"Reichshofstadion - Für immer!!!", steht auf dem Spruchband, das Fans auf der Nordtribüne in der ersten Halbzeit hervorholen. Ebenjenes ist zurück auf der österreichischen Fußballbühne, auch wenn es offiziell nach einem Sponsor "SUN MINIMEAL Arena" heißt. Zweitligist Austria Lustenau hat sein neues Stadion, und die ADMIRAL 2. Liga eine neue alte Spielstätte zurück. "Reichshofstadion allez!", skandieren die Fans lauthals.
Bereits auf der Choreografie zu Spielbeginn spannen sie den Bogen, zwischen dem, was war und dem, was sein wird: Auf ihr sind die Umrisse des alten und neuen Stadions zu erkennen. Zurück in die Zukunft.
"Ein absoluter Neuanfang"
"Es war ein Fest für ganz Lustenau, für Vorarlberg. Riesen-Atmosphäre, geiler Testspielgegner, faire Stimmung am Platz und auf den Rängen - so kann man ein Fußballspiel auch genießen." Mittelfeldspieler Pius Grabher kam nach dem Eröffnungsspiel ins Schwärmen.
"Man sieht, was das ausmacht, wenn so ein Stadion eine gute Energie hat", pflichtete Trainer Markus Mader bei. Der Auftakt gegen den FC Augsburg - die beiden Fanszenen pflegen seit Jahren eine freundschaftliche Beziehung - ging mit 0:2 verloren, das war an diesem Tag aber ohnehin nur Nebensache in Lustenau.
Zelebriert wurde die Rückkehr an die Schützengartenstraße, ein neues Kapitel der Vereinsgeschichte, die Freundschaft zu Augsburg und allem voran das neue Stadion. "Es war extrem ungewohnt. Wenn du so lange im alten Stadion gespielt hast, bist du alles gewohnt, angefangen bei der Größe vom Platz", hatte Grabher noch leichte Anpassungsprobleme. "Man muss sich noch ein bisschen daran gewöhnen, aber es ist natürlich ein absoluter Neuanfang für den ganzen Verein", sagt er.
Grabher ist ein Lustenauer Urgestein, auch wenn er erst 31 Jahre alt ist. Er spielte schon im Nachwuchs für den Klub, den er nur für eine Saison nach St. Gallen und zwei Spielzeiten nach Ried verließ. Seit 2019 ist er zurück, kämpfte mit der Austria um den Klassenerhalt, zog ins Cupfinale ein und stieg in die oberste Spielklasse auf.
"Es ist ein absoluter Neuanfang für den ganzen Verein."
Grabher wuchs mit dem alten Reichshofstadion auf und wurde dort Profi, in einem zum Bundesliga-Aufstieg 1997 geschaffenen Provisorium, das seither große Spiele sah und länger andauerte, als alle das geplant hatten. Die immer älter gewordenen Stahlrohrtribünen hinter beiden Toren gerieten zum Markenzeichen, sie standen mitten auf der schon lange nicht mehr genutzten Laufbahn. Die Lustenauer liebten ihr Reichshofstadion, und wussten doch: Das ist nicht für ewig.
Das Ende der Problematik
Für die Bundesliga reichte es nämlich irgendwann nicht mehr, schon nach dem fulminanten Bundesliga-Aufstieg 2022 spielte Lustenau nur mit Ausnahmegenehmigung in der Heimat.

Im Gegenzug für die Lizenz mussten Pläne für einen Stadionneubau vorgewiesen werden, im Winter 2023 rückten dann die Bagger an. Das Reichshofstadion wurde zur Baustelle, Lustenau wich notgedrungen nach Bregenz aus, das dortige Stadion wurde bundesligafit gemacht. Die Austria stieg dann aber aus der ADMIRAL Bundesliga ab und ein Haar auch aus der ADMIRAL 2. Liga.
Der 19. Juli 2025 besiegelt schließlich auch öffentlichkeitswirksam ein Thema, das die Austria bereits seit den 1990er-Jahren begleitet, als erstmals ein Neubau ins Spiel gebracht wurde. Die Stahlrohrtribünen sind gewichen, ebenso die Laufbahn.
Geblieben ist die 1996 errichtete Haupttribüne, die adaptiert wurde. Die drei restlichen Tribünen sind komplett neu, aus Beton und viel Holz, mit 334 Glaselementen an den Rückwänden. Erstmals seit 2000 steht auch auf der Ostseite wieder eine Tribüne, die alte musste damals wegen Anrainerbeschwerden zurückgebaut werden.
"Das rundet einfach alles ab, jetzt ist es ein Stadion. Es wirkt alles kompakter, das macht es für uns Spieler ein bisschen einfacher, der Raum wirkt dadurch nicht so groß", sagt Graber. Der optische Hingucker sind fortan die neuen Flutlichtmasten aus Beton, die 40 Meter in den Himmel ragen und schon von weitem zu erkennen sind. Lustenaus Vorstandssprecher Bernd Bösch sprach im Vorfeld vom "schönsten Stadion in Österreich."

