45 Tage-Prozedere: Teamchef Foda schreibt sein Interview neu

Teamchef Franco Foda gewährte in einem Interview mit den Journalisten Michael Fiala und Gerald Gossmann einen ungewöhnlich großen Einblick in seine Denkweise. Doch 90minuten.at wird das Interview nicht veröffentlichen. Der Grund: Im Zuge der Autorisierung wurde das Interview inhaltlich stark verändert – und gar versucht Fragen samt der Antworten zu streichen.

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Von Michael Fiala (Twitter) und Gerald Gossmann (Twitter)

 

Liebe Leserinnen und Leser von 90minuten.at!

Eigentlich hätten Sie an dieser Stelle ein interessantes Interview mit ÖFB-Teamchef Franco Foda lesen sollen. Ein kontroverses Gespräch zwischen uns – den Journalisten Michael Fiala und Gerald Gossmann – auf der eine Seite und Franco Foda auf der anderen. Ein Gespräch über seine Kontroverse mit Armin Wolf in der Zib2, die Spielweise des ÖFB-Teams, das Potential der Teamspieler, seine noch ausstehende Vertragsverlängerung und die Erwartungen an die Europameisterschaft.

Wir haben uns auf das Gespräch intensiv vorbereitet. Teamchef Foda nahm sich etwa 70 Minuten Zeit, um inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Entstanden ist dabei ein lesenswertes Interview, in dem Foda interessante Einblicke in seine Denkweise gewährt. Der Teamchef verriet sogar eine mögliche Strategie gegen EM-Gegner Holland. Doch leider werden wir Ihnen heute nur die Fragen des Interviews präsentieren können, jedoch nicht die Antworten von Franco Foda.

In den folgenden Zeilen wollen wir Ihnen erklären, warum wir das Interview nicht veröffentlichen und wie es dazu gekommen ist.

 

45 Tage später ...

45 Tage (!) nachdem wir das Interview mit Franco Foda im Hauptquartier des ÖFB, dem Wiener Ernst Happel Stadion, geführt haben, waren nun mehrere Grenzen überschritten. 45 Tage danach fehlte nach einem aufwändigen Hin und Her immer noch die Freigabe des Interviews durch Foda und die Pressestelle des ÖFB (siehe unterhalb “Die Chronik einer Interview-Freigabe”).

Zur Vorgeschichte: Franco Foda ist bei Interviews eine Herausforderung. Er ist bekannt dafür mit vielen Worten wenig zu sagen. Wir investierten deshalb viel Arbeit in dieses Gespräch und stellten interessante, unangenehme und kritische Fragen. Wir sprachen Widersprüche an und hakten bei Nicht-Beantwortung konsequent nach. Entstanden ist ein sehr lesenswertes Gespräch, in dem Franco Foda einen bis dahin nicht gezeigten Einblick in seine Denkweise gewährt. So wurde in einigen Passagen des Gesprächs deutlich, wie der Teamchef über Pressingfußball denkt, was ihn an der Herangehensweise von Red Bull Salzburg in der Champions League störte und warum sein Team in Phasen des Spiels passiv agiert. Doch aus dem schönen Gespräch wurde mittels Rotstift ein PR-Text.

 

Anfangs sieben Fragen gestrichen

Aus den beiden Passagen, in denen Teamchef Foda den Spielstil von RB Salzburg analysiert und seine taktische Herangehensweise bei der EM anspricht, wurden anfangs gar sieben (!) Fragen entfernt. Es wurde zudem fast jede Antwort mehr oder weniger stark korrigiert und inhaltlich verändert.

Kurz erklärt: In der Praxis werden Interviews vor Veröffentlichung (hängt im Einzelfall von der Vereinbarung ab) dem Interviewten zur Freigabe (Autorisierung) zugesandt. Das hat einen einfachen Grund: Der Interviewte bekommt das Gesagte verschriftlicht zu lesen, um sprachliche Unklarheiten oder womöglich falsch verstandene Wörter oder Zahlen zu korrigieren. Die Interview-Freigabe dient jedoch nicht dazu, das Interview großteils umzuschreiben oder gar Fragen und Antworten zu löschen.

