Stephan Reiter: „Das wäre das Ende vieler Klubs und Sportarten“

Im Interview mit 90minuten.at übt Stephan Reiter, Geschäftsführer Red Bull Salzburg, heftige Kritik an der Entscheidung der Ministerien zur Handhabung von Covid19-Fällen, spricht über die fehlende Perspektive für den gesamten Mannschaftssport, die für viele Strukturen das Ende bedeuten könnte.

Man kann keine Saison seriös zu Ende spielen, wenn zwei Mannschaften, die Betreuer, Schiedsrichter & Co für zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen.

Stephan Reiter

Man erlaubt uns zwar zu trainieren, aber nicht zu spielen. Das heißt, wir steigern unsere Kosten, können aber nichts einnehmen. Einfach ausgedrückt ist das  so, wie wenn ich einem Gastronomiebetrieb erlaube, seinen Koch anzustellen und zu kochen, aber die Zufahrt zum Restaurant verboten ist .

Stephan Reiter

++90minuten.at-Exklusiv ++ Das Gespräch führte Michael Fiala

 

90minuten.at: Am Donnerstag gab es das Treffen zwischen Bundesliga und den Ministerien. Wie beurteilen Sie die Erkenntnisse aus diesem Gespräch. Bundesliga-Vorstand Ebenbauer hat ja mit Ernüchterung reagiert …

Stephan Reiter: Da hat sich für uns die gleiche Ernüchterung eingestellt und gleichzeitig eine gewisse Verwunderung bzw. Enttäuschung über das Feedback der Ministerien. Da gibt es schon das große Fragezeichen, wie wir seriös weiterplanen sollen. Das betrifft aber nicht nur den Profisport. Mit dieser Entscheidung wird der gesamte Mannschaftssport in Frage gestellt. Ein Spielbetrieb für den Mannschaftssport ist damit nicht nur jetzt sondern auch perspektivisch nicht möglich.

War dieses Feedback speziell vom Gesundheitsministerium so zu erwarten?

Wir waren sehr konstruktiv und produktiv in den vergangenen Wochen und haben unter Rücksicht der gesundheitlichen Entwicklungen ein Konzept erstellt. Es gab dann zunächst das positive Feedback des Sportministers Werner Kogler. Und dann folgte das Meeting am Donnerstag mit den beiden Ministerien. Da fragt man sich dann schon, ob sich Kogler und Anschober vorher ausgetauscht haben. Und man darf sich zudem auch fragen, wie wichtig es für die beiden Herren ist, wenn keiner von beiden bei dem Gespräch dabei war.

 

Wie geht es jetzt weiter?

Wir werden jetzt natürlich intern in den Gremien das Feedback der Ministerien diskutieren. Eines ist aber klar: Mit den am Donnerstag geäußerten Rahmenbedingungen ist eine seriöse Planbarkeit nicht möglich. Unser Konzept hätte ja eine äußerst umfassende PCR-Testung der Personen vorgesehen. Warum müssen dann alle Spieler in Quarantäne gehen, wenn wir ohnehin so umfassend testen?

Aber ein Spielbetrieb unter den aktuellen Voraussetzungen ist damit in weite Ferne gerückt, oder?

Ja, man kann keine Saison seriös zu Ende spielen, wenn zwei Mannschaften, die Betreuer, Schiedsrichter & Co für zwei Wochen in Quarantäne gehen müssen.

 

Wäre es eine denkbare Möglichkeit, dass man die gesamte Mannschaft präventiv in Isolation versetzt und die Saison dann fertig spielt?

Das war offensichtlich auch eine Denkvariante aus Sicht der Ministerien bei dem Gespräch am Donnerstag. Man muss sich das dann vorstellen, dass man die betroffenen Personen, also Kader, Betreuer, Schiedsrichter, etc. für sechs Wochen isoliert. Das ist aus meiner Sicht nur ein theoretisches Modell, aber in der Praxis nicht umsetzbar. Zudem muss man dann überlegen, wie geht man mit den Familienmitgliedern der Spieler um, was passiert mit anderem Personal wie Ärzten, die neben den Klubs auch noch andere Jobs in Spitälern, etc. haben. Also ich halte das für eine nicht durchführbare Variante.

 

Wie sieht die Perspektive daher aus?

