Am Montagabend wurde also schließlich bekanntgegeben, was schon seit mehr als einer Woche alle erwartet haben. Sturm trennt sich von seinem Trainer Jürgen Säumel. Mit Martin Lassnig muss auch einer seiner Assistenten den Hut nehmen.
Der Verein bürdete damit seiner Spielerlegende und dem Meistertrainer der abgelaufenen Saison eine unwürdig lange Zeit als "Dead Coach Walking" auf, die er nicht verdient hat. Was musste man acht Tage lang tun, um dann zum ohnehin naheliegendsten zu kommen?
Meetingmarathon brachte das Erwartbare
Mehr als eine Woche war jedem Beobachter klar, dass es Säumel erwischen wird. Zu kaputt war das Verhältnis zwischen ihm und Sportchef Michael Parensen. Dass Präsident Jauk, der mit beiden nicht zufrieden war, sich zudem nicht durchringen wird können, Trainer und Sportdirektor zugleich den Laufpass zu geben, war auch bald kein Geheimnis mehr.
Zu erkennen waren die Probleme schon lange. Seit Sommer war klar, dass Parensen und Säumel nicht die gleichen Vorstellungen haben.
Der Berg kreißte also acht Tage lang und gebar eine Maus. Eine Standard-Aussendung voller Floskeln verkündete Säumels Ende. Nachfolger konnte noch keiner verpflichtet werden. Das lässt einen dann doch ratlos zurück und man ist geneigt, sich zu fragen: Was haben die da gemacht, in Messendorf, in all den langen Tages- und Nachtstunden voller Meetings und Zusammenkünften?
Was wollte Christian Jauk mit dem Hinauszögern der finalen Entscheidung erreichen? Es war aus dem Verein zu hören, dass sich der Vorstand schon Tage vor der Verkündung einstimmig für eine Entlassung des Trainers ausgesprochen habe. In jedem Fall zeigt dieser Prozess, wie schwach das Standing jenes Mannes ist, der seinen Arbeitsplatz vorläufig behalten hat.
Selbstverschuldete Zuspitzung
Michael Parensen hatte zu keiner Zeit das Heft des Handelns in der Hand. Sein Klubpräsident zauderte und zögerte bei einer Entscheidung, die der Sportdirektor lieber heute als morgen bekanntgegeben hätte. Und dieser Sportdirektor, der vom Chef auch nicht mehr viel Vertrauen genießt, soll jetzt in den nächsten Tagen den neuen Trainer verpflichten und Sturm in ein erfolgreiches Frühjahr führen?
Die Schwoazn befinden sich zudem in einer Situation, die noch zugespitzter ist, als sie sein müsste. Nämlich deshalb, weil es eine viel zu lange Schrecksekunde gab, bis die vorhandenen Probleme angegangen wurden. Zu erkennen waren sie nämlich schon lange. Seit Sommer war klar, dass Parensen und Säumel nicht die gleichen Vorstellungen haben.
Damals wie jetzt machte Sturm in Personal- und Recruitingfragen keinen sehr professionellen Eindruck. Zu lange zugeschaut und keinen Plan B in der Hand.
Spätestens seit Oktober war offensichtlich, dass es Handlungsbedarf gibt. Ins Tun gekommen ist Christian Jauk mit seinem Vorstand schließlich erst wenige Tage vor Weihnachten. Das führt uns dorthin, wo am Ende schon ein wesentlicher Teil der aktuellen Krise zu verantworten ist. Nämlich an der Spitze.
Unvorbereitet und ohne Alternativen
Christian Jauk hat sich nach dem Abgang von Andreas Schicker in einem ausführlichen Hearing-Prozess für Michael Parensen als Nachfolger entschieden und später, nachdem er auch einen neuen Trainer gebraucht hat, Jürgen Säumel durchgesetzt. Beide Personalentscheidungen fallen auf ihn zurück.
Vielleicht auch ein Grund, warum er (zu) lange zugeschaut hat, wie beide miteinander und in dem Feld, in dem sie verantwortlich waren, nicht ausreichend funktioniert haben. Viel früher hätte es Klartext gebraucht, schon lange vor den Wintermonaten hätte man über Alternativen für beide Jobs nachdenken müssen.
Eine Geschichte, die sich – mit anderen Vorzeichen – gerade wiederholt. Lange schon war damals absehbar, dass das Erfolgsduo Schicker-Ilzer Begehrlichkeiten weckt. Als sie dann tatsächlich gingen, wirkte die Vereinsführung von Sturm davon überrumpelt und unvorbereitet.
Mehr Fehlerkultur gefragt
Damals wie jetzt machte Sturm in Personal- und Recruitingfragen keinen sehr professionellen Eindruck. Zu lange zugeschaut, keinen Plan B in der Hand und alle dazugehörigen Prozesse schlecht oder gar nicht moderiert.
Es sich rechtzeitig eingestehen und korrigieren, wenn etwas falsch gelaufen ist, wäre ein dringender Schritt der Weiterentwicklung beim regierenden heimischen Fußballmeister.
Es ist dringend an der Zeit für ein wenig mehr Fehlerkultur in Graz-Messendorf. Es sich rechtzeitig eingestehen und korrigieren, wenn etwas falsch gelaufen ist, wäre ein dringender Schritt der Weiterentwicklung beim regierenden heimischen Fußballmeister. Sein Tun zu erklären und auch zu hinterfragen hat noch selten geschadet, ist aber eine Qualität, die bei allen Führungspersönlichkeiten der Schwoazn aktuell mäßig bis gar nicht ausgeprägt ist.
Will man wieder in die Spur kommen, ist das neben dem Aufräumen der Kader- und Coachingbaustellen, einer der wichtigsten Schritte, die es zu gehen gilt. Für das, was es in der verbleibenden Saison noch zu retten bleibt und für das, was danach passieren soll noch einmal mehr.
Jürgen Pucher ist Buchautor, Politikwissenschaftler, Fußballjournalist und praktizierender Sturmfan in Wien. Der Steirer war Mitgründer der Fanplattform Sturm12.at. Seit 2015 ist Pucher als Betreiber des Podcast BlackFM aktiv, der sich den "Schwoazn" widmet. Für 90minuten.at schreibt er in regelmäßigen Abständen die Kolumne "12 Meter".
Jürgen Pucher