In seinen 40 Spielen als Teamchef hat Ralf Rangnick sechs Torhüter eingesetzt, weitere drei haben es immerhin auf die ÖFB-Bank geschafft. Bis dato auf seine Chance warten muss hingegen Raphael Sallinger. Der 29-Jährige stand noch nicht einmal auf der Abrufliste, würde das aber gerne ändern.
"Bis jetzt hatte ich noch keinen Kontakt. Ich schätze mich aber schon so ein, dass ich Chancen habe - obwohl die Konkurrenz natürlich groß ist und ich keine Ansprüche stellen möchte. Es war schon ein Hintergrund von dem Transfer, dass ich diesen Traum noch nicht ganz aufgegeben habe."
Sallinger spielt seit einigen Monaten in Schottland, beim Hibernian FC. Argumente für eine Einberufung konnte er nicht sofort sammeln, Jordan Smith durfte seinen Stammplatz aus dem Vorjahr behalten. "Der Cheftrainer wollte ihm gegenüber loyal bleiben, weil er eine super Saison gespielt hat", erklärt der Österreicher. Die Kommunikation sei immer sehr fair gewesen, er habe sich wie ein wichtiger Teil der Mannschaft gefühlt.
Durchwachsene Saison
Inzwischen hütet Sallinger dauerhaft das Tor der "Hibs", das bisherige Programm hatte es in sich. Ein Auswärtsspiel bei den Rangers im League Cup, dann ein Auswärtsspiel bei Celtic Glasgow in der Liga, eine Woche später das Edinburgh-Derby gegen Heart of Midlothian. Das sechste Spiel war das erste vor eigenem Publikum.
Wir sind in jeder Runde in die Verlängerung gekommen und haben zum Schluss immer unglücklich verloren.
Hibernian belegt in der Liga den dritten Tabellenplatz, hat nur ein Spiel verloren, aber auch erst zwei gewonnen. "Es war schon bei den internationalen Spielen komisch: Wir sind in jeder Runde in die Verlängerung gekommen und haben zum Schluss immer unglücklich verloren. Man muss sagen, dass es auch nicht die leichteste Auslosung war", meint Sallinger zum bisherigen Saisonverlauf. Die Endstation in der Conference League war das Playoff, im Tor stand Smith.
Tipps für Sturm Graz
Den Europacup verfolgt Sallinger daher auch weiterhin als Beobachter und - kurzfristig - als Scout. "Der Bruder meiner Freundin ist Videoanalyst bei Sturm Graz. Ich kenne auch das Trainerteam sehr gut, weil es zu großen Teilen auch in Hartberg tätig war", erklärt er im Gespräch mit 90minuten. Unter anderem war Jürgen Säumel über mehrere Jahre Assistent von Markus Schopp.
Auch Sallingers Lebensgefährtin, Darinka Stock, ist als Ernährungswissenschaftlerin für die Grazer tätig. "Es hat schon die eine oder andere Frage gegeben: Wie sich verschiedene Situationen auf dem Platz angefühlt haben, was die Unterschiede zwischen Heim- und Auswärtsspielen bei Celtic und den Rangers sind."
Ich kenne das Sturm-Trainerteam sehr gut. Es hat schon die eine oder andere Frage gegeben.
Sallinger konnte die eine oder andere Information weitergeben, beim Spiel am Donnerstag wird er im Stadion sitzen. "Celtic war die qualitativ beste Mannschaft, gegen die ich bis jetzt gespielt habe. Celtic und Rangers könnten in Österreich bestimmt um den Titel mitspielen, auch wenn sie gerade keinen guten Lauf haben. Mit Hibs, Hearts und Aberdeen gibt es eine zweite Ebene mit guten Mannschaften. Der Rest ist im Vergleich zur Bundesliga vielleicht nicht unterdurchschnittlich."
Herausfordernd sind die Spiele letztlich aber unabhängig vom Gegner: "Jeder Gegner bringt vollen Einsatz mit, es wird einfach nicht zurückgesteckt. Das, was man aus England kennt, merkt man in Schottland vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Für mich als Tormann ist es super, weil es etwas ganz anderes ist. Das Spiel ist schneller, es gibt ständig Situationen, in denen man gefordert wird."
