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Markus Schopp: "Das macht einen hilf- und ratlos"

Der Coach des TSV Hartberg spricht im 90minuten.at-Interview über die aktuelle, schwierige Situation mit Fußball und dem Corona-Virus - er blickt aber auch auf die bisherige Fußballsaison zurück und weiß, wer Meister wird.

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Das Corona-Virus hat bekanntlich auch vor der Bundesliga nicht halt gemacht. Stand heute gibt es eine Pause statt die finale Phase. Das stellt die Klubs in mehrerlei Hinsicht vor große Aufgaben. Das betrifft zunächst den persönlichen Umgang mit der Situation und die Trainingssteuerung. TSV Hartberg-Trainer Markus Schopp spricht im Interview über diese Aspekte. Aber es wird vermutlich - zumindest gibt es heute, Samstagmittag, noch keine anderen Anzeichen - irgendwann wieder weiter gehen. Darum hat 90minuten.at mit Schopp auch über die bisherige Saison der Steirer gesprochen sowie über seine persönliche Zukunft.

 

90minuten.at: Herr Schopp, beginnen wir mit dem bestimmenden Thema. Die Liga hat eine verordnete Pause von zumindest zwei Runden. Wie stehen Sie zu der Entscheidung?

Markus Schopp: Ich bin Trainer und kein Arzt. Das möchte ich klarstellen. Aufgrund der Informationen, die ich habe, halte ich das für die absolut richtige Entscheidung.

 

90minuten.at: Wie hat die Mannschaft das Thema aufgenommen?

Schopp: Der Motor muss weiter laufen. Aber ich war weder als Spieler, noch als Trainer mit einer derartigen Situation konfrontiert. Das macht einen hilf- und ratlos. Im Fußball hieß es bislang immer, dass es geht, egal was ist. Ich möchte nur an den Anschlag auf den BVB erinnern, die haben am nächsten Tag spielen müssen. Wir haben damals mit der Nationalmannschaft unter schwierigen politischen Bedingungen in Israel spielen müssen. Speziell im Fußball hatte man immer das Gefühl, dass das schon irgendwie geht. Jetzt ist das nicht so. Es muss jetzt ernst genommen werden. Meine Spieler hatten das in der Form auch nicht. Die Auswirkung ist schon so, dass wir in der Trainingssteuerung eine Periode hatten, da wussten wir, wie wir die Inhalte drauf abstimmen. Jetzt gibt es diesen Einschnitt und das Trainerteam ist gefordert. Wir müssen die Dinge neu ordnen. Es kann sich derzeit alles schnell verändern. Es gibt so viele Variablen, viel Unklarheit.

"Wir reden von Fußball, das ist eine nette Nebensache. Ich habe nach wie vor gute Kontakte nach Brescia in Norditalien, wir können uns nicht vorstellen, was dort für eine Ausnahmesituation herrscht. Da rückt Fußball ganz weit in den Hintergrund." - Markus Schopp

90minuten.at: Provokant gesagt rennen die Fans den Klubs nicht gerade die Tür ein. Da hätte man zumindest für das TV-Publikum spielen können, oder?

Schopp: Das kann man so nicht sagen. Ich nehme Salzburg mal raus, aber alle anderen sind abhängig von Zuschauerzahlen. Ohne die Fans tun wir uns extrem schwer, das betrifft wohl nicht nur Hartberg. Da geht es um Existenzen, nicht nur im unmittelbaren Spielbetrieb, sondern auch im Umfeld.

 

90minuten.at: Noch ist nicht abzuschätzen, wie lange die Pause dauert, die Corona-Krise könnte länger dauern. Ganz offen: Was soll der Fußball tun, wenn es sich nicht ausgeht?

Schopp: Wir reden von Fußball, das ist eine nette Nebensache. Die interessiert viele Leute, aber es ist trotzdem nur Fußball. Sollten die Gremien entscheiden, dass das der nächste Schritt ist, muss das von allen mitgetragen werden. Man muss auf alles vorbereitet sein. Ich habe nach wie vor gute Kontakte nach Brescia in Norditalien, wir können uns nicht vorstellen, was dort für eine Ausnahmesituation herrscht. Da rückt Fußball ganz weit in den Hintergrund. Das sollte man wissen, um es einordnen zu können.

 

90minuten.at: Umgekehrt kommt die Pause nicht ungelegen. Der letzte Sieg datiert von 7. Dezember. Was ist seither passiert?

