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NÖ-Verband: „Es ist kontraproduktiv, spielberechtige Mädchen bei Burschen spielen zu lassen“

Fußballvater Thomas Stölner hat sich dafür eingesetzt, dass seine Tochter bei gleichaltrigen Burschen und somit ihrer Mannschaft mitspielen kann. Der Niederösterreichische Fußballverband könnte das ermöglichen, will das aber nicht.

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+ + 90minuten.at Exklusiv + + Von Georg Sander

 

Im Großen und Ganzen ist Frauenfußball im Kommen. Der Fußballbund ÖFB betreibt mit der planet pure Frauen Bundesliga das Premiumprodukt, es gibt ein nationales Leistungszentrum, Einzelinitiativen wie etwa das Testmatch der Wiener Sport-Club Frauen gegen die Kolleginnen des FC St. Pauli vor über 3.000 Fans im Frühjahr setzen Leuchttürme.

Doch abseits dessen gibt es auch Probleme. Im Fall von Thomas Stölner und seiner Tochter Susanne geht es darum, dass sie gerne noch weiter mit den Burschen beim lokalen Verein gespielt hätte. Der UEFA-B-Lizenz-Trainer wandte sich an 90minuten.at, um auf das Problem aufmerksam zu machen. Aus seiner Sicht gibt es mehrere Felder, die man ändern könnte, wenn man nur wollte. Das will der NÖFV nicht, wie er per Stellungnahme gegenüber 90minuten.at festhält.

 

Problemfeld Einsatzzeit?

Vorangestellt sei zu erwähnen, dass mögliche Änderungen von Verbandsseite her nicht mehr für Susanne relevant sein werden, sie wird dann zu alt sein. Seit eineinhalb Jahren hat sich Stölner dafür eingesetzt, dass seine Tochter über die U15/U16 hinaus mit ihrem Team weiter spielen kann.

In Deutschland etwa erlaubt der DFB ein gemeinsames Spielen bis zur B-Jugend/U17. In Österreich wäre das vonseiten des ÖFB möglich, letztlich muss der Landesverband jedoch zustimmen. Sportwissenschaftlich spricht wenig gegen ein gemeinsames Spielen. Hierbei geht es um Ausbildung, taktisches Grundwissen, abseits des Profifußballs. Die Mädchen-Ausbildung endet somit in Niederösterreich aber mit 15. Dann müssen sie, wenn es keine weiteren Nachwuchsmannschaften im Verein gibt, mit den Erwachsenen mitspielen.

Auf die Frage, warum der Landesverband nicht erlaubt, dass Mädchen bis zur U17 mitspielen dürfen, antwortet der Verband schriftlich in Person von Geschäftsführer Heimo Zechmeister: „Da der NÖFV flächendeckend in Niederösterreich Frauenmannschaften anbieten kann, ist es nach Meinung des Verbandes kontraproduktiv dort spielberechtige Mädchen bei Burschen spielen zu lassen, wo sie erwiesenermaßen zu sehr wenig Einsatzzeiten kommen.“

"Ab einem gewissen Alter besteht laut Meinung des NÖFV auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko für Mädchen, die mit athletisch und körperlich bereits fortgeschrittenen Burschen nicht mehr Schritt halten können." - NÖFV-Geschäftsführer Heimo Zechmeister

Stölner meint im 90minuten.at-Interview dazu, dass dies ja auch für Burschen gelte, wenn sie mit Kampfmannschaften zusammen spielen würden. Und im Fußball gilt vordergründig das Leistungsprinzip. Wenn ein U17-Trainer ein Mädchen hat, das besser ist als ein Bub, dann wird sie spielen.

Viele Mädchen würden dann zudem aufhören. Es geht im Amateur-Nachwuchsbereich auch nicht nur darum, dass man irgendwann den Sprung ins finanziell lukrative Ausland schafft, sondern um Freundschaften, Spaß an der Bewegung. Nicht für alle ist es möglich, nach der U15 zu einem Klub zu gehen, der ein Frauenteam hat. Susannes Vater erzählt beispielsweise: "Ein Mädel wollte nach der U15 weiter spielen, sie kommt aus einem kleinen Ort im Wienerwald. Der Verband erlaubt das nicht, ihre Eltern können sie nicht regelmäßig zum nächsten Frauenverein führen, sie wollte aber mit ihrer alten Mannschaft weiterspielen. Dann musste sie aufhören. Da ist viel Frust und Ärger dabei und manche lassen es dann sein.“

 

Problemfeld Teams?

