Foto: © Martin König Juli

Trainingsarbeit in der Regionalliga Ost

Wie sieht die Trainingsarbeit bei einem Regionalligisten aus? Das schildert 90minuten.at-Taktikexperte Momo Akhondi im zweiten Teil der Serie "Mein Jahr in der Regionalliga Ost".

Mein Jahr in der Regionalliga Ost - Teil 1, Teil 2, Teil 3

 

Von Momo Akhondi

 

Sowohl Oliver Lederer als auch ich sind große Verfechter des Positionsspieles. Die strukturierte, ziel- und lösungsorientierte Gestaltung des eigenen Ballbesitzes spielt eine große Rolle in unserer Spielidee. Um dies möglichst erfolgsversprechend zu implementieren wird das Training nach diesen Prinzipien gestaltet. Jedes Training wird vollständig mit Ball absolviert, ein Löwenanteil der Einheiten wird in sogenannten „Rondos“ gestaltet, also mit mindestens zwei Mannschaften, die in einem verkleinerten Spielfeld Lösungen finden und diverse Vorgaben erfüllen müssen. Dabei werden eben bewusst keine isolierten Übungen eingeschliffen, sondern unter Zeit-, Raum- und Gegnerdruck immer wieder neue Spielsituationen simuliert, welche dementsprechend immer wieder neue Lösungen verlangen. Bei den Spielern ist dieses Training außerordentlich gut angekommen, denn die beteiligten Akteure dürfen sich dem widmen was sie am Liebsten machen: mit dem Ball Fußballspielen.

Ebenso wichtig war es uns, unsere Spieler in erfolgsversprechende Positionen zu bringen. Die Ideen und Prinzipien bleiben zwar stets gleich, das vorhandene Spielerpersonal ändert sich jedoch von Verein zu Verein. Dementsprechend wichtig ist es, sich den Gegebenheiten anzupassen und die Spieler in Situationen zu bringen, welche ihnen besonders liegen. In der Hinrunde hatten wir unsere einzige Muskelverletzung und unser flinker Parade-Flügelspieler Osman Ali fiel für mehrere Wochen aus. Nachdem Flügelangriffe in unserem Spiel eine große Rolle einnahmen und der hierfür wichtigste Spieler nicht zur Verfügung stand, entschlossen wir uns nach reiflicher Überlegung für eine Mittelfeldraute nach dem Vorbild von Red Bull Salzburg unter Marco Rose/Rene Maric. Mit dieser Raute gelangen uns drei Siege in Serie.

Bemerkenswert war dabei der Sieg gegen die zweite Mannschaft von Rapid Wien. Durch unsere Vorarbeit auf das Spiel, wussten wir über die verschiedenen Aufbauvarianten von Rapid Bescheid. Um hinten rauszuspielen, setzten die Jungrapidler unter Akagünduz einerseits auf einen abkippenden Sechser, andererseits kamen gegen hochpressende Gegner die gegnerischen Außenverteidiger entgegen und agierten sehr flach und unterstützend, um gegen den Gegner Überzahl herzustellen. Im Abschlusstraining vor dem Heimspiel gegen Rapid gingen wir dabei auf jede Aufbauvariante des Gegners im Detail ein. Bei flachen Außenverteidigern instruierten wir unsere Stürmer dazu breiter zu stehen als gewöhnlich, während die Achter in der Raute enger standen als sonst.

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Animierte Grafik zu unserem Pressing gegen tiefstehende Außenverteidiger – wenn die Außenverteidiger des Gegners tiefstehen, haben unsere Stürmer die Aufgabe breiter zu stehen, um diese anlaufen zu können. Die Achter in der Raute stehen dementsprechend enger und kompakter als üblich.

 

Kam ein gegnerische Sechser unterstützend zwischen die Innenverteidiger, versuchten wir dies mit dem Zehner in der Raute zu beantworten.

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Animierte Grafik zu unserem Pressing gegen einen abkippenden Sechser – baut der Gegner mit drei Spielern das Spiel auf, dann rochiert unser Zehner vor die beiden Stürmer und führt das Pressing an. Schieben die gegnerischen Außenverteidiger dadurch hoch, können sich auch unsere Achter wieder breiter positionieren.

 

Ich erinnere mich noch genau an dieses Abschlusstraining, denn es war das erste Training nach meiner bestanden Staatsprüfung. Am Freitag ging unser Plan voll auf, wir konnten durch unser Pressing aus der Raute den Gegner ein ums andere Mal in Verlegenheit bringen und erzielten das 1:0 nach einem hohen Ballgewinn im Gegenpressing. Das Pressing ging voll auf, der Gegner wurde schlussendlich mit 2:1 besiegt.

 

Unterschiedliche Spielerrollen

Eine andere Überlegung während der Saison war es unseren Linksverteidiger Luka Rajic, welcher sich vor Saisonstart einen Kreuzbandriss zugezogen hat und erst in der Wintervorbereitung einsteigen konnte, gänzlich anders einzubinden als unseren Rechtsverteidiger Mirza Jatic, welcher vor allem über seine athletischen Fähigkeiten ins Spiel findet. So spielten wir oft mit einem sehr hochstehenden, fast schon als Flügelstürmer agierenden, Rechtsverteidiger und einem sehr tiefstehenden, spielmachenden Linksverteidiger, welcher die Innenverteidiger im Spielaufbau unterstützen sollte.

