzählung gibt. Und die hat schon lange nichts mehr mit Erfolgen zu tun. Mit schönem Spiel schon gar nicht. Der Fußball und vor allem der Fan, damit er eine Beziehung aufbauen kann, braucht viel mehr. Es braucht das Gefühl der Zugehörigkeit, Teil einer Idee, einer Einstellung zu sein. Man muss spüren, dass das ein guter Ort ist, wo man da hingeht. Es braucht Identifikationspunkte und –momente. Wenn ein Klub aus der Retorte, der nicht gewachsen ist, noch dazu verhindert, dass bindende Elemente entstehen, dann ist das Ergebnis ein leeres Stadion. Dass den Salzburger Sportchef Christoph Freund das ‚wundert‘, wundert wiederum mich. Es ist nur logisch.
In Wirklichkeit haben die Red Bull-Jünger kein Interesse an Dingen wie Fankultur, Tradition oder eben der, von Georg Sander konstatierten, fehlenden Erzählung. Sie wollen ihr Produkt platzieren, am besten in der „Eliteliga“. Deswegen wird die Salzburger Franchise mittlerweile auch links liegen gelassen und ist nur mehr ein Durchhaus für das Premiumprodukt in Leipzig.
Dietrich Mateschitz soll einmal auf die Frage nach der fehlenden Tradition, eben der fehlenden Erzählung, sinngemäß gesagt haben: „In hundert Jahren ist das wurscht.“ Erstens stimmt das nicht, weil der Fußball im Fuschl-Headquarter eben, wie auch vom Kollegen Sander, als „Produkt“ bezeichnet und gelebt wird. Dieses Fußball-Produkt kauft man, wenn man es gerade brauchen kann. Zum Beispiel, wenn es gegen Bayern München oder Real Madrid geht. Und es existiert außerdem nur so lange, wie für den Verkäufer ein Nutzen am Anbieten desselben ersichtlich ist. Das führt zu zweitens: Die Mateschitz-Aussage wird nicht veri- oder falsifiziert werden können, weil in weit weniger als hundert Jahren dieses Fußball-Produkt vom Markt längst verschwunden sein wird.