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Christopher Trimmel: "Das Wort 'Aufstieg' will ich eigentlich gar nicht mehr hören"

Seit dreieinhalb Jahren steht Ex-Rapidler Christopher Trimmel bei Union Berlin unter Vertrag, entwickelte sich in dieser Zeit zu einem absoluten Leistungsträger und zu einem der besten Außenverteidiger der zweiten Liga. Im großen 90minuten.at-Interview spricht Trimmel über das Verhältnis zu Ex-Coach Jens Keller, die Gründe für Unions Negativlauf und falsche Erwartungshaltung.

Das Gespräch führte Michael Graswald

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Kopf frei bekommen heißt es für Christopher Trimmel und seine Team-Kollegen von Union Berlin. Der 30-jährige Burgenländer nutzt die freie Zeit zu einem Heimatbesuch in Österreich. Während des Gesprächs mit 90minuten.at ist dem Abwehrspieler anzumerken, dass der turbulente Herbst und der enttäuschende sechste Platz nicht spurlos an ihm vorbeigegangen sind. Nach Platz vier in der Vorsaison träumten viele in Berlin bereits vom Aufstieg und dem ersten Bundesliga-Derby gegen den Lokalrivalen Hertha BSC. Ein halbes Jahr später ist die Euphorie im Berliner Stadtteil Köpenick einer großen Unzufriedenheit gewichen. Im Gegensatz zu den drei anderen Österreichern im Kader von Union, Philipp Hosiner, Christoph Schösswendter und Michael Gspurning (>>> jetzt Torwart-Trainer), ist Trimmel Stammspieler. Seine starke persönliche Halbserie kann ihn kaum über die schwankenden Leistungen des Teams hinweg trösten.

 

90minuten.at: Vier Wochen Winterpause. Wie schwer wird es nach den letzten Wochen den Kopf frei zu bekommen?

Trimmel: Ich denke das sollte schon schnell gehen. Jeder verbringt jetzt viel Zeit mit seiner Familie, da vergisst man den ganzen Stress und die schwierige Phase die wir am Schluss hatten dann vielleicht doch leichter. Außerdem hilft es nichts. Wir müssen das jetzt abhaken und die Akkus schnell wieder aufladen. 

90minuten.at: Letzte Saison gab es, mit Hannover 96 und dem VfB Stuttgart, zwei große Aufstiegsfavoriten. Diese fehlen heuer. Wie bewerten Sie diese Ausgeglichenheit der Liga?

Trimmel: Auf jeden Fall positiv. Es ist definitiv ein Vorteil, wenn Fans und auch Medien das Gefühl haben, dass immer alles möglich ist. Wir als Team wollten uns gegenüber dem Vorjahr weiterentwickeln. Leider ist uns das im Herbst nicht ganz so gelungen aber wir versuchen uns auf die positiven Dinge zu konzentrieren und nach der Winterpause wieder voll anzugreifen.

 

90minuten.at: Union wurde immer zum Favoritenkreis gezählt. War die Erwartungshaltung zu hoch für das Team?

Trimmel: Das weiß ich nicht, glaube aber nicht. Natürlich haben aufgrund der letzten Saison alle damit gerechnet, dass wir ganz vorne mit dabei sein werden. Letzte Saison ist es einfach sehr gut für uns gelaufen. Wir bekamen damals mit Jens Keller einen neuen Trainer und haben es sehr schnell geschafft, seine Ideen umzusetzen. Deshalb haben viele von uns jetzt den nächsten Schritt erwartet. Das kann manchen Spieler natürlich auch lähmen. Aber man hat letztes Jahr auch bei Hannover und Stuttgart gesehen, dass sie schwierige Phasen durchgemacht haben, bevor sie sich oben festsetzen konnten. Für uns gilt es jetzt einfach uns gut vorzubereiten und am ersten Spieltag nach der Winterpause abzuliefern.

 

90minuten.at: Union hat auf den direkten Aufstiegsplatz bereits sieben Punkte Rückstand. Inwieweit können Sie die heftige Kritik der letzten Wochen nachvollziehen?