Interview-Freigaben waren in der 90minuten.at-Redaktion in den vergangenen Jahren immer wieder Zankpunkte, im Rahmen derer es mit Vereinen oder Verbänden zu kontroversen Diskussionen gekommen war. Zumeist konnte mit ein, zwei Telefonaten eine Lösung herbeigeführt werden. In diesem Fall wurde jedoch der Bogen weit überspannt. Es sind 45 (!) Tage seit dem Interview vergangen; aktuelle Themen wie die Auswirkungen des Corona-Virus auf die Planungen des Nationalteams oder die Auslosung zur Nations League haben das Interview längst überholt.

Daher haben wir die Notbremse gezogen und nach ausbleibender Freigabe selbst darauf verzichtet, das Interview zu veröffentlichen.

 

Kuschel-Journalismus

Die Problematik greift tief: Offensichtlich haben es viele Journalisten und Medien zur Unsitte werden lassen (Beispiele sind der Redaktion bekannt), massive Änderungen bei Interview-Freigaben zu akzeptieren. Im Sportjournalismus denken viele Funktionäre, Sportler, Trainer, dass Redakteure PR-Vehikel sind. Schuld daran sind aber nicht Funktionäre, Sportler, Trainer – oder in diesem Fall Franco Foda – sondern Journalisten, die diese mit Kuschel-Journalismus verwöhnt und an Hofberichterstattung gewöhnt haben.

Zudem: Oft kommt es aufgrund harmloser 08/15-Fragen gar nicht zu Kontroversen zwischen Journalisten und Pressestellen. Kritische Interviews sind immer noch die Ausnahme. Wenn Journalisten darauf bestehen, dass tatsächlich Gesagtes auch “gedruckt” wird, kommt es zu Spannungen. Oft ist zu hören, dass andere Medienvertreter hier kulanter seien. Wenn Journalisten aber nicht kollektiv konsequent agieren, wird aus einer Unsitte schnell eine gelebte Normalität, die von Pressestellen als übliches Entgegenkommen eingefordert wird.

 

Fazit: Wenn der Interviewte im Rahmen der Freigabe fast alle Antworten umschreibt (nicht nur, um sie sprachlich zu konkretisieren, sondern sie viel zu oft tiefgreifend inhaltlich verändert) und zunächst gar sieben Fragen streicht, ist eine rote Linie erreicht. 

Es hätte zwei Möglichkeiten gegeben mit dieser Situation umzugehen. Den Lesern ein inhaltlich stark verändertes und vom Interviewten geschöntes Interview vorzulegen. Oder: ob der groben Eingriffe konsequent Stopp zu rufen – im Sinne der Leser und im Sinne von seriösem Journalismus.


Wir haben uns nach 45 Tagen für die zweite Variante entschieden.

Die Chronik der Interview-Freigabe mit Franco Foda:

23.1. 70-minütiges Interview mit Franco Foda im Ernst Happel Stadion

27.1. 90minuten.at schickt das Interview erstmalig zur Freigabe an den ÖFB

30.1. ÖFB schickt das Interview zurück: 7 (!) Fragen/Antworten wurden ersatzlos gestrichen, dazu viele Antworten verändert (siehe Screenshots)

(Artikel wird unterhalb fortgesetzt)

Verpixelt: Die Änderungswünsche von Franco Foda in rot (Auszüge)

Foto: © 90minuten.at

Foto: © 90minuten.at

Foto: © 90minuten.at

30.1. Antwort von 90minuten.at: 

"Mit einigen Änderungswünschen beim Wording einiger Antworten haben wir kein Problem, das lässt sich sicher machen.

Es ist aber immer schon ein Grundsatz unserer journalistischen Arbeit gewesen, dass wir uns bei Interviews keine Fragen streichen lassen. Daran hat sich auch in diesem Fall nichts geändert. Der Teamchef ist erfahren genug, um zu wissen, über welche Themen er bei einem Interview sprechen möchte und welche nicht. Außerdem haben wir uns ziemlich intensiv auf dieses Interview vorbereitet und das Salzburg-Thema nicht „zufällig“ gewählt.

Weiters werden wir uns auch nicht essentielle Teile von Antworten (z.b. Holland-Taktik) ersatzlos streichen lassen, weil es aus unserer Sicht genau hier um die interessanten Themen geht, auf die wir abzielen.

Ich bitte um Verständnis, dass wir diese Version der Freigabe daher nicht annehmen können und bitte um einen Vorschlag, wo alle Fragen im Interview und die sinngemäßen Antworten dazu verbleiben."