Somit müssen in Niederösterreich Mädchen bei den Erwachsenen mitspielen. Der Verband meint dazu: „Es gibt bereits in zwei Jugendhauptgruppen Mädchenmeisterschaften und das Ziel ist natürlich auch in diesem Bereich eine Erhöhung der reinen Mädchenmannschaften in Niederösterreich.“ Stölner sieht das anders – die Mädchen würden ja sowie so weiter spielen und in den ersten Teams landen. Es gehe nur mit der Verzögerung, dass sie nach zwei weiteren Jahren Ausbildung, gemeinsam mit den Burschen, dorthin kommen. Die Aussagen von Stölner, der betont, auch viel Zuspruch von anderen Trainern und Spielern bekommt, illustrieren wiederum, dass so eher Mädchen aufhören, Fußball zu spielen.

"Man hört off record einfach Sexistisches.Wir haben es bei den Funktionären des NÖFVs oft mit alten, weißen Männern zu tun, 60 plus; die wollen das einfach nicht." - Thomas Stölner

Eine Einzelmeinung?

Auch das sieht der Verband anders: „Dieses Thema eines Spielerinnenvaters beschäftigt uns nun schon seit geraumer Zeit und ist unseres Wissens seine Einzelmeinung.“ Stölner widerspricht dem. Auch, dass das Thema lange Zeit beschäftigt, ist schwer nachvollziehbar. Der Verband soll sich erst nach der Aufforderung zur Stellungnahme vonseiten der Antidiskriminierungsstelle des Landes Niederösterreich, die Susannes Vater angerufen hatte, zu dem Thema gemeldet haben. Das Schreiben, das 90minuten.at vorliegt, wird im Interview behandelt.

 

Vorwurf Sexismus

Viele Argumente, die der NÖFV in der Beantwortung anführt, sind kontroversiell. So heißt es in der Beantwortung zu dem Thema vom Verband: „Ab einem gewissen Alter besteht laut Meinung des NÖFV auch ein erhöhtes Verletzungsrisiko für Mädchen, die mit athletisch und körperlich bereits fortgeschrittenen Burschen nicht mehr Schritt halten können." Dabei stellt sich die Frage, was der Unterschied ist, wenn die Mädchen mit erwachsenen Frauen gemeinsam Fußball spielen.

Stölner bringt noch andere Argumente ins Spiel, die er gehört haben will: „Man hört off record einfach Sexistisches. Einem ist das „peinlich“, weil Mädels ja schon mit 12 zum Teil einen Busen haben. Wenn die mit Burschen auf dem Platz herumlaufen, dann ist ihm das peinlich. Ein anderer hat gemeint, dass er ja gar nicht weiß, wie er es den Burschen vermitteln soll, wie sie hingehen sollen, wenn sie gegen Mädels spielen sollen. Ich weiß nicht, was er für Vorstellungen hat. Nach der Argumentation dürfte ein Mann nicht U-Bahn fahren, weil dort sind auch Frauen und dann greift er sofort hin.“ Konfrontiert mit diesen Vorwürfen, sagt Zechmeister: „Diese Aussagen sind uns nicht bekannt stammen nicht vom NÖFV.“

 

Warum eigentlich nicht?

Letztlich stellt sich die Frage, warum nicht erlaubt wird, das Mädchen im Nachwuchsbereich mit Burschen zusammen spielen dürfen. Thomas Stölner vermutet: „ Ich glaube, dass diese [oben genannten, Anm.] Geschichten dominanter sind. Wir haben es bei den Funktionären des NÖFVs oft mit alten, weißen Männern zu tun, 60 plus; die wollen das einfach nicht."

 

Das gesamte Interview mit Thomas Stölner:

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