Couch-Potato Sturmfan

Der SK Sturm befindet sich seit Wochen im Aufwind und lacht weiterhin von der Tabellenspitze. Ein Wermutstropfen bleibt der damit nicht schritthaltende Matchbesuch im Stadion.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Manche machen eine Kunstpause, die anderen eine Babypause, der 12 Meter war die letzten Monate in Buchpause. Jetzt ist er wieder da. In frischem Glanz, an neuer Stelle, ansonsten aber altbewährt. Vornehmlich der SK Sturm wird hier aus kritischem Blickwinkel unter die Lupe genommen. Auch dann, wenn wie gerade jetzt, an der Mur alles eigentlich Eitel – Wonne – Sonnenschein ist. Gerade in den guten Tagen gilt es zu optimieren und es gibt natürlich immer die eine oder andere Baustelle, nicht nur, wenn im Trainingszentrum Messendorf der Rasen neu gemacht wird.

 

Viele und schöne Zahlen

Unlängst präsentierten die Schwarz-Weißen in Form von Präsident Christian Jauk und Geschäftsführer Wirtschaft, Thomas Tebbich, ein Potpourri an schönen Zahlen. Neben dem aktuellen Geschäftsergebnis, das sich durchaus sehen lassen kann, auch Inhalte einer Studie über den Fußball in Österreich. Im ganzen Land seien demnach 14 Prozent der Fußballfans solche des SK Sturm, in der Steiermark wären überhaupt 67 Prozent der Afficionados ‚Schwoaze‘. Der Präsident verpackte einen kleinen Seitenhieb auf den GAK in seine Ansage und setzte fort: Es fänden nämlich außerdem noch sehr viele Fußballfreunde hierzulande die Blackies grundsätzlich sympathisch, gar den allerhöchsten Wert aller Bundesligisten hätte man hier vorzuweisen. Nicht zuletzt sei der SK Sturm, laut Jauk, ein Quotenbringer der Sonderklasse.

 

Beim ORF hätte er vorgesprochen, in den letzten zehn Jahren wären von den zehn Bundesligaspielen mit der höchsten Quote sieben ebensolche mit Beteiligung des SK Sturm gewesen. Da hat sich der Boss der Grazer zwar ein wenig vertan und hat in der allgemeinen Euphorie Europacup und Meisterschaft durcheinandergebracht. Nichtsdestotrotz spricht derzeit vieles für den SK Sturm. Auch, und vor allem, sportlich, ist der Klub doch nach elf Runden noch immer an der Tabellenspitze, spielt ansehnlichen Fußball und hat gerade die Wiener Austria souverän mit 3:0 aus Liebenau hinausgeschossen. Damit wurden heuer die Top Drei der Liga geschlagen, die Austria sogar schon zum zweiten Mal.

Es bleibt die ein wenig quälende Frage: Wieso schauen zwar viele Leute im Fernsehen zu, aber nicht von den Rängen in Liebenau? Das ohnehin ‚kompakte‘ 15.000er-Stadion im Grazer Süden ist trotz Erfolgslauf fast nie ausverkauft.

Aber wo liegt bei all dem der große ‚Pull-Faktor‘, der den bisherigen Couch-Potato nach Liebenau holt? Signifikante Steigerungen sind hier in der Regel dann zu beobachten, wenn es einen kompletten Neubau gibt, der an sich wieder eine Attraktion darstellt.

Es bleibt die ein wenig quälende Frage: Wieso schauen zwar viele Leute im Fernsehen zu, aber nicht von den Rängen in Liebenau? Das ohnehin ‚kompakte‘ 15.000er-Stadion im Grazer Süden ist trotz Erfolgslauf fast nie ausverkauft. 10.508 Besucher passierten in den bisherigen fünf Liga-Heimspielen die Drehkreuze. Für einen Verein mit solchen Beliebtheitszahlen, obwohl Steigerung und guter Wert im Ligavergleich, ein dürftiger Besuch. Das Aboziel liegt laut Geschäftsführer Tebbich bei 5.500, wobei das aber erst nach der Frühjahrsaktion gilt, wo im Winter noch einmal vergünstigte Dauerkarten für die restlichen Partien angeboten werden. Auch nicht unbedingt die allerambitionierteste Zielsetzung. Woran liegt es, dass die Hütte im Süden von Graz gar so selten aus allen Nähten platzt, obwohl es eines der stimmungsvollsten, wenn nicht überhaupt im Moment das stimmungsvollste Stadion des Landes ist? ‚Alt und überholt‘, tönt es dann immer als erstes von den Verantwortlichen. Und man müsse den Matchbesuch rund um das eigentliche Spiel attraktiver machen.

