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"Wenn jeder Männerbundesligist hier mit gutem Vorbild vorangeht..." [Exklusiv]

Die Frauen-Bundesliga entwickelt sich stetig weiter, durchaus mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Eine Reportage aus der höchsten Spielklasse.

+ + 90minuten.at Exklusiv – Von Georg Sander, Mitarbeit: Daniel Sauer, Michael Fiala + +

 

2017 kam Fußballösterreich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Das Frauennationalteam erreichte mit solidem Fußball Rang drei bei der Euro. Ein Erfolg, den die Herren seit 1954 nicht geschafft haben, trotz mehr Geld, mehr Geschichte, mehr allem. Der Erfolg fiel in die große Wachablöse in der Bundesliga hinein. Der SKN St. Pölten hatte 2015 Neulengbach als Serienmeister abgelöst, die seit 2002/03 alle Titel geholt hatten. Die 90er übrigens waren geprägt von Union Kleinmünchen, einem Team, das die Entwicklung der Frauen-Bundesliga maßgeblich mitgeprägt hatte. Auch in Europa wurde und wird aufgezeigt.

Das nationale Premiumprodukt ist die Frauen Bundesliga, die mit Bewerbssponsor und Live-Übertragungen online und im linearen TV eine ganz eine andere Öffentlichkeit erreicht als noch vor 20 Jahren. 2001/02 wurde der Innsbrucker AC Meister, mit Schwarz-Weiß Bregenz stellte nur ein damaliger Herrenbundesligist ein Team in der höchsten Frauen-Liga. Das ist heute ganz anders. Nebst SKN-Frauen gibt es die Wiener Austria, Sturm Graz, Altach, dazu große Namen wie die Vienna oder Wacker Innsbruck. Aus der 2. Liga steigt Kleinmünchen in Verbindung mit Blau-Weiß Linz auf, Dornbirn, Horn, Wiener Sportclub tummeln sich in der zweiten Leistungstufe. Die klassischen Frauenvereine wie die Elektra oder Landhaus als Marken verschwinden zusehends. Wie geht es Liga mit diesen Entwicklungen? 90Minuten.at hat nachgefragt.

 

Ein Muss

Altach, das noch gar nicht so lange mit Vorderland kooperiert, hat eine klare Meinung zur Frage, ob es notwendig ist, dass Männerbundesligisten auch ein Frauenteam haben sollen – mit Red Bull Salzburg und Rapid fehlen sowohl der aktuell erfolgreichste und der beliebteste. „Es sollte nicht nur für jeden Bundesligaklub ein selbstverstliches „Muss“ sein“, erklärt Tobias Ties, sportlicher Leiter SPG SCR Altach/FFC Vorderland gegenüber 90minuten.at, „Jeder regionale Fußballverein sollte sich im Frauenfußball engagieren und alles dafür tun, um den Frauenfußball stärker zu machen. Ohne Frauen geht nichts! Wenn jeder Männerbundesligist hier mit gutem Vorbild vorangeht, erleichtert dies natürlich einiges.“

"Aus aktueller Sicht macht es jedoch kaum Sinn, wie vor einiger Zeit angeregt, den Klubs ein Frauenteam als Lizenzbedingung aufzuerlegen." - Matthias Scherner, SKN St. Pölten

Ähnlich sieht das Matthias Scherner, beim SKN St. Pölten für Medien verantwortlich: „Natürlich würden wir es begrüßen, wenn Bundesligateams nachziehen und eine Frauensektion installieren. Aus aktueller Sicht macht es jedoch kaum Sinn, wie vor einiger Zeit angeregt, den Klubs ein Frauenteam als Lizenzbedingung aufzuerlegen.“ Diese Idee solle natürlich wachsen, schließlich erfordert aus seiner Sicht ein Frauenteam einiges an Planung sowie zahlreiche Gespräche im Vorfeld: „Es wäre jedoch ein schönes Zeichen für den heimischen Frauenfußball, wenn Salzburg oder Rapid ein Team andenken. Das würde nicht nur Fan-, sondern auch medientechnisch hohe Aufmerksamkeit wecken und wäre eine generelle Aufwertung für den österreichischen Frauenfußball.“

 

In den Fokus rücken

Von der Frauen-Euro in England wird die Liga wohl wieder profitieren, denkt man beim SKN: „Das konnte man nach dem dritten Platz 2017 sehr gut beobachten. Plötzlich wurden vermehrt auch Medien auf die heimische Bundesliga aufmerksam und berichteten über Spiele oder brachten Stories über einzelne Teams oder Spielerinnen.“ Altach ist da etwas vorsichtiger: „Der Stellenwert ist aktuell schwierig einzuschätzen. Ich gehe davon aus, dass nur ein merklicher Erfolg des Nationalteams auch einen Einfluss auf die hiesige Liga haben kann.“

Der SKN, schon länger eine Nummer im Frauenfußball, kennt die positiven Auswirkungen. Die Austria begann kurz nach dem EURO-Märchen eine Kooperation mit dem Wiener Traditionsverein USC Landhaus, auch Altach, Blau-Weiß Linz und der LASK zogen in den darauffolgenden Jahren nach: „Dadurch konnten neue Fans gewonnen und Gelegenheits-Zuseher:innen vom Frauenfußball überzeugt werden. Auch war in den letzten Jahren ein deutlicher Niveau-Anstieg in der Liga zu verzeichnen.“ Hierbei sieht man die Sachlage im Ländle etwas differenziert: „Die Zusammenarbeit zwischen ÖFB und Liga wurde in den letzten Jahren intensiviert, was auch den Stellenwert der Liga verbessert hat.“

