Foto: © Screenshot Sky Sport Austria

„Das hätte der VAR overrulen müssen!“: Was der VAR darf und was nicht [Exklusiv]

Am vergangenen Spieltag gab es erneut Aufregung um einen nicht gegebenen Hands-Elfmeter. Viele Fans tobten: Das hätte der VAR doch sehen müssen. Während der ÖFB schweigt, klärt 90minuten.at auf.

++ 90minuten.at Exklusiv von Michael Fiala ++

 

19. Runde der Admiral Bundesliga, Lavanttal-Arena, Wolfsberg vs Ried, 85. Minute: Tin Plavotic köpfelt seinem Gegenspieler Michael Novak im Strafraum auf die ausgestreckte Hand. Das Regelwerk ist hier eindeutig: Wenn der Spieler seinen Körper verbreitet ist dies als Handspiel zu werten. Wie üblich gibt es sofort Aufregung und verständliche Proteste der Ried-Spieler. Kurz darauf schaltet sich auch der VAR Harald Lechner ein, der Szenen wie diese routinemäßig überprüft. Nach dem VAR-Check ist klar: Lechner empfiehlt Gerhard Grobelnik, dem Schiedsrichter auf dem Feld, ein On-Field-Review.

Grobelnik kommt der Aufforderung nach und sieht sich die Szenen am Bildschirm an. Nachdem er die Szene einige Male vorgespielt bekommen hat, trifft er die Entscheidung: Das Spiel wird mit einem Outeinwurf fortgesetzt – es gibt keinen Elfmeter. Der Schiedsrichter bleibt bei seiner ursprünglich getroffenen Entscheidung. 

 

Soziale Medien: „Schon wieder eine VAR-Fehlentscheidung“

Es dauerte nicht lange bis in den sozialen Medien die Diskussionen darüber voll entflammt sind. Allgemeiner Tenor: Schon wieder gibt es eine Fehlentscheidung des Videoschiedsrichters.

Was dann folgt, hat man seit der Einführung des VAR leider viel zu oft erlebt: Strittige Entscheidungen werden tagelang, manchmal sogar wochenlang nicht öffentlich kommentiert. Bestes Beispiel: Die eigens dafür eingerichtete Seite var-oesterreich.at - der letzte „aktuelle“ Newseintrag  ist von Runde 17 (siehe Screenshot). Inhaltlich zuständig für die Befüllung der Seite ist der ÖFB. Doch seit der Einführung des VAR schafft es der Verband viel zu selten, diese Seite auch aktuell zu halten.

Der letzte Eintrag auf der offiziellen VAR-Seite ist von Runde 17 vom 5. Dezember 2021

Mit ein bisschen Google-Recherche ist dann doch ein Statement zu diesem Vorfall zu finden. "Die Analyse der Szene durch die ÖFB-Schiedsrichterkommission hat ergeben, dass aufgrund der Körperverbreiterung – der Arm war im rechten Winkel vom Körper weggestreckt – auf Elfmeter zu entscheiden gewesen wäre“, heißt es dazu in einem Online-Artikel der OÖ Nachrichten. Auf der öffentlichen VAR-Seite findet man diese Information jedoch nicht.  

 

Warum der VAR in Wolfsberg nicht versagt hat

Dennoch: Die Fans werden mit den Diskussionen und den zum Teil falschen Interpretationen viel zu oft alleine gelassen. So wie auch in diesem Fall: Denn die finale Entscheidung, den Elfmeter nicht zu geben, ist kein Versagen des VAR.

"Tagelanges Schweigen, noch dazu wenn man sogar eine eigene Seite zu diesem Zweck betreibt, ist Produktbeschädigung. Diese Informationen zur Verfügung zu stellen, ist eine Bringschuld des ÖFB und keine Holschuld der Fans." - Michael Fiala

Ganz prinzipiell: Der VAR kann sich bei zwei verschiedenen Szenarien einschalten. Einerseits bei faktisch falsch getroffenen Entscheidungen, andererseits bei subjektiv interpretierbaren Ereignissen. Eine faktisch falsch getroffene Entscheidung ist zum Beispiel eine nicht geahndete Abseitsstellung mit einem darauffolgenden Tor. Wenn der VAR aufgrund der Überprüfung mit der Kalibrierung der Linien dann zu dem Schluss kommt, dass doch ein Abseits vorliegt, wird das Tor annulliert. Der Schiedsrichter auf dem Feld hat darauf keinen Einfluss.

Ganz anders ist die Situation bei subjektiv getroffenen Entscheidungen, wie jener in Wolfsberg. Auch in diesem konkreten Fall hat der VAR die strittige Szene überprüft und stellt die Bilder dem Schiedsrichter auf dem Feld zur Verfügung. Wie Eingangs bereits beschrieben, trifft Grobelnik dann jedoch die Entscheidung, keinen Elfmeter zu geben. Ganz wichtig dabei zu verstehen: Der VAR ist in dieser Situation nicht berechtigt, die Entscheidung zu overrulen. Das hat auch eine gewisse Logik: Wenn der Schiedsrichter auf dem Feld und der VAR zu unterschiedlichen Interpretationen kommen, kann man nicht darüber diskutieren, wer Recht hat. Der Schiedsrichter auf dem Feld hat daher bei diesen Entscheidungen die Letztverantwortung. Das ist auch international überall so geregelt.

 

Produktbeschädigung

Was bleibt über? Im konkreten Fall ist der nicht gegebene Elfmeter eine Fehlentscheidung eines Schiedsrichters, was nach Studium der Bilder auch den ÖFB-Verantwortlichen relativ schnell klar gewesen sein musste. Fehler passieren und sind menschlich. Der Verband ist jedoch gefordert, hier effizienter und vor allem schneller zu reagieren. Tagelanges Schweigen, noch dazu wenn man sogar eine eigene Seite zu diesem Zweck betreibt, ist Produktbeschädigung. Diese Informationen zur Verfügung zu stellen, ist eine Bringschuld des ÖFB und keine Holschuld der Fans.

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