Foto: © GEPA

Red Bull Salzburg fehlen die Fans – und eine große Erzählung

Nicht einmal 4.000 Fans wollten sich das Heimspiel von Red Bull Salzburg gegen den SV Mattersburg ansehen. Dabei spielen die Bullen seit Jahren attraktiv. Was ist da los?

 

Von Georg Sander

 

„Mir kommt es so vor, als ob die Salzburger Fans nur dann ins Stadion kommen, wenn der Gegner einen echten Namen hat“, sagt ein Salzburger Fanklub-Obmann gegenüber 90minuten.at. „Der österreichische Serienmeister RB Salzburg fristet ein trauriges Dasein in der Bedeutungslosigkeit, ohne richtige Fans, ohne echte Emotionen, ohne wirkliche Gegner, ohne greifbare Mission“, gehen die 11freunde hart ins Gericht mit Red Bull Salzburg. Fehler wurden gemacht. Vor zwölf Jahren, als die große (jüngere) Geschichte von Vorgängerverein Austria Salzburg gelöscht wurde, die Ultras des Stadions verwiesen wurden. Oder in jüngerer Zeit, als die Fans den Meisterstern für den zehnten Titel wollten. Aber da waren eben drei Titel des Vorgängervereins dabei, die damalige Zentrale sagte „Nein.“

 

Eigentlich könnte man schon sagen: Salzburg ist die viertgrößte Stadt in der Liga. Dass die Wiener Klubs sowie das doppelt so große Graz mehr Fans anlocken, ist da offensichtlich. Aber darum geht es nicht. Auch nicht um den Gegner. Red Bull Salzburg fehlen die Erzählungen.

"Was erzählen sich Salzburgfans? Hey, wir waren einmal im Europa League-Achtelfinale, geile Zeit! Oder: Kannst du dich noch an den Titel erinnern? (Welchen, wäre die richtige Antwort)." - Was hat Red Bull Salzburg erreicht?

Große Erzählungen

Red Bull Salzburg hat für den österreichischen Fußball unbestritten einiges erreicht. Aber noch nichts, was emotionalen Wert hat. Quantitativ bleiben dann eben die Zuschauer aus, auch wenn das Produkt (= attraktiver Fußball) grundsätzlich stimmt. Was emotionalisiert Fans? Was bringt sie dazu, ins Stadion zu gehen? Das ist eher eine qualitative Frage. Und da entfaltet sich ein Problem für die Bullen, das nicht einmal mit dem Wegfall der Tradition erklärt werden kann. Wirft man einen Blick vor allem auf Rapid und Sturm, dann gibt es dort einfach große Erzählungen, die nicht einmal bis in die graue Vorzeit des heimischen Fußballs zurück reichen. Es reichen schon zehn Jahre.

 

Da wären beispielsweise die Blackies, die nach der finanziellen Bauchlandung 2007 wieder aufgestanden sind, Meister wurden. Kollege Jürgen Pucher, Sturm-Experte, formuliert es so: „Sturm hatte eine unglaubliche Renaissance nach dem beinahe-Konkurs und ist stärker zurück gekommen.“ Das liegt keine 50 Jahre in der Vergangenheit. Rapid hat auch Erzählungen aus der jüngeren Vergangenheit, sogar abseits der Selbstinszenierung als Gralshüter des wahren Fußballs. Die Titelosigkeit seit zehn Jahren etwa, das 7:0 in Salzburg, Europacup-Hits gegen Aston Villa. Derartige Geschichten haben auch andere Vereine, wie etwa die Austria, mit ihrem Traum vom schönen Spiel, der LASK, mit der Entfesselung aus der Ära Reichel, die Rieder als die Wikinger, die in Wahrheit die Gallier der Liga sind – eine Erzählung, die die Altacher gegenwärtig kopieren.

 

Erfolg ist relativ

Natürlich konnte Salzburg zu Beginn der Ära Red Bull viele Fans anlocken. Es war etwas Neues. Das ist attraktiv. Doch was sind schon acht Titel, wenn man ohnehin mehr Geld hat. Es emotionalisiert gerade im Fußball nicht, der ja vom Außergewöhnlichen lebt. Salzburg hatte in den letzten zehn, zwölf Jahren mit den Ajax-Partien einen kleinen Moment an Erzählung. Als sich die Fußballwelt vor den Bullen verneigte, weil sie den niederländischen Traditionsklub, der total voetbal quasi erfand, vorführten. Aber als große Erzählung reicht das nicht aus. Was erzählen sich Salzburgfans? Hey, wir waren einmal im Europa League-Achtelfinale, geile Zeit! Oder: Kannst du dich noch an den Titel erinnern? (Welchen, wäre die richtige Antwort).

 

Erfolg mit Stars wie Soriano und Keita? Ja, aber der große Wurf gelang noch nicht.

Erfolg ist nun einmal relativ. Es mag schon stimmen, dass Salzburger Publikum vielleicht etwas schwieriger ist als jenes in Wien, Graz oder Linz. Dort gibt es noch Industrie, Hackler, die in Massen zum „Arbeitersport“ Fußball gehen; auch wenn diese Analyse in Zeiten von Familienevent und Skyboxen auch zu kurz greift. Aber noch einmal: Was erzählen sich Salzburgfans? Der Erfolg ist zur Gewohnheit verkommen, genau so wie das von allen anerkannte schöne Spiel.

 

Geschichte(n) schreiben

Red Bull Salzburg wird sich einerseits klüger verhalten müssen, was die Fanarbeit betrifft. Hier hat sich zuletzt einiges verbessert, wie der eingangs erwähnte Fanklubvertreter erzählt. Andererseits wird es eben die Geschichten brauchen, um denen, die nun nicht mehr kommen, einen Grund zu geben, diese Elf sehen zu wollen. Das funktioniert auch unabhängig davon, ob Red Bull Salzburg Zulieferer für Leipzig ist oder nicht. Marco Rose, sein Team, vielleicht erst seine Nachfolger, sollten dazu in der Lage sein. Mit Tradition alleine kann man es ohnehin nicht erklären.

 

Denn sonst würde die Austria in der Zweimillionenstadt nicht so wenig Fans ins Stadion bringen, Wacker Innsbruck nicht vor weitgehend gähnend leeren Rängen am Tivoli spielen oder Blau Weiß Linz nicht nur 1.300 Fans auf die Gugl locken, trotz großer Voest-Vergangenheit. Und umgekehrt müssten die Fans, zählte nur der (auch relative) Erfolg, die Stadien in der Südstadt, Wiener Neustadt oder Hartberg aus allen Nähten platzen lassen.

 

Vermutlich kann jeder Teenager in Hütteldorf oder Graz sagen, wo er war, als Rapid 7:0 gewann oder Sturm den Punkteabzug erlitt. Ganz traditionsbefreit.

 

>>> Weiterlesen: Warum der Video-Schiedsrichter auch in Österreich kommen muss

Japans Krieger Trikots für die WM