 

1.2. ÖFB schickt Interview in der 2. Version zurück - weiterhin sind zwei Fragen/Antworten ersatzlos gestrichen.

3.2. Antwort von 90minuten: 

"Leider sind hier aber noch immer zwei Fragen von Eurer Seite komplett gestrichen. Bitte hier nochmal die Info, dass das nicht geht."

Zudem stellt 90minuten.at fest, dass einige Antworten so stark verändert wurden, dass die darauffolgenden Fragen von Fiala/Gossmann keinen Sinn mehr ergeben. 

 

10.2. Nachfrage von 90minuten.at, wann Interview zurückgeschickt wird (nach sieben Tagen Wartezeit)

13.2. Antwort von ÖFB, dass das Interview “asap” geschickt wird.

14.2. Erneute Nachfrage von 90minuten.at, wann das Interview zurückgeschickt wird.

19.2. ÖFB sendet Interview erneut, inklusive der zuletzte gestrichenen Fragen/Antworten, aber in “fertiger Version”, nicht im Korrekturmodus. Die Änderungen sind daher nicht mehr nachvollziehbar.

20.2. 90minuten.at bittet darum, das Interview im Korrekturmodus zu senden

24.2. ÖFB sendet das Interview im Korrekturmodus zurück

27.2. 90minuten.at akzeptiert einen Großteil der Änderungswünsche in den Antworten, besteht aber bei rund 20 Prozent der Änderungswünsche auf die Original-Antworten

2.3. Erneutes Nachfragen von 90minuten.at, wann das Interview zurückgesendet wird

3.3. Ankündigung des ÖFB, dass am 5.3. ein interner Termin mit Franco Foda vereinbart ist, um das Interview endlich freigeben zu können.

9.3. Da am 9.3. Trotz aller Ankündigungen noch immer keine Freigabe des Interviews erfolgt wird, verzichtet 90minuten.at darauf, das Interview mit Franco Foda zu veröffentlichen und stattdessen die Leser zu informieren.

Die Fragen an Franco Foda (ohne Antworten):

Österreich fährt zur Europameisterschaft – spüren Sie schon Euphorie im Land, Herr Foda?

 

Nach den Auftaktpleiten schien eine Qualifikation weit entfernt. Sie mussten in die ZIB2 zu Armin Wolf.

 

Inwiefern?

 

Armin Wolf hat die fehlende internationale Erfahrung angesprochen.

 

Er meinte wohl die internationale Erfahrung als Trainer.

 

Welches Potential sehen Sie in ihrem Teamkader? Was ist denn möglich mit der österreichischen Nationalmannschaft?

 

Anfangs hagelte es heftige Kritik: am Spielstil, an Ihnen als Trainer, an der Mannschaft. Haben die beiden Auftaktniederlagen gegen Polen und Israel ihr weiteres Handeln beeinflusst?

 

Welche Sichtweisen haben die Spieler in die Analyse eingebracht?

 

Haben die Spieler im Gespräch gesagt: Ich war nachlässig, tut mir leid, ich werde es besser machen? Oder wie kann man sich das vorstellen?

 

Wir fragen deshalb nach, weil Österreich nach den beiden Niederlagen wesentlich mutiger, aktiver und offensiver spielte.

 

Teamspieler Stefan Lainer hat gesagt: „Ich kann im Nationalteam nicht spielen wie im Verein, damit würde der Trainer wohl nicht einverstanden sein, weil hier ein anderer Fußball gespielt wird. In Salzburg spielen wir Pressing, im Team muss man sich in der ein oder anderen Situation zurückhalten und den Laden dicht halten.“

 

Wie erklären Sie sich die Diskrepanz, dass viele Journalisten, Fans, Beobachter das Spiel ihrer Mannschaft zuweilen zu passiv fanden, sie aber sehr offensiv?

 

Das lag aber auch an sehr passiven Polen, Slowenen, Letten, oder?

 

Die Erwartungshaltung ist wohl deshalb hoch, weil Österreich eine außergewöhnlich gute Spielergeneration zur Verfügung hat. Viele sind Leistungsträger bei Spitzenklubs in Weltligen. Aber gegen die einzigen beiden Gegner, die knapp über Österreich klassiert waren, nämlich Bosnien und Polen, hat das Team nur zwei von zwölf möglichen Punkten geholt, verstehen Sie die Kritik?

