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Alex Pastoor: "Ich habe keine Angst, dass wir nach Corona von vorne anfangen müssen"

Wie jeder andere Klub und ganz Österreich steht der SCR Altach vor einer großen Herausforderung. Cheftrainer Alex Pastoor schildert im 90minuten.at-Interview die Ereignisse der letzten Tage und spricht über Sidney Sam, einen Spieler mit Flair - und das Weiterarbeiten.

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In der letzten Woche überschlugen sich die Ereignisse wegen des Corona-Virus. Im Interview mit 90minuten.at gibt SCR Altach-Trainer Alex Pastoor einen tiefen Einblick in die Vorgänge. Er selbst ist daheim in den Niederlanden, die Kicker sind auch zuhause. Doch wie arbeitet man, wenn Social Distancing angesagt ist und gemeinsame Trainings verboten? Darüber hinaus erklärt Pastoor auch die besondere Rolle von 'Flair-Spieler' Sidney Sam und welche sportlichen Ziele es gibt, wenn die Liga weiter gehen sollte. 

 

90minuten.at: Herr Pastoor, Sie befinden sich gegenwärtig zuhause in den Niederlanden. Der Fußball macht Pause, wie kam es für Sie zu dieser Entscheidung?

Alex Pastoor: In den letzten Tagen haben wir uns öfters zusammen gesetzt. Am Donnerstag hatten wir eine Besprechung mit den Spielern, da waren die Ligaspiele schon abgesagt, dann hätte es die Testspiele geben sollen. Wir hatten ein Programm bis zur Länderspielpause zusammen gestellt, zwischen dem Donnerstagnachmittagstraining und Freitagvormittag wurde dann klar, dass auch die Testspiele nicht stattfinden werden. Am Freitag in der Früh kamen die Spieler und sie meinten, dass sie lieber heim wollen, in die Steiermark, ins Burgenland oder nach Deutschland und so weiter. Sie haben sich nicht ganz wohl gefühlt. Schon am Donnerstag habe ich ihnen gesagt, dass sie flexibel sein müssen, auf alles vorbereitet sein sollen und das Programm durchziehen sollen. Ich wollte dann das Vorbild sein und meinte, dass wir unabhängig von der Politik unsere eigenen Entscheidungen treffen. Das heißt, jeder geht heim, fühlt sich wohl und bekommt ein Heimprogramm. Dann warten wir auf das, was die Regierung sagt. Jetzt ist Montag und auch in Holland nehmen die Beschränkungen zu. Ich bin sehr zufrieden mit der Entscheidung, die wir für Spieler und Betreuer getroffen haben. Wir sind alle in engem Kontakt miteinander, wenn sich etwas ändert, treffen wir neue Entscheidungen. Es kann jeden Tag eine neue Realität geben, an die man sich anpassen muss.

 

90minuten.at: Altach war durch Jan Zwischenbrugger das erste Team, das mit Corona in Berührung gekommen ist, die Spieler waren offenbar verunsichert.

Pastoor: Mit Jan Zwischenbrugger hatte das nichts zu tun, er hatte keine Symptome, hat sich nie unwohl gefühlt. Man muss auch ehrlich sagen, dass es zu dem Zeitpunkt noch anders ausgesehen hat. Ich glaube, dass wir das alles am Anfang etwas unterschätzt haben. Jetzt realisieren wir, dass es wirklich ernst ist. Die Maßnahmen sind nicht für Einzelne, sondern für alle. Junge Menschen sollen auf Ältere aufpassen. Ich glaube, dass die Gesellschaft das mittlerweile gut verstanden hat.

"Ich bin bereit und auf das was kommt vorbereitet, auch wenn wir nicht wissen, was das ist. Die Optionen gehen von Durchspielen im Mai bis zur Totalabsage." - Alex Pastoor

90minuten.at: Ihr Kollege Markus Schopp (>> Interview mit dem Hartberg-Trainer) meinte, Fußball sei eben eine Nebensache. Dennoch wird der Ball wieder rollen. Wie soll man mit dieser nicht fertigen Saison umgehen?