 

Attraktiver Fußball, Tabellenführung und tolle Stimmung reichen nicht aus

Dazu gilt es zweierlei Gedanken anzustellen. Da ist zunächst das ernüchternde Faktum, dass heutzutage ohne Brimborium, Trallala, Shopping-Möglichkeiten und Spitzenerreichbarkeit ein großer Teil jener, die sich als Fans eines Vereins bezeichnen, trotzdem nicht den Weg in das Stadion auf sich nehmen. Attraktiver Fußball, Tabellenführung und tolle Stimmung aus der Kurve reichen nicht aus, um 15.000 Leute zu mobilisieren. Das einmal verdaut, der zweite Strang der Argumentation: Die lähmende Geschichte rund um die Erneuerung/Adaptierung des Liebenauer Stadions. Bekanntlich im Besitz der Stadt, weshalb der Klub als ständiger Bittsteller im Rathaus vorstellig werden muss. Zwölf Millionen Euro würden bereitgestellt, hieß es vor geraumer Zeit, fünf davon wurden mittlerweile teilweise in Dinge wie Pressebereich, Gastronomieeinrichtungen, bessere Sanitärbereiche, Barrierefreiheit oder technische Verbesserungen investiert. Über die zweite Sieben-Millionen-Tranche, wo es um einen hübscheren VIP-Klub und Dinge wie einen Familiensektor gehen soll, sei man immer noch in Verhandlungen. Ein weiteres Treffen mit der Politik fand unlängst statt. „Die Gespräche im Rahmen des Stadion-Gipfels waren sehr positiv. Weitere Informationen werden aber erst in einer Pressekonferenz, welche zeitnah stattfinden wird, präsentiert“, war allerdings der einzige sperrige Satz, der dazu auf Nachfrage aus dem Sturm-Büro zu erfahren war.

Zudem sind die Verantwortlichen in Messendorf darüber verstimmt, dass nicht einmal noch das ganze Geld aus dem ersten Fünf-Millionen-Topf verbaut worden wäre. Die Bürokratie würde den Klub mit einer Reihe von Gutachten und Bedarfserhebungen quälen. Präsident Jauk lässt wissen: „Wir werden nicht nachgeben, bis der SK Sturm eine Spielstätte vorfindet, die in anderen Bundesländern inzwischen längst eine Selbstverständlichkeit ist. Das sind wir unseren Fans schuldig. Mittel- bis langfristig muss Sturm Graz in die Betreiber- und Pächterrolle des Stadions kommen, um die Servicequalität für die Fans optimieren zu können.“ Das liest sich natürlich nett, aber die angestrebte Pächterrolle ist ein seit Jahren strapaziertes Thema ohne Fortschritt. Der steirischen Politik sei natürlich ausgerichtet, dass es nicht zusammengeht, sich einerseits im Lichte des Spitzenfußballs zu sonnen, zugleich aber wie Dagobert Duck auf der Kohle zu hocken und mit Gutachten herumzuwedeln. Aber es stellt sich resümierend noch eine andere Frage: Was würden, so endlich umgesetzt, die Neuerungen und Modernisierungen unterm Strich hinsichtlich Zuschauerzahlen bedeuten?

 

Ich meine kaum etwas. Was an Vorhaben bisher bekannt ist, mag notwendig, wünschenswert oder schlicht ein Erfordernis der Zeit sein. Thomas Tebbich sprach im Sommer bei BlackFM.at auch über ein neues Musikkonzept und andere Dinge rund um das ‚Stadionerlebnis‘, die geplant seien. Aber wo liegt bei all dem der große ‚Pull-Faktor‘, der den bisherigen Couch-Potato nach Liebenau holt? Signifikante Steigerungen sind hier in der Regel dann zu beobachten, wenn es einen kompletten Neubau gibt, der an sich wieder eine Attraktion darstellt. Die Angst des Christian Jauk in punkto Spielstätte neben Rapid, Red Bull oder bald der Austria auch noch hinter den LASK zurückzufallen, dem ebenfalls vom neuen OÖ-Landeshauptmann eine neue Arena in Aussicht gestellt wurde, kann ich nachvollziehen. Weil, wer jetzt, unter den aktuellen (Erfolgs)Umständen, nicht zum SK Sturm pilgert, der macht es auch wegen ein paar oben erwähnten Neuerungen nicht.