Trimmel: Ich muss zugeben, dass ich die Kritik schon für übertrieben halte. Besonders, weil ich das Umfeld bei Union bisher als sehr angenehm kennengelernt habe. Bei dem Wort „Aufstieg“ ändert sich das aber anscheinend. Aber es hat noch nie einer Mannschaft gut getan, wenn dauernd vom Aufstieg gesprochen wird und es kein anderes Thema mehr gibt. Uns als Team schweißt die schwierige Phase der letzten Wochen enger zusammen und wir erwarten uns da auch ein bisschen mehr Verständnis von der Öffentlichkeit. Ich persönlich will das Wort „Aufstieg“ eigentlich die nächsten Wochen gar nicht mehr hören. Das bringt nur unnötig Unruhe hinein.

"Wir müssen wieder anfangen als Mannschaft zu denken. Unter unserem Ex-Trainer Keller haben wir ein extrem hohes Pressing gespielt. Das muss natürlich von jedem Spieler zu 100 Prozent umgesetzt werden. Passiert das nicht, hat das gegnerische Team leichtes Spiel, wenn die Seite schnell gewechselt wird." - Christopher Trimmel

90minuten.at: Union hat, nach dem Absteiger aus Ingolstadt, den zweitteuersten Kader der Liga. Warum kann die Mannschaft ihre Qualität so selten abrufen?

Trimmel: Das ist schwer zu sagen. Letztes Jahr haben wir einfach konstant gepunktet. Diese Saison haben wir auch lange Zeit die Ergebnisse eingefahren aber spielerisch war das nicht immer überzeugend. Ich würde sagen, ohne zu wissen was es genau ist, aber das „gewisse Etwas“ hat einfach gefehlt. Bei so einer ausgeglichenen Liga entscheiden Kleinigkeiten und bei uns war es gefühlt so, dass jede Woche ein individueller Fehler zu viel passiert ist. Das ist halt dann besonders ärgerlich.

 

90minuten.at: Ärgerlich für einen Abwehrspieler wie Sie ist auch, dass Spiele von Union oft zu einem offenen Schlagabtausch ausarten (4:3, 2:3, 3:3, 3:4, Anm.).

Trimmel: Klar, das ist nicht schön. Wir müssen wieder anfangen als Mannschaft zu denken. Unter unserem Ex-Trainer Keller haben wir ein extrem hohes Pressing gespielt. Das muss natürlich von jedem Spieler zu 100 Prozent umgesetzt werden. Passiert das nicht, hat das gegnerische Team leichtes Spiel, wenn die Seite schnell gewechselt wird. Dann bist du in der Defensive immer in Unterzahl weil ein Spieler fehlt. Aber auch da bin ich mir sicher, dass das mit der Unsicherheit im Team zu tun hat. Es sind nur Kleinigkeiten.

 

90minuten.at: Kann man also sagen, dass Unions Hauptproblem im Defensivverhalten liegt?

Trimmel: Genau. Wir müssen hinten einfach wieder stabil sein. Vorne haben wir unsere Tore gemacht aber das bringt dir nicht viel, wenn du in der Defensive dann oft in „Zwei-gegen-Eins-Situationen“ gezwungen wirst. Das weiß jeder der sich mit Fußball auskennt, dass man das nur ganz schwer verteidigen kann. Wenn man so offensiv verteidigt wie wir, dann muss auch die Umschaltbewegung stimmen.

 

90minuten.at: Wie kann man das in der Winterpause in den Griff bekommen?

Trimmel: Da kommt auch der Trainerwechsel ins Spiel. Ich kenne ja den neuen Coach (Andre Hofschneider, Anm.) bereits und deshalb auch seine Ideen und die Art wie er Fußball spielen möchte. Das ist definitiv anders als wir bisher gespielt haben, viel mehr auf Ballbesitz und die spielerische Komponente ausgerichtet. Somit stehen wir von der Grundordnung schon tiefer als bisher. Aber das dauert natürlich, bis sich die Mannschaft auf die neue Spielweise eingestellt hat. Trotzdem müssen wir das in der Vorbereitung schnell umsetzten weil viel Zeit haben wir nicht.

 

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