 

In Polen war Österreich tatsächlich sehr offensiv und aktiv. Welchen Grund gab es dafür, dass Österreich in manchen Spielen wiederum so passiv aufgetreten ist?

 

Beim Spiel in Israel hat man sich nach der Führung relativ schnell zurückgezogen. Es war oft zu bemerken, dass man durch Passivität einen eigentlich harmlosen Gegner zurück ins Spiel holte.

 

Aber wir sind uns schon einig, dass Österreich einen besseren Kader hat, oder?

 

Österreich hat mehr als ein Dutzend Top-Spieler.

 

Warum war das aus Ihrer Sicht so?

 

Nur gab es einen Unterschied, wenn sich Salzburg unter Rose zurückgezogen hat oder das Nationalteam. Wenn ihre Mannschaft verwaltet, macht sie oft den Gegner stark und lässt ihn zurück ins Spiel kommen.

 

Sie hatten manchmal acht Spieler in der Startelf, die durch die Salzburg-Schule gegangen sind und mit Pressing-Fußball aufgezogen wurden; inwiefern beeinflusst das ihre Herangehensweise?

 

Was ist denn nicht super?

 

Wo kann man ansetzen?

 

Das ist aber für alle Nationaltrainer so.

 

Ist es eine Frage der individuellen Klasse der Spieler?

 

Gibt es in der Analyse auch gruppentaktische Ansätze, um mehr Tore zu erzielen?

 

Was könnte man 2020 aus der EM vor vier Jahren gelernt haben?

 

Aber das Knowhow müsste im ÖFB vorhanden sein; es gibt Personal, das vor vier Jahren dabei war.

 

War das schon ein Ausblick auf Ihre Strategie gegen Holland?

 

Dann sind doch bei Salzburg alle dumm, weil sie gegen jeden Gegner aktiv sein wollen und hoch pressen. Dieser Logik nach dürfte gegen gute Teams niemand hohes Pressing spielen, weil es zu riskant ist – aber Salzburg hat viel bessere Mannschaften damit besiegt.

 

Aber Salzburg spielte doch in der zweiten Hälfte in Liverpool radikaleres Pressing als in der erste Hälfte.

 

Wir wollen darauf hinaus: Man kann doch nicht sagen, der Fehler war das angriffige Spiel, wenn man gerade damit fast das Spiel gegen die wohl beste Mannschaft der Welt gedreht hätte.

 

Aber Sie haben doch Spieler zur Verfügung, die genau dieses Knowhow mitbringen, die in Salzburg ausgebildet wurden, sehr viele spielen in ihren Vereinen diesen Stil.

 

Lainer, Sabitzer, Ulmer, Lazaro, Hinteregger, Laimer, Schlager, Ilsanker. Sie haben viele Spieler, die diesen Fußball von der Pike auf erlernt haben.

 

Es gibt Trainer, die sehr offensive Ansagen tätigen. Salzburg-Coach Jesse Marsch hat nach dem Champions League-Aus gesagt: Jetzt wollen wir die Europa League gewinnen...

 

Wir würden sagen: Das sind sehr hochkarätige Gegner. Natürlich fahren wir dorthin, um jedes Spiel zu gewinnen, weil es ja blöd wäre, wenn wir es nicht gewinnen wollten.

 

Wenn wir sagen, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen, kommt man automatisch ins Achtelfinale.

 

Ist der Anspruch in Österreich mittlerweile unverschämt hoch?

 

Einige Spieler versuchen im letzten Moment den Klub zu wechseln, weil sie nicht regelmäßig spielen, aber gerne bei der EM dabei wären. Richtig oder falsch?

 

Der Vertrag mit Marcel Koller wurde vor der EM verlängert, bei Ihnen war das noch nicht der Fall.

 

Streben Sie eine Verlängerung vor der EM an?

 

Das heißt: das Finale geht sich aus?

 

Wollen Sie, anders gefragt, überhaupt Teamchef bleiben oder reizt sie die tägliche Trainingsarbeit als Klubtrainer?

 

Präsident Windtner meinte im ORF, dass eine Halbfinal-Teilnahme ihre Chancen auf Verlängerung erhöhen würden.

 

Es ist doch nicht negativ, dass man ins Halbfinale kommen will und einen Ansporn gibt.

 

Danke für das Gespräch!

 

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