Pastoor: Für mich ist das ganz einfach: Die Spieler und Betreuer sollen sich vorbereiten, was auch immer kommt. Wir müssen körperlich in einem guten Zustand bleiben, alle Spieler haben in den Bereichen Kondition und Kraft ein Einzelprogramm bekommen. Wenn es eine Entscheidung gibt, ist es wichtig, wieder anzufangen und dann gibt es ein Ziel. Den Sportler dann in einen guten mentalen Zustand zu bekommen ist nicht so schwierig. Ich bin bereit und auf das was kommt vorbereitet, auch wenn wir nicht wissen, was das ist. Die Optionen gehen von Durchspielen im Mai bis zur Totalabsage.

 

90minuten.at: Die Spieler können sich zuhause fit halten. Was ist mit gruppentaktischen Überlegungen? Muss man dann unter Umständen wieder bei null anfangen?

Pastoor: Wenn dem so wäre, hätte ich nicht ordentlich gearbeitet. Die neuen Spieler haben sich eingefügt. Sie wissen, wie wir spielen wollen, haben unser Level auch erhöht. Ich habe keine Angst, dass wir so weit vorne anfangen müssen. Wir waren aber auch körperlich, mental und technisch-taktisch sehr gut drauf, diesen Umstand wollen wir nicht verlieren. Ich habe aber keine Angst.

"Ich mag solche Typen. Sie sind keine Rolemodels, aber er weiß, was ich von ihm fordere, er kennt den Rahmen, innerhalb dessen er sich befindet und auch seine Freiheiten hat. Wenn er effizient ist, jammert keiner." - Pastoor über Sidney Sam

90minuten.at: Sportchef Möckel bemängelte eine fehlende Hiearchie. Ist das der Grund, warum der Saisonstart nicht zufriedenstellend verlief?

Pastoor: Das stimmt. In jeder Gesellschaft hilft Hierarchie. Es soll klar wer führt und wer folgt. Und auch wer das Spiel macht und wer das Spiel bedienen soll. Der Saisonstart selbst war gut, wir hatten eine gute Vorbereitung. Die ersten Spiele waren gut, eigentlich bis zum Oktober. Wir haben zu wenige Punkte geholt, dann gab es eine Phase, da haben wir auch nicht gut gespielt, aber auch nicht schlechter als unsere Gegner. Der Grund war einfach: Wir hatten drei sehr schwere Verletzungen: Netzer, Diakite und Meilinger. Für die Mannschaft war das ein unglaublicher Rückschlag, sie waren in vielerlei Hinsicht unsere besten Spieler. Trotz der Verletzungen haben wir sehr gut gespielt. Aber wir haben in beiden Sechzehnern zu wenig Qualität geliefert. Wir haben schwach verteidigt, haben unglaublich viele individuelle Fehler gemacht. Nicht nur defensiv, sondern auch im eigenen Spielaufbau. Das hat uns Tore und somit Punkte gekostet. Wir haben uns auch zu wenig Chancen erarbeitet, das hätten wir aufgrund unseres Positionsspiels schaffen müssen.

 

90minuten.at: Wie hoch ist der Anteil von Sidney Sam?

Pastoor: Mit ihm haben wir einen Spieler, der ein Spiel entscheiden kann. Er kann den vorletzten und den letzten Pass spielen und schießt Tore. Es gibt in der Liga wenige Spieler, die im eins gegen eins gut sind. Er ist eins gegen eins und eins gegen zwei gut. Das nützen wir aus. Er verliert zwar auch oft den Ball, aber wir akzeptieren das, weil wir wissen, dass es sehr effektiv ist, wenn ihm etwas gelingt. Im Herbst hat man klar gesehen, dass er das aufgrund seiner körperlichen Lage nicht ständig bringen kann. Er wurde immer besser, konnte sich an die Mannschaft anpassen und sie an ihn. Dadurch wurde seine Anteil immer größer. Das konnte man schon vor der Winterpause sehen. Wir haben auch gepunktet, da wurde es für alle auffällig, wir haben das vorher schon registriert. Im neuen Jahr wurde es noch besser. Er ist ein wichtiger Spieler, er hat Flair und spielt mit Eiern, das mag ich sehr. Wenn eine Aktion ab und zu nicht gelingt, kann ich eben damit leben. Das haben alle Spieler gut verstanden.