5.138 Plätze bietet das neue Stadion, rund 1.100 Fans haben Platz auf der Nordtribüne. Gekostet hat der Neubau des gemeindeeigenen Stadions 21 Millionen Euro, rund acht Millionen hat das Land Vorarlberg beigesteuert.
Den Zuschauerrekord im Derby gegen SW Bregenz 1999 wird die neue Arena gewiss nicht mehr einstellen, damals kamen 14.000, Augenzeugen erzählen noch heute davon, wie jeder Zentimeter ausgenutzt wurde, und Augenpaare zwischen den Stahlrohren hervorlinsten.
Gegner, und Freunde
Auch gegen Augsburg ist das Stadion gut gefüllt, direkt ausverkauft. Viele Fans der Gäste sind angereist, die Choreografie erstreckt sich über das ganze Stadion, auch den Auswärtsblock, immer wieder gibt es Wechselgesänge zwischen beiden Fanszenen.
Zu Beginn der zweiten Halbzeit steigt hinter beiden Toren Rauch in den Farben der Gegner auf, die vielmehr Freunde sind. Der Regen, der schon vor dem Spiel erstmals einsetzt, tut der Stimmung keinen Abbruch.

Sportlich hat das Team aus der Deutschen Bundesliga, das von Sandro Wagner trainiert wird, erwartungsgemäß die Nase vorn. Beide Tore fallen schon in Hälfte eins, Alexis Claude-Maurice schnürt einen Doppelpack. Grabher hätte zwar gern ein Tor seiner Mannschaft gesehen, "damit wir mitkriegen, was hier los sein kann, wenn wir treffen", aber unzufrieden ist er nicht.
"Ich muss ehrlich sagen: Ich freue mich, jetzt ins Austria-Dorf zu gehen und mit den Leuten was zu trinken. Das ist einfach die Seele des Vereins. Und schon ein spezieller Moment", sagt er.
Besagte Seele des Klubs wurde speziell um die Jahrtausendwende legendär, rund um die Pavillons hinter der Tribüne wurde im Austria-Dorf bis in die Morgenstunden gefeiert. Auch das Austria-Dorf gibt es wieder, optisch erneuert, mit Holzhütten statt Pavillons, und eingebettet in den neuen Stadionvorplatz zwischen Stadion, neuem Klubheim und der neuen Geschäftsstelle. Vieles ist neu in Lustenau, und manches doch bekannt.
"Es muss uns durch die Saison tragen"
Was kann ein neues Stadion mit einer Mannschaft machen, vor allem nach nahezu katastrophalen Monaten im Bregenzer Exil, in das man während des Umbaus ausweichen musste, und in dem Heimsiege Mangelware waren?
"Man muss nur schauen, eine Viertelstunde nach dem Spiel, was jetzt hier los ist", sagt Grabher, "Wir haben Austria Lustenau im Herzen", schreien die Fans hinter ihm.
"Das sagt alles. Es ist einfach sehr viel Freude zu sehen, es wird uns beflügeln, es muss uns durch die Saison tragen - weil, so ehrlich muss man sein: Es gibt andere Vereine, die finanziell ein größeres Budget haben, rein von den Namen haben wir sicher nicht den schlagfertigsten Kader. Da müssen wir über andere Tugenden kommen. Das Stadion kann da zum X-Faktor werden."
Die Tribünen leeren sich, das Flutlicht wird abgeschaltet. Das Austria-Dorf füllt sich, und Fußballfans singen gemeinsam. Das war früher schon so, das soll auch künftig wieder so sein. Lustenau ist wieder in der Heimat.