 

Mehr Fans, mehr Fernsehen

Doch nicht nur das. Dass seit 2017 Spiele der Planet Pure Frauen Bundesliga live im TV gezeigt werden, hat der Meisterschaft einen erheblichen Schub an Aufmerksamkeit gebracht. Es mache den heimischen Frauenfußball auch für die Wirtschaft interessant und für Unternehmen sichtbar. Der ORF strahlt seit einigen Jahren zudem ein eigenes Frauenfußball-Magazin aus, in dem alle Ereignisse der vorangegangenen Runde kompakt zusammengefasst werden. So kommen alle Vereine zu wichtiger TV-Zeit und Fans können jeden Schritt ihres Lieblingsvereins verfolgen. „Gerade bei uns in Altach, mit einem Zuschauerschnitt von 600 bis 700, ist das Interesse natürlich spürbar groß. Schön wäre natürlich, wenn die restlichen Teams in der Liga ebenfalls einen ähnlich großen Zuschauerschnitt hätten“, stellen die Vorarlberger anderen die Rute ins Fenster.

"Da der/die beim FC Red Bull Salzburg mit diesem Bereich befassten Personen aktuell auf Urlaub sind und wir Ihnen deshalb keinen validen Antworten geben können, müssen wir das Thema bitte etwa zwei Wochen verschieben." - Red Bull Salzburg auf Anfrage von 90minuten.at

Denn: Durch einen höheren Stellenwert des Frauenfußballs steigt natürlich auch das Interesse auf der wirtschaftlichen Seite. Durch hohe Zuschauerzahlen profitieren nicht nur die Spielerinnen auf dem Platz von einer tollen Stimmung, jeder einzelne Sponsor habe automatisch eine viel höhere Reichweite und kann seine Produkte so noch besser vermarkten. Dass die Digitalisierung hier weitere Möglichkeiten bietet, versteht sich von selbst, weiß man im Ländle. Dadurch, dass nun Livespiele im TV übertragen werden, könne man den Wirtschaftspartnern die Spiele „greifbar“ und zugänglich machen, was ohne TV-Coverage erheblich schwieriger wäre, meinen die Niederösterreicher: „Erst kürzlich konnten wir eine bestehende Partnerschaft langfristig verlängern, was zeigt, dass der Zuspruch aus der Wirtschaft stimmt und wir uns auf dem richtigen Weg befinden.“

 

Die Zukunftswünsche

Der Weg ist noch nicht zu Ende gegangen. 90minuten.at hat alle Vereine gefragt, nur von den zwei erwähnten kamen Antworten. Es gibt also noch Entwicklungspotenzial. Was wünschen sich Altach bzw. St. Pölten abschließend für die Zukunft? Tobias Thies meint: „Die Breite ist das Fundament für eine starke Spitze. Nur gemeinsam schaffen wir eine ordentliche Grundlage und daher ist mein Appell an alle, egal ob Bundesligist oder 5. Landesklasse Verein, gebt dem Frauenfußball eine Chance!“

Und Matthias Scherner vom Serienmeister: „In Sachen heimischer Liga wäre es toll, wenn Vereine weiter in den Frauenfußball investieren und es dadurch zu spannenden Duellen auf dem Rasen kommt. Für den gesamten heimischen Fußball war es in der abgelaufenen Saison sehr förderlich, dass Sturm Graz das Titelrennen bis kurz vor Schluss offen halten konnte. Und es wäre auch ein schönes Zeichen, wenn Topspiele regelmäßig in großen Stadien gespielt werden können. Die Doppelspiele mit den Herren des SKN St. Pölten wurden bislang gut angenommen und werden auch in Zukunft wieder Einsatz finden. Ich denke, der Weg stimmt. Man muss dem Ganzen jedoch auch ein wenig Zeit geben, sich zu entwickeln.“

 

Licht und Schatten bei Rapid und Salzburg

An dieser Stelle kommen am Ende des Artikels noch einmal Licht und Schatten ins Spiel: Rapid hat immerhin vor wenigen Tagen ein Konzept für Frauenfußball bis 2024 angekündigt. Schließlich wurde für Rapids Geschäftsführung unter Christoph Peschek und Zoran Barisic der Druck der eigenen Basis zu groß. Bleibt zu hoffen, dass das Papier nicht zu geduldig ist.

Und Salzburg? 90minuten.at schickte dem österreichischen Serienmeister im Herren-Fußball einige Fragen zum Thema Frauenfußball. Die Antwort? "Da der/die beim FC Red Bull Salzburg mit diesem Bereich befassten Personen aktuell auf Urlaub sind und wir Ihnen deshalb keinen validen Antworten geben können, müssen wir das Thema bitte etwa zwei Wochen verschieben." So antwortet ein Klub mit über 100 Mio. Euro Budget. Auch so kann man erahnen, welchen Stellenwert Frauenfußball in diesem Klub derzeit hat. Es bleibt offensichtlich noch viel zu tun. 

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