 

90minuten.at: Er ist ein Typ, der auch einmal einen knackigen Sager raus lässt. Ist er auch innerhalb des Teams ein Leader?

Pastoor: Ich mag solche Typen. Sie sind keine Rolemodels, aber er weiß, was ich von ihm fordere, er kennt den Rahmen, innerhalb dessen er sich befindet und auch seine Freiheiten hat. Wenn er effizient ist, jammert keiner. Ich weiß ja, wie das funktioniert. Aber Spieler mit so einem Flair und Stärken im eins gegen eins, die müssen einfach eine spezielle Position im Team haben. Meilinger kann das auch. Solche Spieler geben einer Mannschaft Selbstvertrauen. Viele Trainer haben es lieber, wenn alle gleich sind, sie nie etwas sagen, zuhören und machen, was ihnen vorgegeben wird. Aber jeder Spieler soll seine eigenen Qualitäten ausnützen.

 

90minuten.at: Mit ein paar Pünktchen mehr, hätte man es in die Meistergruppe geschafft, 2020 wurde zwei Mal remisiert. Trauern Sie einerseits Goalgetter Mergim Berisha, andererseits diesen Punkten nach?

Pastoor: Normalerweise könnten wir auch oben dabei sein. Aber das Zurückschauen finde ich in diesem Bereich nicht so sinnvoll. Wir haben in den letzten Spielen vor der Winterpause mit einigen Spielern auf anderen Positionen gespielt und das hat der Mannschaft geholfen. Aber ich denke immer realistisch: Ich muss mit den Spielern arbeiten, die da sind, mit den anderen kann ich nicht rechnen. Egal ob sie verkauft werden oder ausgeliehen, verletzt oder gesperrt waren. Mit denen rechne ich nicht. Das spart mir viele Sorgen. Wenn wir 15 Verletzte haben, bleiben nur elf übrig und dann ist es einfach, eine Aufstellung zu machen, oder?

 

90minuten.at: Lassen wir also die Vergangenheit, schauen wir in die Zukunft, in der die Saison zu Ende gespielt wird. Wie lautet Ihr Ziel?

Pastoor: Die vier Punkte Unterschied vom Ersten zum Letzten zeigt natürlich, dass diese Zweiteilung für ein Land wie Österreich eine sehr gute Lösung ist. Es bleibt bis zum Schluss spannend und so sollte Sport sein. In Holland wäre das fast unmöglich, aber in Österreich, der Schweiz, Dänemark – für diese Ligen ist das gut. Es zeigt aber: Es kann in beide Richtungen gehen. Man muss dann körperlich gut drauf sein, es wird viele Spiele in kurzer Zeit geben. Man muss auch mental gut drauf sein. Unser Ziel ist ganz einfach: Wir versuchen jedes Spiel zu gewinnen und dann sehen wir, was das für die Tabelle bedeutet.

 

90minuten.at: Aber Altach hat doch eigentlich weniger Druck als die große Austria.

Pastoor: Das kann schon sein. Ich weiß nicht, ob es dort Druck gibt. Ich beschäftige mich mit Altach und fordere viel von mir, den Betreuern und den Spielern. Diese Erwartungen an uns selbst müssen wir erfüllen. Die Erwartungen anderer sind nicht so wichtig.

 

90minuten.at: Wir danken für das Gespräch!

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