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Hat Franz Wohlfahrt das Ende seiner Fahnenstange erreicht?

Zweiter Platz mit Respektabstand zu Red Bull Salzburg. Der Vizemeister hat ein passables Jahr hinter sich, das mit etwas mehr von allem noch positiver sein hätte können. 90Minuten.at checkt, wie sich die sportliche Leitung in der ablaufenden Saison geschlagen hat. Von Georg Sander

Im Jänner 2015 übernahm Franz Wohlfahrt die Agenden des Sportdirektors bei Austria Wien. Er folgte Thomas Parits nach, der freilich für den Übergang vom Stronach-Klubs zum eigenständigen Verein verantwortlich zeichnet. Keine leichte Aufgabe für Wohlfahrt, der als ehemaliger Deutschlandlegionär und Nationalteamtorwartcoach vor allem über seine Kontakte arbeiten sollte. Mit engem Budget und Kreativität kann sich die Arbeit von Wohlfahrt bisher in bestimmten Bereichen sehen lassen, auch wenn es in manchen Punkten Abstriche gibt.

 

Das Jahr des Franz Wohlfahrt

Eigentlich könnte man von einem ziemlichem Umbruch im Sommer sprechen. Mit Alexander Gorgon, Fabian Koch, Vance Sikov, Roi Kehat und Marco Meilinger verließen wichtige Stamm- und Kaderspieler den Verein. Doch Wohlfahrt wusste Ersatz zu holen. Felipe Pires konnte überzeugen, Petar Filipovic machte seine Sache wohl auch nicht schlechter als Sikov, Ismael Tajouri gab mehr als eine Talentprobe ab. Im Winter musste man von den wichtigen Spielern, beziehungsweise von jenen, von denen man hoffte, dass sie wichtig sein würden, nur Richard Windbichler ins ferne Südkorea ziehen lassen.

Kaderkorrekturen waren einerseits nicht notwendig, andererseits finanziell nicht drinnen. Etwas schleppend verläuft der Einbau des eigenen Nachwuchses. Nichts wäre ja billiger als Stammspieler, die man selbst ausbildet. Neben Dominik Prokop, der es in den Dunstkreis der Startelf geschafft hat, gibt es wenig zu vermelden. Ismael Tajouri konnte sich nach der Leihe zu Altach durchaus beweisen; Alexander Borkovic, Petar Gluhakovic und Michael Blauensteiner kommen auf sehr wenig Spielzeit. Will man den Weg mit eigenen Talenten beschreiten, muss auch der Wille her. Vor allem, wenn man dann mit Abdul Kadiri Mohammed (20) und Marko Pejic (21) erst recht wieder Spieler holt. Den gesamten Überblick über Transfers haben übrigens wie immer die Kollegen von transfermarkt.at.

19,6 Millionen Euro Kaderwert vermutete transfermarkt im Mai 2015, ein Jahr später waren es 20,2, nun sind es Mitte Mai 2017 nur noch 18,9 Millionen Euro. Zum Vergleich: Im Mai 2013, als die Austria zuletzt Meister werden konnte, betrug der Wert der Veilchen 19,8 Millionen Euro. Diese Zahlen sind freilich eher Indikatoren als die absolute Wahrheit, aber es zeigt, dass es wohl eher eine Frage der sportlichen Performance ist, als wer da auf dem Platz stehen mag.

Eine möglicherweise zulässige Lesart: Der für heimische Verhältnisse außergewöhnliche Peter Stöger vermochte mit einem ähnlich wertvollen Kader gleich mehr zustande zu bringen als de wankelmütige Thorsten Fink. Erschreckend ist eher die Machtlosigkeit gegen den Klassenprimus. 1:4, 1:3, 0:5 und 2:3 (nach glücklichster Zweitoreführung) gegen Red Bull Salzburg sprechen eine deutliche Sprache.

Zuckert man noch das Out in der Europa League darüber, dann muss man die Frage stellen: Liegt es an den Spielern oder am Trainer? Denn der zweite Rang soll nicht täuschen: In den letzten beiden Saisonen hatte Rapid mehr Punkte als die Austria diese; und dass bei Rapid nichts normal war, scheint auch gottgegeben.

 

Petar Filipovic hat sich neben Lukas Rotpuller gut eingelebt.

Tops und Flops des letzten Jahres

Gemessen an den Einsatzdaten sind es vor allem Felipe Pires und Petar Filipovic, die sich sofort das Prädikat Stammspieler anheften können. Die anderen Spieler, die im Sommer oder Winter kamen, spielten keine Rolle, sieht man von Rückkehrer Ismael Tajouri ab. Hier von Flops zu sprechen wäre aber wohl auch vermessen, da es sich eigentlich mehrheitlich um Perspektivspieler handelt. Einen „Flop“ im Wortsinne wurde man los. Der Routinier Ognjen Vukojevic beendete vor der Saison schon seine Karriere, nachdem er eineinhalb Jahre zuvor gekommen war und sich nicht richtig durchsetzen konnte. Als Flop allgemein könnte bezeichnet werden, dass die Veilchen in der Abwehr keinen absolut sicheren Innenverteidiger haben. Ob das nun zu negativ ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden

 

Das 90minuten.at-Fazit zur sportlichen Leitung

Gemischt. Franz Wohlfahrt und die, die ihm sein Budget bewilligen, sind an Selbstfallern oder möglicherweise taktischen und individuellen Fehlern nicht schuld. Immerhin wären sowohl ein Aufstieg in der Europa League ins Sechzehntelfinale drinnen gewesen, als auch weniger Abstand zu Meister Red Bull Salzburg. Aber das ist wohl eher eine Mentalitäts-, als eine Qualitätsfrage. Was im Grunde genommen doch auch eine Sportdirektorenaufgabe wäre. Wohlgemeint formuliert: Die Veilchen, Thorsten Fink aber auch Franz Wohlfahrt haben noch Luft nach oben. Man darf gespannt sein, ob der nächste Schritt 2017/18 erfolgen wird oder ob das Ende der Fahnenstange erreicht wurde.

  

>>> Weiterlesen: 7 Fakten zum Vizemeistertitel von Austria Wien

Markus Kraetschmer im 90minuten.at-Interview

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