Ralf, gut, dass du bleibst [Momentum am Montag]
Der DFB sucht zehn Monate vor der Heim-Europameisterschaft einen neuen Übungsleiter. Österreichs Teamchef ist Deutscher. Wird Ralf Rangnick einer möglichen Versuchung widerstehen?
+ + 90minuten.at PLUS – Von Georg Sohler + +
Das 1:4 Deutschlands gegen Japan und der folgende Rauswurf von Hansi Flick ist unser Momentum am Montag.
25 Länderspiele durfte Hansi Flick als Joachim Löw-Nachfolger als oberster deutscher Fußballlehrer wirken. Die WM-Qualifikation schaffte er souverän, was aber angesichts von Gegnern wie Rumänien, Nordmazedonien, Armenien, Island und Liechtenstein eine enden wollend große Aufgabe war. Vor der WM in Qatar fand die Nations League statt, man landete hinter Ungarn auf Rang 3. Kein Ruhmesblatt. Im Wüstenstaat mussten Flick und Co. dann nach der Vorrunde heim fahren, wie auch schon bei der WM 2014. Japan, Spanien und Costa Rica waren zu stark. Das Jahr 2023 ist hingegen historisch schlechte sechs Freundschaftsspiele, nur ein Sieg gegen Peru, ein Remis gegen die Ukraine, zuletzt drei Niederlagen in Folge. Nachfolgekandidat Nummer eins soll Julian Nagelsmann sein, Oliver Glasner wird auch genannt. Beide haben aktuell keinen Arbeitgeber. Und da wäre noch Ralf Rangnick, der sich anschickt, mit dem schon 2016 und 2021 als Außenseiter gehandelten Alpenland in Deutschland zu überzeugen.
Abgewunken
Es wäre schon verlockend. Rangnick wurde in Deutschland nie in der Art und Weise gewürdigt, wie er es sich wohl erhofft hat. Die Viererkette erklärt, mit Ulm überrascht, im Hinterkopf bleiben vor allem die Entwicklung des Pressings, zuerst in Hoffenheim, dann im Hause Red Bull. Nun mag Ralf Rangnick nicht als der einfachste Trainer gelten, das bekommt auch der ÖFB immer mal wieder zu spüren, aber er hätte seine Meriten verdient gehabt, um für die wichtigsten Posten Deutschlands – Bayern, Dortmund, Nationalmannschaft – infrage zu kommen. Der größte Klub, den er in Deutschland trainieren durfte, war Schalke 04. Rachegelüste wird er schon nicht haben, aber mit einer rot-weiß-roten Auswahl in seinem Heimatland für Furore zu sorgen, das wird ihm schon gefallen. Und ums Geld geht es mit Sicherheit auch nicht, sonst wäre er nicht in Österreich gelandet.
Himmelfahrt
Zwar wurde Österreich 2016 und 2021 schon als (sehr außiger) Außenseiter genannt, Titelkandidat ist man trotz Alaba und Co. nicht. Das Qualifizieren zur KO-Phase hat Franco Foda als Ziel schon erreicht, bereits ein Viertelfinale wäre allen guten Kickern und Rangnick zum Trotz eine wahre Sensation. Mit Deutschland spielt man aber um den Titel. Es hätte schon seinen Reiz. Allerdings ist es fraglich, ob man in wenigen Monaten aus einem am Boden liegenden, in vielen Bereichen doch überaltertem Team, einen Titelkandidaten formt, noch dazu mit einer sehr aggressiven und intensiven Taktik. Wer auch immer die DFB-Elf übernimmt, geht volles Risiko ein, ein paar Freundschaftsspiele und drei Gruppenphasen-Spiele vor dem eigenen Publikum an der Linie zu stehen und dann der große Gescheiterte zu sein. Wie eben Flick.
Reiz kommt später
Ralf Rangnick wird zum Jahresabschluss an der richtigen Seite stehen, das bestätigte er mittlerweile auch. Mit Österreich ist die Wahrscheinlichkeit auch höher, positiv zu überraschen. Die DFB-Nationalmannschaft braucht ohnehin einen groben Umbruch, den wird man in den paar Monaten vor der Europameisterschaft nicht hinbekommen. Wenn Österreich in Deutschland überrascht und es braucht dann einen neuen Teamchef, kann sich Rangnick ja noch immer damit befassen.
Und wenn nicht: Zur letzten WM sind Prohaska, Polster und Co. 1998 gefahren.