Bickel muss zusammenkehren, was Krammer und Müller hinterlassen haben

Ein Jahr zum Vergessen für den SK Rapid Wien und seine Fans. Im Brennpunkt stand zunächst Sportvorstand Andreas Müller, dann das gesamte Management. Insgesamt eine bescheidene Saison für den SK Rapid Wien. Von Georg Sander

Mit großen Erwartungen war der SK Rapid Wien in die Spielzeit 2016/17 gestartet. Neues Stadion, neuer Trainer, teuerster Kader der Vereinsgeschichte, Mission 33, Kampfansagen, Testspielsieg gegen Chelsea, 5:0 gegen die SV Ried im ersten Spiel. Was dabei raus kam, ist bekannt. Der SK Rapid Wien hat in dieser Saison versagt wie schon lange nicht mehr, war zwischenzeitlich dem Abstieg nahe. Zentral dabei waren die Entscheidungen, die Sportdirektoren - oder wie immer sie auch heißen mögen - getroffen haben, bzw. Entscheidungen, die hätten getroffen werden sollen, wenn es denn zu diesem Zeitpunkt einen Sportdirektor gegeben hätte. Hat es aber im Spätherbst 2016 nicht.

Das Jahr der sportliche Verantwortlichen

Arnor Ingvi Traustason, Ivan Mocinic, als Ergänzungen teurer Natur zu einem Kader, der in der abgelaufenen Saison Zweiter geworden war. Andreas Müller hatte einen Kader zusammengestellt, der großes Potential hat. Aber die Spieler sollten nicht das größte Problem Rapids in dieser Saison sein; auch wenn man ganz ehrlich sagen muss, dass es sie waren, die die Saison gespielt haben. Doch das Management hat es ihnen freilich alles andere als leicht gemacht. Denn Müller entschied sich, mit Mike Büskens einen Haberer aus gemeinsamer Schalke-Zeit als Coach zu installieren. Das hatte ein Gschmäckle. Müller/Büskens funktionierte dann eher schwierig und die Ebene über Müller bekam im Herbst kalte Füße. Doch da wussten sie noch nicht, was noch kommen sollte.

Mit Büskens musste eben folgerichtig auch Müller gehen und dann fing die Misere erst so richtig an. Rapid-Präsident Michael Krammer kaufte den taktisch als versiert geltenden, aber auf reaktiven Fußball setzenden Damir Canadi aus dessen Vertrag beim SCR Altach. Sportdirektor Fredy Bickel wurde erst später installiert - und man merkte schnell, dass Bickel einen Canadi wohl nicht geholt hätte. Canadi gilt zwar als versierter Taktiktüftler, menschlich ist er aber ganz anders als seine Vorgänger Barisic und Büskens. Was der Kader letztlich hergibt, weiß man angesichts dieser Turbulenzen sowie eines durchaus außergewöhnlichen Verletzungspechs eigentlich gar nicht. Die Übersicht über Kommende und Gehende bietet wie immer Transfermarkt.at.

Eines darf man Müller zugute halten: Die als Annäherung an die Realtität zu verstehenden Markwerte konnten gesteigert werden und Rapid nahm offenbar nicht allzu viel Schaden aus dem Jahr mit. Das liegt wohl schon auch daran, dass sich teure Einkäufe wie Mocinic oder Traustason durch Verletzungen kaum selbst beschädigen konnten. Auch andere heiße Aktien hatten Glück. Philipp Schobesberger war verletzt, Louis Schaub vermochte am Anfang und am Ende der Saison doch ein bisserl was zu zeigen, Maximilian Wöber konnte sich als Youngster in der schwierigsten Phase, die der Verein seot Jahren durchmacht, toll entwickeln.

Eine weitere Erklärung für den hohen Marktwert ist aber wohl auch die Größe des Kaders. Im Winter konnte kaum abgespeckt werden, obwohl vier, fünf, sechs Spieler weniger durchaus kein Problem gewesen wären. Eine Aufgabe, der sich Fredy Bickel nun im kommenden Sommer stellen sollte und muss, da ein Kader dieser Größe ohne Europacup und mit den ganzen finanziellen Mehrbelastungen durch die Trainerwechsel unnötig viel Geld verschlingt.

Tops und Flops des letzten Jahres

Das Positive ist bei Rapid in dieser Saison schwer zu finden. Maximilian Wöber wurde von Canadi ein- und aufgebaut. Und der Ex-Altach-Trainer ist wohl der größte Flop der Saison. Wobei der auch nur eine Konsequenz aus schlechtem Management ist. Rapid hat sich Müller zuerst ausgeliefert, dann Canadi installiert und das zum wohl schlechtesten Zeitpunkt. Er konnte mit schwierigen Liga- und Europacupspielen zum Einstand quasi nix gewinnen und musste mit dieser Hypothek starten.

Freilich ist es gut, wenn es eine Vereinsführung gibt, die Ambitionen hat. Andere Klubs haben Angst vor dem Satz: "Wir wollen Meister werden." Klar ist es im Nachhinein auch immer leicht, Entscheidungen als falsch zu bewerten. Auf Managementebene war die Saison 2016/17 schlichtweg ein Flop, diese Kritik müssen sich Krammer und Peschek, die immer gerne im Vordergrund stehen, gefallen lassen.

Das 90minuten.at-Fazit zur sportlichen Leitung

Im Idealfall lernt Rapid aus den Fehlern dieser Spielzeit. Vor der Saison wurde zu viel geschraubt: Am Trainersessel, am Kader, an den Erwartungen. Während der Saison wurde ein Trainer geholt, der der ohnehin erst seit ein paar Jahren etablierten Spiel- und Vereinsphilosophie widerspricht. Diesen Scherbenhaufen muss nun vor allem Fredy Bickel zusammenkehren. Nicht nur aus Rapidsicht, sondern für den gesamten heimischen Fußball kann man sagen: Möge Bickel die Übung mit Djuricin gelingen!

 

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