Christian Heinle war SV-Ried-Trainer - noch bevor man dort die Kontinuität für sich entdeckte. Nach wenigen Wochen heuerte er beim FC Hertha Wels an, zunächst im Nachwuchs.
Nun darf er von Reinhard Furthner übernehmen, der die Oberösterreicher von der Regionalliga Mitte in die ADMIRAL 2. Liga geführt hat und aus privaten Gründen nicht in den bundesweiten Fußball will. Die entscheidende Frage, formuliert auf Oberösterreichisch:
Wos wü Wös?
90minuten: Herr Heinle, Sie werden Cheftrainer bei LigaZwa-Aufsteiger Hertha Wels, Reinhard Furthner verlässt den Verein. Man kennt Sie als Ried-Coach. Zunächst: Was haben Sie seitdem gemacht?
Christian Heinle: Die Zeit zwischen Ried und Wels war eigentlich sehr kurz, in Wahrheit nur zwei Monate. Die Welser Vereine haben ja bis 2023 immer eigenständig zwischen Landes- und Regionalliga gespielt. Dann haben sich die Vereinsverantwortlichen zu einer Spielgemeinschaft entschlossen, um die Basis für einen Sprung in den Profibereich zu schaffen.
Parallel zur Vereinigung der Kampfmannschaften hat man sich entschlossen, auch im Nachwuchsbereich einzusteigen. Man ist an mich herangetreten, um eine Akademie von Beginn an zu starten und die damit verbundene ÖFB-Jugend-Regionalliga anzugehen. Insgesamt wollte man so neu durchstarten. Und weil ich extrem gerne mit Jugendlichen arbeite, bin ich nun seit zwei Jahren hier.
Ich will mein Leben nicht darauf reduzieren, ob ich aktuell jedes Wochenende als Bundesliga-Cheftrainer an der Seitenlinie stehe.
90minuten: Oftmals ist es auch so, dass man in der Bundesliga nur eine Chance bekommt. Gab es Ihrerseits da Befürchtungen, dass es das nach dem Aus in Ried mit der Trainerkarriere ganz oben war?
Heinle: Ich bin Ried ewig dankbar, die Chance als Cheftrainer bekommen zu haben. Das war ja damals nicht geplant. Ich freue mich auch total, dass sie den Sprung zurück in die Bundesliga geschafft haben. Sie haben eine gute Kaderzusammenstellung und eine Spielidee. Das war zu meiner Zeit nicht ganz so leicht. Und ich will mein Leben nicht darauf reduzieren, ob ich aktuell jedes Wochenende als Bundesliga-Cheftrainer an der Seitenlinie stehe.
Mir persönlich ist es total wichtig, dass ich eine Freude an dem Job habe. Ich kenne jetzt sowohl den Bereich, wo es am Wochenende rein um das Ergebnis geht, als auch die Arbeit in der Entwicklung, und mir taugt beides. Allerdings war mir schon auch klar, dass ich irgendwann wieder in den Profibereich zurückkommen will. Den Abstand hat es aber gebraucht - auch, um für mich selbst klarer zu werden.

90minuten: Markus Lackner, Roko Mislov, Luan – der Aufstieg gelang nun mit ein paar Routiniers und vielen Jungen. Jetzt hat man aber auch ein Jahr viele Spiele gewonnen. Wie gehen Sie das nun an, weil Sie jetzt nicht ein Jahr lang viele Spiele gewinnen?
Heinle: Eine extrem gute Frage, und das hat eine riesige Relevanz. Wir haben mit Rene Swete einen Sportdirektor, der aus dem Profibereich kommt und der ein Grund ist, warum ich zugesagt habe. Ich habe zu ihm, dem Vorstand und Aufsichtsrat klar gesagt, dass es schwierig wird, wenn man aufsteigt. Hertha Wels hat in den letzten Jahren viel gewonnen, in der LigaZwa wird Intensität ein riesengroßer Faktor.
Es gab zwar auch Umschaltphasen, aber wir waren doch in der Regel die dominierende Mannschaft. Die Gegner haben sich oft zurückgezogen, wir hatten dadurch viel Ballbesitz. Jetzt geht es darum, sich in der neuen Liga zu akklimatisieren und zu festigen. Das geht nicht von heute auf morgen. Der Verein hat ja große Ziele und Ambitionen, ohne die hätte ich es nicht gemacht – aber es kann im ersten Jahr nur darum gehen, in der Liga zu bleiben. Das wird ein Kraftakt.
Wir werden nicht 90 Minuten anpressen bzw. andersrum auch nicht die ganze Zeit hinten drinstehen – das ist überhaupt nicht unser Ansatz.
90minuten: Mit welchem Fußball geht man diese Liga an, was trainiert Wels im Sommer. Schließlich wird man nicht 70-Prozent-Ballbesitz-Fußball spielen. Wird man eher hoch anpressen oder im tiefen Block verteidigen?
Heinle: Wir wollen in allen Phasen Kompaktheit herstellen, auch wenn wir situativ hoch anpressen möchten. Wir wollen den Gegner schon immer wieder unter Stress setzen, aber werden auch nicht 90 Minuten anpressen bzw. andersrum auch nicht die ganze Zeit hinten drinstehen – das ist überhaupt nicht unser Ansatz.
In den letzten zwei Jahren haben wir im Nachwuchszentrum eine Spielidee entwickelt, die auf dynamischen Fußball und Spielaktivität setzt. Ich kann ja auch mal aktiv im tiefen Block sein und eine klare Idee, wie wir Umschalten wollen, haben. In den Phasen des Ballbesitzes – egal wie viele es sein werden – soll Dynamik ein wesentlicher Faktor sein.

