Sturm Graz: Substanz statt Frittatensuppe
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Sturm Graz: Substanz statt Frittatensuppe

Der regierende Meister befindet sich in einer Abwärtsspirale. Sturm konnte seit vier Runden nicht mehr gewinnen und die Auftritte boten nicht nur hinsichtlich der Ergebnisse Grund zur Sorge. Verliert Sturm seine DNA?

"Es kann so nicht weitergehen", sprach der Chef am Platz des SK Sturm, Otar Kiteishvili, nach der 1:3-Heimpleite der Grazer gegen den LASK in die Mikrofone und Kameras.

Man würde leichte Fehler machen und die Basics im Spiel gegen den Ball vermisse er außerdem, so der georgische Nationalspieler und Publikumsliebling in Liebenau.

Und wie so oft in letzter Zeit kommt das Thema auf, dass es eben schwer sei, gegen tiefstehende Gegner zu Chancen zu kommen. Auch wenig geschulte Beobachter können zudem feststellen, dass Sturm nach ordentlichen Phasen und Führungen immer wieder zurückfällt und den Gegner stark werden lässt. Viele Male war das in dieser Saison in Spielen der Schwoazn schon zu sehen.

Kaderbalance stimmt nicht

Trainer Jürgen Säumel und Sportchef Michael Parensen haben im Podcast "BlackFM" dazu unlängst wissen lassen: Es gäbe eine Änderung im Spiel, die die anderen Teams Sturm ein wenig aufgezwungen hätten. Sie würden den Schwoazn nicht mehr ins offene Messer laufen, tief stehend das früher so zelebrierte Umschaltspiel unterbinden und der Säumel-Elf so längere Ballbesitzphasen mehr oder weniger aufzwingen.

Sturm spielt seit dem Abgang von Max Johnston Anfang der Saison endgültig ohne Außenverteidiger mit Zug nach vorne.

Jürgen Pucher

Das allein reicht als Erklärung für die Negativ-Serie des Meisters aber nicht aus. Otar Kiteishvili spricht Defizite in der Arbeit gegen den Ball an, die Aggressivität aus den letzten Saisonen sei derzeit nicht wirklich sichtbar, so der Leader im Sturm-Mittelfeld.

Er spricht mit der vorherrschenden Passivität sicher einen Umstand an, der das Werkl derzeit nicht rund laufen lässt, das Problem kumuliert aber am stärksten auf der Außenbahn.

Sturm spielt seit dem Abgang von Max Johnston Anfang der Saison endgültig ohne Außenverteidiger mit Zug nach vorne. Links ist Emir Karic solide, bringt im Offensiv-Spiel aber wenig. Seine Hereingaben sind nicht sehr effizient und sowohl in puncto Ballbehandlung als auch Speed ist er für das Sturmspiel auf dieser Position keine optimale Besetzung.

Sollen Verteidiger nur verteidigen?

Arjan Malic rechts hat ähnliche Themen, wäre eventuell sogar besser auf der Sechserposition aufgehoben, ist aber aufgrund der Kaderstruktur als Außenverteidiger ebenso unersetzbar wie Karic auf der anderen Seite. Beide müssen im Grunde jedes Spiel machen, weil adäquate Backups Fehlanzeige sind.

Sturm hat auf der Position der Außenverteidiger ein großes Problem, die Viererkette ist in ihrer Gesamtheit nicht stabil und das Spiel über die Flügel ist offensiv eine laue Brise anstatt eines kräftigen Sturms.

Jürgen Pucher

Es kommt also zur schon nicht optimalen Nummer eins, die überhaupt fehlende Nummer zwei dazu. Wenn Karic oder Malic nicht verfügbar sind, müssen entweder Dimitri Lavalee oder Tim Oermann nach außen rücken. Wie das zum Beispiel bei Oermann aussieht, war einige Runden lang mit Schaudern zu beobachten.

Sportdirektor Parensen erklärte dazu in der Länderspielpause bei "BlackFM": Man sei in der Verteidigung gut aufgestellt, die Varianten mit Backups aus der Innenverteidigung für fehlende Außenverteidiger sei ok so und, angesprochen auf die fehlende Durchschlagskraft nach vorne, hielt der Nachfolger von Andreas Schicker fest: Verteidiger seien für ihn schon immer noch Verteidiger.

Dringender Handlungsbedarf in der Transferzeit

Viel weiter weg kann man sich argumentativ vom Sturmspiel der Meister-Saisonen 2024 und 2025 nicht mehr bewegen, wo Leute wie Jusuf Gazibegovic, David Schnegg oder dann Max Johnston für ordentlich Musik auf den Außenbahnen gesorgt haben und wesentliche Bausteine des Sturmspiels im 4-4-2 mit Raute waren.

Sturm ist im Begriff, seine DNA im Spiel zu verlieren und die sportliche Leitung will oder kann den Ernst der Situation nicht erkennen.

Jürgen Pucher

Dem nicht genug, lässt der Grazer Sportchef für die kommende Jänner-Transferzeit keinen dringenden Wunsch erkennen, auf diesen Positionen nachzubessern. Viele Konjunktive gibt es dafür auf Nachfrage. Es könnte sein, dass man dort aktiv wird, wenn sich denn etwas ergäbe, aber eine klare Ansage ließ Parensen vermissen.

Ich mache das hier für ihn: Sturm hat speziell auf der Position der Außenverteidiger ein großes Problem, die Viererkette ist in ihrer Gesamtheit nicht stabil und das Spiel über die Flügel ist offensiv eine laue Brise anstatt eines kräftigen Sturms. Wenn das in Messendorf für die anstehende Übertrittszeit nicht erkannt und behoben wird, dann wird alles andere, was im Jänner sonst passiert, ein wenig vertane Zeit gewesen sein.

Es braucht mehr Substanz

Michael Parensen hat die Sommertransferzeit mit einem Überschuss an Innenverteidigern, einem Mangel an Außenverteidigern und einem Kader insgesamt beendet, der hinsichtlich Niveau eindeutig unter jenem es Vorjahres angesiedelt ist.

Für die kommende Transferzeit lässt er klare Ansagen vermissen, die offensichtlichen Probleme anzugehen und gibt stattdessen in der "Kleinen Zeitung" Interviews über Buschenschenken und Frittatensuppe.

Das liegt freilich auch an den mäßig originellen Fragen in diesem Gespräch, ist aber symptomatisch für das Verkennen der Lage. Sturm ist im Begriff, seine DNA im Spiel zu verlieren und die sportliche Leitung will oder kann den Ernst der Situation nicht erkennen. Es ist noch nicht aller Tage Abend, aber irgendwie, irgendwo, irgendwann braucht der Sturm-Sportchef bald ein wenig mehr Substanz auf der Habenseite. 

Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".

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