Szenengrafik zu den unterschiedlichen Spielerrollen unserer Spieler gegen Bruck an der Leitha – Der Linksverteidiger Rajic ist in den Spielaufbau eingebunden, während der Rechtsverteidiger Jatic weit nach vorne schieben darf. Der linke Außenspieler Jusic kann dadurch sehr breit stehen, während der rechte Außenspieler Stojiljkovic in das Zentrum rochiert.

 

Durch die Implementierung des Positionsspieles, des spielnahen Trainings und der individuellen Einbindung der Spieler konnten wir sehr schnell große Fortschritte in unserem Spiel mit dem Ball erzielen. Ebenso schnell erreichten wir jedoch in der Rückrunde unseren Plafond. Vor allem bei Heimspielen haben im Frühjahr viele Gegner beschlossen sich tief in die eigene Hälfte fallen zu lassen und auf Konter zu lauern. Ballverluste wurden dadurch umso gefährlicher und es benötigte viel Zeit, um diese Anfälligkeit bei Gegenangriffen zu limitieren.

 

Fitness und Konditionierung in der Regionalliga

Wie bereits erwähnt, waren unsere Möglichkeiten in der Regionalliga äußerst begrenzt. Im athletischen, konditionellen und sportmedizinischen Bereich fehlt es in der Regionalliga oft an qualifiziertem Personal. In Traiskirchen stand uns ein sehr fähiger Physiotherapeut zur Verfügung, jedoch kein Mannschaftsarzt geschweige denn einen Athletikcoach. Dementsprechend waren Oliver Lederer und ich zum Improvisieren gezwungen. Um uns jederzeit ein Bild über den Fitnesszustand der Mannschaft machen zu können, nutzten wir ein subjektives Bewertungssystem, bei dem die Spieler mir nach jedem Training ihren körperlichen und geistigen Ermüdungsgrad auf einer Skala von eins bis zehn mitteilen mussten. Dabei wurden diese zunächst in die mannschaftsinterne Gruppe geschrieben, was jedoch dazu führte, dass sich die Mannschaftskollegen von den bereits übermittelten Werten beeinflussen ließen. Danach haben wir das System privater gestaltet und die Übermittlung musste fortan an mich persönlich erfolgen. Die ermittelten Daten wurden auf Excel in Tabellen übertragen und einerseits für jeden einzelnen Spieler, andererseits für jede einzelne Trainingswoche separat ausgewertet.

Durch diese subjektive Bewertungsskala war es uns möglich einen groben Überblick über die Intensität der jeweiligen Trainingseinheit und den Ermüdungsgrad jedes einzelnen Spielers zu erhalten. Das war bei unseren Spielern besonders wichtig, da viele Spieler neben dem Leben als Fußballer tagsüber berufstätig waren. Beispielsweise legten wir ein besonderes Augenmerk auf unsere zwei Parksheriffs, die tagsüber über 10 Kilometer gehen mussten. Wir setzten dabei außerdem auf die Kommunikation mit dem einzelnen Spieler und ermutigten die Spieler vor allem dazu mit uns in Kontakt zu treten und uns über ihren körperlichen Zustand zu informieren. Dementsprechend haben wir versucht, die Inhalte der Trainingswoche an die ausgewerteten Daten und das individuelle Feedback der Spieler anzupassen. War ein Spieler im roten Bereich der Bewertungsskala, versuchten wir die Belastung auf den jeweiligen Spieler individuell anzupassen. War die Intensität im Training zu monoton, wurde ein gezielter Trainingsreiz gesetzt.

Im Laufe der gesamten Saison gelang es uns dabei, lediglich ein einziges Mal auf einen Spieler aufgrund einer ernsthaften Muskelverletzung verzichten zu müssen, obwohl wir weder Zugriff auf teures Equipment hatten, noch spezifisches Personal engagieren konnten. Die Lösung waren teilweise improvisiert, erfüllten aber ihren Zweck. Natürlich hängt die Verletzungsprophylaxe auch von vielen anderen Faktoren ab, wie zum Beispiel die Regeneration nach einem Spiel und die Ernährung der Spieler. Wir hatten selbstverständlich nicht immer die Möglichkeit alle beteiligten Faktoren zu überwachen. Die sehr geringe Verletzungsrate war nichtsdestotrotz ein großer Erfolg für alle Beteiligten.

Die fehlende sportmedizinische Abteilung hinderte uns außerdem nicht daran drei Mal einen unserer Spieler gegen seinen Willen aufgrund eines Schädeltraumas auszuwechseln. Ich denke das ist etwas, was sich auch Profi-Vereine bei uns abschauen können, denn im Fußball haben wir, anders als in vielen anderen Sportarten, nach wie vor keine Concussion-Protokolle.

 

>>> Weiterlesen - Teil 3: Arbeiten mit Ex-Bundesligatrainer Oliver Lederer

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