90minuten: Mit welchen Vereinen rittert man um Spieler und wie will man sich am Transfermarkt bewegen? Oben nehmen sich Hartberg, Altach und Co. wohl letztlich wenig.
Heinle: Die Basis ist und bleibt der Regionalligakader, und die Spieler, die wir dazugeholt haben, haben ein optimales Niveau und sind bereit für den nächsten Schritt. Insofern gibt es eine Kaderstruktur, wo wir gewisse Schlüsselspieler halten konnten. Bei Neuzugängen geht es wohl schon um Spieler jener Vereine, die eher in der unteren Tabellenhälfte der 2. Liga gespielt haben, also von den finanziellen Möglichkeiten her.
Und es ist ja immer so, dass der eine oder andere Spieler hier funktioniert und da nicht. Letztlich hast du diese Vorstellung, dass deine Spielidee mit dem Kader gut funktionieren kann. Allerdings hast du nie Sicherheit, dass das auch so ist.
In Oberösterreich gibt es das eine oder andere Amateurteam, für deren Spieler der Sprung in die Bundesliga vielleicht zu groß wäre und wo wir einen guten Zwischenschritt darstellen.
90minuten: Vielleicht ist es gar nicht so unangenehm, dass man in Oberösterreich allein auf weiter Flur ist, das hilft, wie erwähnt, am Spielermarkt.
Heinle: Für Spieler von Bundesligisten sind wir eine gute Plattform. In Oberösterreich gibt es das eine oder andere Amateurteam, für deren Spieler der Sprung in die Bundesliga vielleicht zu groß wäre und wo wir einen guten Zwischenschritt darstellen, damit sie ein Jahr Spielminuten sammeln können.
Das ist dann eine Win-Win-Win-Situation für uns, den Bundesligisten und den Spieler. Allerdings kommt es auch immer auf die Spielweise drauf an, da gibt es ja doch Unterschiede in der Herangehensweise wie beispielsweise Austria und dem LASK.

90minuten: Apropos Zweitvertretungen. Ein zweischneidiges Schwert, weil man in Wahrheit gegen die vier besten Akademien des Landes spielen kann, allerdings gibt es auch Leistungsunterschiede durch Leistungsschwankungen und sich während der Saison ändernde Kader.
Heinle: Die Thematik gäbe es nicht, würden keine Beispiele dafür existieren. Aber ich will darauf nicht allzu viel Energie verschwenden, weil es im Profibereich einfach gewisse Dinge gibt, die man nicht verändern kann. Wenn hinten raus ein verstärktes Amateurteam kommt, kann ich es auch nicht ändern, sondern nur mein Team bestmöglich auf diese Spielerprofile einstellen.
Wir haben selbst ausreichend Themen, wo wir uns weiterentwickeln wollen – und sei es nur so banale Dinge wie Vormittagstrainings, Medieninteresse oder andere Anstoßzeiten.
Es wurde immer klar kommuniziert, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein soll, sondern dass das langfristige Ziel natürlich die Bundesliga ist.
90minuten: Wie will man das abschreckende Beispiel Voitsberg – Abstieg als Aufsteiger – vermeiden?
Heinle: David Preiß und der gesamte Verein haben eine super Arbeit abgeliefert, sie sind ja 2024 mit 20 Punkten Vorsprung auf uns aufgestiegen. Voitsberg war dann die letzten Wochen ein Thema, weil sie ja bis zuletzt um den Ligaverbleib gezittert haben.
Wir versuchen einfach, die Dinge in die richtige Richtung zu steuern und dass allen klar ist, dass negative Erlebnisse kommen werden – da braucht es dann das richtige Mindset, um darauf zu reagieren und das große Ziel Klassenerhalt im Auge zu behalten. Ich denke, dass wir das bis hierhin gut geschafft haben.
90minuten: Hertha Wels hat keine Missionen oder Visionen, dann und dann in der Bundesliga zu spielen. Aber was will Wels mittel- bis langfristig?
Heinle: In den letzten zwei Jahren wurde eine wichtige Basis gelegt, es ist eine gewisse Euphorie entstanden. Hier ist aus einem Amateurteam heraus etwas entstanden, mit dem großen Ziel Profibereich, und es wurde immer klar kommuniziert, dass das nicht das Ende der Fahnenstange sein soll, sondern dass das langfristige Ziel natürlich die Bundesliga ist. Was man aber gut verstanden hat, ist, dass es ein Umfeld braucht.
Man kann das ja nicht nur als Ziel ausgeben, es braucht auch eine Handlungsebene, auf der sportliche, wirtschaftliche und strukturelle Unterziele definiert sind, damit die Wahrscheinlichkeit steigt, dass man nicht umfällt, sondern den Weg in die Bundesliga schafft.

90minuten: Was wären diese Unterziele in sportlicher Hinsicht?
Heinle: Das Ergebnisziel ist der Klassenerhalt, ein Handlungsziel im sportlichen Bereich ist etwa die Verbesserung meiner Deckung rund um den Strafraum – dann bekomme ich auch weniger Gegentore. Solche Handlungsziele gibt es im Verein auch strukturell und wirtschaftlich.
90minuten: Summa summarum: Wenn ich in einem Jahr anrufe, Wels ist als 13. nicht abgestiegen, dann ist das kurzfristige Ziel erreicht?
Heinle: Absolut. Wir hoffen wirklich, dass wir die Liga halten können, und dann gibt es ja auch ganz andere Möglichkeiten. Es gab ja schon Gespräche mit der Stadt bezüglich der Infrastruktur, das würde sich dann wiederum verzögern. Aber den Weg, mit aktivem, dynamischem Fußball in die Zukunft gehen zu wollen, werden wir dennoch nicht verlassen.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!