Foto: © GEPA 12Meter / 2017

"Welcher Narr hat den Auftrag gegeben?"

In letzter Zeit häufen sich wieder die Fälle, wo einen der Verdacht beschleicht, dass die österreichische Exekutive Deeskalation nicht unbedingt zu ihren wichtigsten Aufgaben zählt.

Ein 12 Meter von Jürgen Pucher

 

Der SK Sturm traf in Liebenau in der 16. Bundesligarunde auf den LASK. Im Laufe der ersten Spielhälfte erschien in der Nordkurve der Grazer plötzlich eine Hundertschaft der Polizei, woraufhin sich die Fangruppen großteils von den Rängen zurückzogen. Es wurde kühler Kopf bewahrt und nach einiger Zeit zog die Polizei ab und die Fans kehrten zurück. Auch Präsident Christian Jauk und Geschäftsführer Thomas Tebbich haben laut Augenzeugenberichten aus der Kurve mit großem Einsatz versucht zu deeskalieren. Alles so nicht selbstverständlich, ist es doch mehr als unüblich, dass die Exekutive den Fansektor betritt. Das wird dort mehr oder weniger als die schlimmstmögliche Provokation aufgefasst, was der Polizei selbstredend bekannt ist. Was veranlasste also den Einsatzleiter zu dieser, durchaus als drastisch zu bezeichnenden, Maßnahme? Noch dazu wenn es keinen offensichtlichen Grund für diesen Aufmarsch gab.

 

Bratwurstgate

Gerhard Lecker leitet die Landespolizeidirektion in Graz und führte nach der LASK-Partie gegenüber der Kleinen Zeitung aus: ‚In den vergangenen Spielen hat das Stadion gebrannt. Das sind strafbare Handlungen. Wir haben einfach Präsenz gezeigt, mehr nicht.‘ Lecker meinte mit ‚brennen‘ den Einsatz von Pyrotechnik in den letzten Heimspielen. Das ist nicht mehr und nicht weniger als eine Verwaltungsübertretung. Deswegen sofort einen Aufmarsch dieser Größenordnung anzuordnen und dafür bewusst eine Eskalation zu riskieren, das ist dann doch ein bisschen so, als würde ein Falschparker oder Schnellfahrer im Straßenverkehr in der Zeit nach der Übertretung eine Sonderüberwachung inklusive Begleitfahrzeug durch die Exekutive erhalten. Und wären ein paar Bengalos gegen Rapid tatsächlich der Grund gewesen, dann müssten jede zweite Woche Polizisten auf der Nord antanzen.

Warum also wirklich? Mehrere Augen- und Ohrenzeugen behaupten, der Einsatzleiter vor Ort hätte auf Nachfrage einen ganz anderen Grund für die Polizeipräsenz genannt. Bei einem früheren Heimspiel wäre eine Polizeibeamtin beim Kauf einer Bratwurst angepöbelt worden und der Einsatz gegen den LASK sozusagen die Sanktionierung dafür. Sollte das stimmen, und es hat den Anschein, angesichts Dutzender übereinstimmender Berichte von anwesenden Personen, ist das Verhalten der Polizei ein Skandal. Wegen des Vergehens einer Einzelperson eine Strafaktion gegen ein Kollektiv durchzuführen, ist nichts Anderes als Willkür und Machtdemonstration. Ich weiß nicht genau, wie die Polizei Manöverkritik durchführt. Aber diese Aktion sollte intern eine intensive Nachbetrachtung erfahren. 

"Deswegen sofort einen Aufmarsch dieser Größenordnung anzuordnen ist so, als würde ein Falschparker eine Sonderüberwachung inklusive Begleitfahrzeug durch die Exekutive erhalten. "

Welcher Narr war schuld?

Auch in Wien gab es unlängst einen Polizeieinsatz, der großteils nur Unverständnis und Kopfschütteln hervorrief. Nach dem Derby im Happel-Stadion verließen die Rapid-Fans den Gästesektor und die Polizei rückte mit fünf Fahrzeugen an. Personen sollen angefahren worden sein, Pfefferspray kam zum Einsatz, insgesamt berichten viele Beteiligte von übertrieben aggressivem Auftreten der Einsatzkräfte. Vor allem eines wird immer wieder retrospektiv von Zeugen festgehalten: Es war kein Grund für einen Einsatz ersichtlich. Später hielt die Polizei in einer Aussendung fest, dass die Eskalation von Fans ausgegangen wäre, was Anwesende vehement bestreiten. Die Rechtshilfe Rapid, eine Vereinigung die in solchen Fällen Fans des SK Rapid vertritt, kündigte eine umfassende Dokumentation der Vorfälle an.

Genauso wie Fans selbstredend von einem Generalverdacht freizusprechen sind, wäre es auch der Exekutive gegenüber unfair, ihr das Vorhandensein von besonnenen Kräften abzusprechen. Beim ‚Einsatz‘ rund um das Wiener Derby war wohl einer der unteren Rängen ein wenig übermotiviert. Als der Kommandant der WEGA, Ernst Albrecht, beim Geschehen eintraf und die Eskalation zu Gesicht bekam, äußerte er sich eher unerfreut: ‚Herst, wer hat denn da den Auftrag gegeben, welcher Narr?‘ Die Rechtshilfe Rapid dokumentierte die Aussage auf Video. Dem Chef dürfte also klar gewesen sein, dass seine Leute hier, gelinde gesagt, ein wenig danebengehauen haben, verletzte Rapidfans inklusive. Es bleibt die Frage, was tatsächlich der Grund für den massiven Aufmarsch und das aggressive Vorgehen vor dem Auswärtssektor war?

 

Zurück nach Graz: Nicht zuletzt muss sich die dortige Polizei aufgrund der Vorfälle der letzten Wochen schon auch die Frage der Prioritätensetzung gefallen lassen. Man hält es offenbar für eine wichtige Maßnahme, einen symbolischen, angesichts der bekannten Faktenlage ziemlich sinnlosen, Einsatz in der Fankurve zu veranstalten. Zugleich war die Exekutive aber davor, nach dem Heimspiel gegen Rapid, nicht in der Lage, ein Vorfahren von GAK-Fanbussen auf den Stadionvorplatz zu verhindern, was zu einer relativ unangenehmen Situation geführt hat. Stärke zeigen als Provokation und durch Abwesenheit glänzen, wenn der Hut brennt – steigert irgendwie nicht unbedingt das Vertrauen in die Exekutive.

 

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