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Luftschloss „Meister Sturm Graz“ [Momentum am Montag]

Der SK Sturm Graz muss die Meistertitel-Träume begraben und kann sich auf den Cup-Sieg konzentrieren, denn Red Bull Salzburg war wieder einmal da, wenn es sein musste.

+ + 90minuten.at PLUS – Von Georg Sander + +

 

Das 0:2 des SK Sturm Graz gegen Red Bull Salzburg ist unser Momentum am Montag.

Bis auf zwei Punkte hatten sich die Blackies an die Bullen angepirscht. Sonntagsschlager beim Verfolger, eine lange Liste an Ausfällen beim Serienmeister. Eben jener startete mit einem Sieg beim schwächsten Meistergruppenteam und remisierte dann zweimal, gegen die Austria mehr als schmeichelhaft. Dazu Unruhe im Verein, eine Kabinenansprache der Geschäftsleitung, Abwanderungsgerüchte rund um den Trainer. Auf der anderen Seite zwei Siege, eine Niederlage, so gut wie keine Ausfälle am Tag X. Ist 2022/23 die Saison, in der die Regentschaft der Salzburger – sagen wir realistischerweise zumindest – unterbrochen wird?

 

Eiskalt

Die auf der relativen Erfolgsschwelle schwimmenden Grazer ließen sich aber vor ausverkauftem Haus die Schneid' abkaufen. Benjamin Šeško startete zu früh, sonst hätte es schon nach 25 Minuten 0:1 gestanden, Emanuel Emegha probierte zehn Minuten später, einen Elfmeter zu ziehen – wohl berechtigterweise zeigte Österreichs Topschiri Harald Lechner nicht auf den Punkt. Die Bullen behielten in dem körperbetonten Spiel am Feld die Oberhand, Sturm konnte die zweiten Bälle nicht wirklich erobern. Das hatte sie beim Heimsieg in Runde 2 noch ausgezeichnet. Nach dem Seitenwechsel kam es, wie es dann kommen musste. Sékou Koïta tankte sich durch, trotz einer Überzahl im eigenen Sechzehner schob Nicolás Capaldo just jener Spieler unbedrängt zum 0:1 ein, der in Salzburg im Cup-Elfmeterschießen das Out im KO-Bewerb besiegelt hatte. Nun musste Sturm aufmachen, bot mehr Räume, Šeško verwertete eine Hereingabe des eingewechselten Karim Konaté. Dieser gilt übrigens wohl als Nachfolger des Slowenen, es passt ins Bild des Tages. Die Grazer konnten nicht nachlegen und verließen mit hängenden Köpfen den Platz.

 

Folgerichtig

Wie schon in den letzten Jahren waren die Salzburger mit einer je nachdem bewundernswerten/ekeligen Kaltschnäuzigkeit just dann da, als sie die Punkteteilung näher an die Verfolger brachte. Und sie spielen eine wirklich gute Saison. In der Liga gab es erst eine Niederlage, im Cup flog man erst im Elferschießen raus, international brauchte es auch Chelsea, AC Milan und die AS Roma, um die Bullen zu besiegen. Nicht vergessen: das sind eine Champions League-Viertelfinalist, ein Halbfinalist ebendort sowie ein Europa League-Halbfinalist. Ja, Sturm hatte international Pech, keine Frage, aber Feyenoord und Midtjylland sowie in der CL-Quali Dynamo Kiew sind wohl schwächer als die Gegner der Bullen. National verließ man den Platz nun viermal als Verlierer. Just zweimal gegen den LASK, der den Blackies inzwischen im Nacken sitzt. Den Bullen fehlen zudem seit einigen Wochen die Topstürmer Fernando, Noah Okafor verletzte sich letzte Woche, dazu noch wichtige Unterschiedspieler wie Luka Sučić, der Millionen-Mann Lucas Gourna-Douath, Routinier Andreas Ulmer oder der für den im Winter abgewanderten Maximilian Wöber geholte Jérôme Onguéné sowie noch einige Talente. Sturm musste – abgesehen vom Abgang von Rasmus Højlund – nur länger auf Routinier Jakob Jantscher verzichten. Letztlich: Ohne der Punkteteilung hätte Salzburg vor dem Spiel am Sonntag 60 Punkte gehabt, bei deutlich besserem Torverhältnis (RBS: +39/Sturm +25). Jetzt hätten die Bullen sechs Runden vor Schluss recht uneinholbare neun Zähler Vorsprung. So sind es fünf, Sturm kann nicht mehr aus eigener Kraft Meister werden.

 

Vor Türen kehren

Zwar wollen die Blackies den Meisterteller noch nicht ganz nach Salzburg schicken. Dem Ligaformat sei es gedankt, dass es 25 Spieltage nach einem offenen Rennen aussah. So wird es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit der zehnte Meistertitel in Folge für Red Bull Salzburg. Ja, es waren am Sonntag nur zwei Punkte Vorsprung, aber noch immer ein Vorsprung. Dass das ein Titelkampf ist, ist klar. Aber vielleicht war vielerorts – auch medial – der Wunsch Vater des Gedanken. Sturm ist stark, Sturm kann das, diesmal wirklich. Anfang April war an dieser Stelle zu lesen: „Sturm muss eine gute Saison zu einer sehr guten machen, damit es dieses Mal wirklich zu einem Showdown bis zuletzt reicht.“ Offen oder unausgesprochen war aber wohl bei jedem der Wunsch da, dass die Salzburger Regentschaft endet.

Am Mittwoch-Abend treffen die Blackies um 18:30 auf die Wiener Austria, Salzburg spielt gegen Rapid. Wenn die Bullen einlaufen, wissen sie schon, ob sie zwei, vier oder fünf Punkte Vorsprung haben. Extramotivation werden die Salzburger in Hütteldorf wohl kaum brauchen. Sollte in Graz und Hütteldorf nichts Unerwartetes passieren, dann waren die Meisterträume von Sturm nicht viel mehr als Luftschlösser...

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