Schopp: Um die Wahrheit zu sagen: Jeder, der unser Frühjahrsprogramm kannte, wusste, dass es ein beinhartes Frühjahr wird. WAC auswärts, Rapid daheim, LASK auswärts und WSG Tirol daheim – das war ein Programm, das für jeden schwer ist. Ich sage, dass das eine die Resultate sind, das andere die Leistungen. Wir haben recht gute Leistungen gebracht, in einem Bezug war es aber anders als im Herbst: die Qualität der Torabschlüsse. Es gab in fast allen gute Möglichkeiten für den Torabschluss, im Vergleich zum Herbst haben wir zu wenige Tore gemacht. Zudem haben wir zu leicht Tore bekommen. Was auch ärgerlich ist, dass wir – mit Ausnahme des Spiels gegen Rapid – nach Gegentoren nicht gut reagiert haben. In Wolfsberg waren wir binnen Minuten 0:2 hinten, beim LASK haben wir in zehn Minuten die Tore bekommen, gegen Tirol ebenfalls. Die Reaktion nach dem Tor ist etwas, wo man genau hinschauen muss. Das haben wir auch sehr genau analysiert. Wir wissen zwar, dass wir in unserer Spielanlage ein großes Risiko gehen, die Tordifferenz lügt da ja nicht. Wir bekommen viel zu viele Tore. Unsere Tore sind unsere Möglichkeit, uns zu behaupten, das ist aber in die andere Richtung gegangen. Mit diesem Thema müssen wir uns beschäftigen und sehr detailliert analysieren.

"Wir haben 23 Punkte gegen die Mannschaften aus der unteren Gruppe gemacht. Es ist auch eine Qualität, Punkte gegen direkte Konkurrenten zu sammeln. An denen muss man sich als Hartberg orientieren und das werden wir auch in Zukunft machen müssen. " - Markus Schopp

90minuten.at: Ihre These wird dadurch konterkariert, dass fünf der acht Saisonsiege mit einem Tor Unterschied ausfielen.

Schopp: Das heißt ja nicht, dass wir uns mit unserer Risikobereitschaft mit vielen Toren belohnen. Was wir in Hartberg immer hatten, war, dass wir präsent sein wollen. Das kann auch bitter bestraft werden. Gegen den LASK waren es fünf Tore, gegen Salzburg sieben, gegen die Austria fünf – Wir reden hier von 17 Gegentreffern in drei Spielen! Das ist einfach viel zu viel und wir wissen das. Schon im Vorfeld wussten wir, dass das ein Thema sein kann und umso leichter ist es in der Analyse, das konkret mit den Spielern zu besprechen. Ganz falsch kann unser Weg mit 29 Punkten nach 22 Runden nicht gewesen sein. Wenn man tiefer geht, wissen wir, wo unsere Themen sind und wie wir uns damit auseinandersetzen müssen.

 

90minuten.at: Hartberg profitiert von der Schwäche anderer Klubs, allen voran der Austria, gegen die jetzigen Gegner reichte es ja nur zu einem Sieg und drei Remis. Gilt es taktisch zu adaptieren?

Schopp: Das stimmt. Wir haben 23 Punkte gegen die Mannschaften aus der unteren Gruppe gemacht. Es ist auch eine Qualität, Punkte gegen direkte Konkurrenten zu sammeln. An denen muss man sich als Hartberg orientieren und das werden wir auch in Zukunft machen müssen. Die Tatsache, dass wir es in die Meistergruppe geschafft haben, ist aber auch der Tatsache geschuldet, dass wir gegen die großen Vereine immer wieder versucht haben, es mutig anzulegen. Die Resultate sprechen da eine klare Botschaft. Unser Ziel jetzt muss sein, die Anzahl an Gegentoren zu minimieren und dementsprechend zu versuchen, im Defensivverhalten weniger risikoreich und strukturierter zu agieren. Wir müssen die Möglichkeit, gegen die Topmannschaften zu spielen, nutzen, um einen weiteren Entwicklungsschritt zu machen. Da kann dir als Hartberg nichts Besseres passieren, unter Wettkampfbedingungen gegen diese Teams zu spielen und sich in diesem Umfeld weiter zu entwicklen. Wir wollen aber auch performen. Wir sind nicht da, um nur dabei zu sein, möchten eine unangenehme Rolle spielen.

 

90minuten.at: Der Bus wird also nicht geparkt?

Schopp: Jeder, der meine Spiele kennt, weiß, dass das nicht in meinem Naturell liegt. Klar ist, dass wir viel adaptiert haben, viele unterschiedliche Gesichter gezeigt haben. Das ist immer eine Herausforderung, aber auch spannend in Bezug auf die Entwicklung einzelner Spieler. Wir können uns nicht an einem LASK orientieren, der sich über einen langen Zeitraum in einer strategischen Grundordnung permanent weiterzuentwickeln. Dafür haben wir eine zu hohe Fluktuation in unseren Prozessen. Darum brauchen wir unterschiedliche Spielideen und -anlagen. Im Frühjahr müssen wir einen Weg finden, der gut zu uns passt, wollen uns unberechenbarer präsentieren.

 

90minuten.at: Alles über Platz sechs wäre dann aber schon ein großer Erfolg.

Schopp: Wenn ich als Hartberg-Trainer sage, dass ich den Angriff auf die Top3 anpeile, dann ist das ein Angriff, den ich mit meinem Team immer definieren werde, weil ich immer gewinnen will. Aber ich kann mich nicht hinstellen und das als realistisches Ziel ausgeben. Unser Ziel war der Klassenerhalt, das ist uns relativ früh gelungen. Wenn sich die Mannschaft mit dem Dabeisein abfindet und wohlfühlt, dann bin ich nicht der Richtige. Ich möchte mit meinen Ideen und ihren Möglichkeiten weiter gehen.