Wir bleiben natürlich intensiv an dem Thema dran. Aber man muss schon klar feststellen: Wir haben unser Anliegen in Form des Konzeptes mit entsprechender Sorgfalt erstellt. Mit dem aktuellen Feedback der Ministerien muss man klar sagen, dass Mannschaftssport, egal ob Fußball, Beachvolleyball, Handball, etc., so erst dann möglich sein wird, wenn es eine Impfung gibt. Das wäre das Ende vieler Strukturen, Klubs und Sportarten. Man darf nicht aus Sicht der Ministerien uns  eine Karotte vor die Nase hängen und diese dann wegziehen. Wenn die Regierung die Lage so beurteilt, sollte sie es klar sagen und nicht Hoffnung machen, wo es keine gibt. Möglicherweise sind aber auch nicht alle Vorteile unseres Konzeptes bei den beiden Ministerien so angekommen.

 

Welche Vorteile meinen Sie?

Wir haben parallel dazu angedacht, dass wir die Saisonfortsetzung mit Geisterspielen wissenschaftlich begleiten lassen. Das heißt, dass der Fußball als Wegbereiter für viele andere Mannschaftssportarten in Zeiten von Covid19 dienen könnte. Mit den Erkenntnissen der Wissenschaft in den kommenden Wochen könnte man auch anderen Sportarten wieder in die Spur helfen.

 

Wattens-Manager Köck meinte zuletzt: "Wir wollen nicht die Ersten sein, die in Europa wieder kicken und dann haben wir ein zweites Ischgl!". Was halten Sie von solchen Aussagen?

Ich glaube, wir müssen natürlich mit Sorgfalt vorgehen. Aber gleichzeitig muss man aktuelle Infektionszahlen in Relation zur Bedrohung stellen und sich überlegen, wie Mannschaftssport wieder möglich sein kann. Aufgrund unseres Konzepts, das wir wie schon vorher erwähnt auch wissenschaftlich begleiten lassen würden, könnte man Entscheidungen für die Zukunft treffen. Es stellt sich für mich eine zentrale Frage: Wenn wir es jetzt nicht hinbekommen, was soll dann im September anders sein? Wir haben aktuell weniger als 2.000 Infektionen, irgendwann müssen wir damit lernen, umzugehen und eine Perspektive für den Mannschaftssport schaffen. Man darf ja auch nicht vergessen, welche Wirtschaftsleistung mit zehntausenden Arbeitsplätzen hinter dem Fußball steckt.

Die Fans zeigen sich bezüglich Geisterspiele auch nicht vollends glücklich. Laut unserer 90minuten.atUmfrage gibt es eine relativ knappe Mehrheit, die sich für Geisterspiele und eine Fortsetzung der Saison ausspricht. Ist vielen Fans der Ernst der Lage nicht bewusst?

Es muss allen beteiligten Personen - Fans, Mitarbeitern, etc. - klar sein, dass es eine österreichische Fußballbundesliga ohne Spielbetrieb ab Herbst in dieser Form wohl nicht mehr geben wird. Mit Geisterspielen können wir die aktuelle Situation wenigstens in irgendeiner Art und Weise erträglich machen. Klar, ist das keine Ideallösung. Aber ich sehe das ähnlich wie bei Gastronomiebetrieben. Auch diese stellen zum Teil ihre Konzepte um, weil die ursprüngliche Form nicht mehr möglich ist.

 

Wie sieht das aus der Sicht von Salzburg aus: Wäre die Fortsetzung der aktuellen Saison mit Geisterspielen ein finanzieller Gewinn?

Es ist auf jeden Fall ein Gewinn für den Sport an sich, den Fußball und den gesamten Mannschaftssport. Wenn wir wieder spielen, ermöglichen wir ja auch allen  Klub-Mitarbeitern und vielen anderen Menschen, die im Sport tätig sind, wieder arbeiten zu dürfen . Zudem reden wir  über die verbliebenen Einnahmen wie TV-Rechte aber auch Sponsorengelder. Wenn wir den Spielbetrieb einstellen, versiegen auch diese Quellen.

 

Am Freitag sollen die Klubs die adaptierten Unterlagen für die Lizenzierung abgeben. Kann man diese Unterlagen überhaupt seriös gestalten?

Aufgrund des aktuellen Feedbacks von letzter Woche ist dies extrem schwierig geworden. In den Lizenz-Unterlagen hatten wir zwei verschiedene Szenarien vorgesehen: Geisterspiele jetzt bis in den Herbst oder Geisterspiele nur bis zum Ende der Saison. Es gibt aber kein Szenario, wenn der Betrieb der Meisterschaft ausgesetzt wird. Durch das Feedback der Politik bezüglich der Quarantänemaßnahmen nimmt man uns jede Perspektive. Man erlaubt uns zwar zu trainieren, aber nicht zu spielen. Das heißt, wir steigern unsere Kosten, können aber nichts einnehmen. Einfach ausgedrückt ist das  so, wie wenn ich einem Gastronomiebetrieb erlaube, seinen Koch anzustellen und zu kochen, aber die Zufahrt zum Restaurant verboten ist .

 

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