Verhandlungen mit Hartberg "kein Zuckerschlecken"
Für Sallinger ist es die zweite Station im Ausland, zwischen 2013 und 2016 stand er in Kaiserslautern unter Vertrag. Dabei sollte es nicht bleiben: "Ich hatte mir schon in den Kopf gesetzt, dass Hartberg nicht der letzte Verein in meiner Karriere sein soll. Ich wollte unbedingt noch einmal den Schritt ins Ausland machen und versuchen, möglichst viel aus mir herauszuholen."
Die Verhandlungen zwischen Hibernian und Hartberg waren kein Zuckerschlecken, das hat sich schon über ein paar Wochen gezogen.
Interesse habe es immer wieder von verschiedenen Vereinen gegeben, wirklich reizvoll war aber erst das Angebot aus Edinburgh. "Sie haben sich wirklich um mich bemüht und immer wieder den Kontakt gesucht, gegen Saisonende habe ich mir dann gedacht, dass es wirklich passen könnte. Die Verhandlungen zwischen Hibernian und Hartberg waren kein Zuckerschlecken, das hat sich schon über ein paar Wochen gezogen. Am Ende hat mir Hartberg aber keine Steine in den Weg gelegt."
Vom Verein beeindruckt
Neben sportlichen Aspekten ist auch die Stimmung in Schottland etwas, an das man sich gewöhnen muss. Vor allem das Derby war eine einzigartige Erfahrung: "Ich habe in den Wochen davor schon im Ibrox Stadium und im Celtic Park gespielt, dort war die Atmosphäre auch beeindruckend. Das Derby war aber trotzdem anders - bei jedem Zweikampf, Einwurf und jede Schiedsrichterentscheidung wurde geschrien."
Dass die Sprachbarriere größer war, als gedacht, kommt Sallinger dabei zugute. "Beim Aufwärmen sind die eigenen Fans nur ein paar Meter von dir entfernt und applaudieren bei jedem Ball, den man fängt. Auch im Spiel versuchen sie immer wieder, mit dir zu interagieren. Die gegnerischen Fans versuchen natürlich, dich abzulenken und zu beschimpfen. Da ist es eigentlich sehr gut, dass man den schottischen Slang nicht so gut versteht", erzählt er und muss lachen.
Der Verein selbst ist viel größer, als ich es mir hätte vorstellen können. Gleich am ersten Tag war alles professionell vorbereitet.
Von Stadt und Verein war er ab dem ersten Moment beeindruckt. "Ich reise gerne und habe schon relativ viel von der Welt gesehen. Edinburgh ist sicher eine der drei schönsten Städte, in denen ich bisher war. Der Verein selbst ist viel größer, als ich es mir hätte vorstellen können. Gleich am ersten Tag war alles professionell vorbereitet, Wohnung und Auto sind bereitgestanden. Das Trainingsgelände wurde erst vor kurzem für viel Geld umgebaut, es gibt fünf Naturrasenplätze, eine riesige Kraftkammer, eine große Kabine und an jedem Tag Frühstück und Mittagessen."
Hoffnung auf Chance im Nationalteam
Unter diesen Bedingungen hofft Sallinger auf einen weiteren Entwicklungsschritt in seiner Karriere. Dass die Phase als Nummer zwei auch etwas Positives für sich hatte, weil ihm die Eingewöhnung erleichtert wurde, unterschreibt er daher nicht.
"Objektiv betrachtet, kann man das schon so sehen. Als Sportler denkt man natürlich nicht an Eingewöhnungsphasen, sondern will ins kalte Wasser geworfen werden und möglichst viel spielen. Das hat mich am Anfang schon auch geärgert, aber die Situation habe ich trotzdem annehmen müssen. Jetzt freue ich mich natürlich umso mehr, dass es geklappt hat. Dass es sich nicht rechtzeitig für die internationalen Spiele ausgegangen ist, war natürlich schade. Das ist jetzt ein umso größerer Ansporn, sich nächste Saison wieder zu qualifizieren und dann selbst im Tor zu stehen."
Sollte es weiterhin gut laufen, wäre auch eine Nationalteam-Einberufung gerechtfertigt. Die nächsten Länderspiele sind für Mitte November angesetzt, dann entscheidet sich die WM-Qualifikation. "Ich glaube, der Teamchef macht es sehr gut. Er schaut sich immer wieder neue Spieler an und lässt den einen oder anderen Debütanten hineinschnuppern. Jetzt hoffe ich natürlich, dass irgendwann auch meine Chance kommt, wenn ich mir das mit Leistungen verdiene", sagt Sallinger.