 

90minuten.at: Kommen wir zu Ihnen persönlich. Sie haben jetzt zwei Saisonen lang mit Hartberg aufgezeigt, man will mit ihnen weiter arbeiten, aber man kennt das in Österreich: kleiner Klub, Trainer hat Erfolg, das weckt Begehrlichkeiten. Haben Sie einen persönilchen Karriereplan oder wartet man auf Angebote? Immerhin haben Sie zum Erfolgsnachweis noch den Bonus, Ex-Team-Spieler und -Legionär zu sein.

Schopp: Vorneweg: Ich will mich nicht dafür rechtfertigen müssen, ein erfolgreicher Spieler gewesen zu sein oder nicht. Ich kenne genau so viele gute Trainer, die nie Fußball gespielt haben wie Ex-Profis. Ich will mich nicht an dieser Diskussion beteiligen. Klar ist aber auch, dass wir in einem sehr überschaubaren Markt sind, es gibt zwölf Bundesligisten und 16 Zweitligisten. Jeder Trainer, der da im Rad'l drinnen ist, muss demütig sein, dass er diese Möglichkeit hat. Das Erfreuliche an meiner Entwicklung ist, dass wir wieder ein extrem interessantes Halbjahr gespielt haben. Wer sich tiefergehend mit uns beschäftigt hat, weiß, dass die Veränderunge im letzten Winter mächtig waren. Wir sind froh, dass es sich am Ende noch ausgegangen ist, unterm Strich wohl auch verdient. Im Sommer wussten wir dann auch, ab dem Moment, als ich mich entschieden habe, weiterzumachen, dass etwas passieren muss. Wir mussten weiter wachsen. Da rede ich nicht nur von Spielern. Der Verein hat es mir ermöglicht, infrastrukturelle Dinge zu bekommen, die für meine Entwicklung, für die Trainingssteuerung, gepaart mit Spielern, die kamen oder blieben, wichtig waren, um den nächsten Schritt zu schafffen. Ich erkenne, welche Möglichkeiten es gibt, dazu braucht es aber auch die Bereitschaft der Spieler. Darum will ich nicht ausschließen, dass mein nächster Karriereschritt hier in Hartberg ist. Ich kann aber auch nicht ausschließen, dass es andere Möglichkeiten gibt. Ich orientiere mich immer an Höherem – ich schätze es sehr, hier den Einstieg gemacht zu haben. Das Ziel muss aber sein, weiter oben anzuklopfen und um Titel zu spielen. Dieses Gefühl hatte ich als Spieler, dafür muss man aber die richtigen Schritte setzen. Es gibt viele Trainer, die im richtigen Moment den falschen Schritt gesetzt haben.

 

90minuten.at: Inwiefern kann man Erfahrung beim kleinen Hartberg auf Großklubs umlegen?

Schopp: Es gibt Dinge, die bei einem kleineren Verein wesentlich angenehmer sind und solche, die Nachteile haben. Die Frage ist immer, was überwiegt. Ich muss mich hier seit bald zwei Jahren mit Themen auseinandersetzen, mit denen sich wohl kein anderer Cheftrainer in der Bundesliga auseinandersetzen muss. Etwa, auf welchem Platz man trainieren kann oder am Spieltag anreist oder nicht. Umgekehrt habe ich auch Vorteile. Ich kann in Ruhe arbeiten, nach drei Niederlagen gibt es keinen Terror.

 

90minuten.at: Apropos. Sie sind ein wahres Orakel, Salzburg scheidet gegen Frankfurt im Sechzehntelfinale aus, der LASK scheidet im Viertelfinale aus haben Sie im Winter gesagt. Beim Titel haben Sie auf Salzburg getippt. Warum?

Schopp: Das ist relaitv einfach, weil ich die Prozesse beider Teams genau verfolge. Bei einem Klub ist im Wintertransferfenster viel passiert, beim anderen wenig. Zum anderen weiß ich, gegen wen Salzburg spielen musste. Adi Hütter hat es schon öfters geschafft, gute Lösungen gegen Teams, die im Red Bull-Stil spielen, zu haben. Warum? Weil er dort selber drinnen war. Der LASK ist im Auftreten eine Mannschaft, die leicht zu analysieren ist. Die meisten Trainer haben da wohl sofort ihre Pläne im Kopf. Das Problem ist, dass die meisten nicht wissen, was es heißt, gegen sie zu spielen. Da gibt es spannende Lösungsansätze. Auch in der Europa League, aber vor allem Ballbesitzteams wie Alkmaar stoßen da an ihre Grenzen. In Bezug auf die Meisterschaft bin ich der Meinung, dass der Kader über die Saison gesehen nicht zu stoppen ist. Diese Qualität hat der LASK nicht.

 

90minuten.at: Wir danken für das Gespräch.

 

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