Seit nunmehr eineinhalb Jahren kickt Hannes Wolf auf der anderen Seite des Atlantiks für den New York City FC. Dies tut der 26-Jährige mit wachsendem Erfolg. In seiner zweiten Saison ist er zu einer wichtigen Säule seines Teams geworden.
Wolf nahm sich die Zeit für ein Gespräch mit 90minuten, nur Stunden später trug er sein Team beinahe im Alleingang zum Sieg - was er mit einer berührenden Geste an seine Heimatstadt Graz abrundete.
Nicht nur er selbst, sondern auch der Fußball in den USA sei auf einem guten Weg, auch wenn er noch Zeit benötige. Die erste Bewährungsprobe ist die unmittelbar bevorstehende Klub-WM.
Wolf spricht im ausführlichen Interview über seinen sportlichen Aufschwung und warum die MLS anders und doch so ähnlich zum europäischen Fußball ist. Wie er die Begegnungen mit Lionel Messi erlebt hat, ein mögliches Comeback im ÖFB-Team und seltene Selfies.
90minuten: Du spielst mittlerweile seit eineinhalb Jahren in den USA. Wie hat dich die Zeit dort als Fußballer, aber auch als Mensch verändert und weitergebracht?
Hannes Wolf: Ich würde sagen, es hat mich sehr weitergebracht. Für mich als Spieler war es einfach wichtig, wieder zu Einsätzen zu kommen. Es war grundsätzlich kein so einfacher Schritt. Ich habe lange überlegt, ob es der richtige ist, weil es so weit weg ist. Du verschwindest ja auch auf eine gewisse Art in Europa von der Bildfläche. Bisher kann ich nichts Schlechtes sagen. Ich bin momentan sehr glücklich hier.
90minuten: Du hast gesagt, du verschwindest ein wenig von der Bildfläche. Das hängt auch damit zusammen, dass du medial weniger präsent bist. Stört dich das? Wie nimmst du das wahr?
Wolf: Ich bekomme das nicht so sehr mit, aber ich kann es mir denken, weil es von der Zeitverschiebung her schon schwierig ist. Ich habe aber grundsätzlich nie so genau verfolgt, was über mich geschrieben wird. Ich wollte es immer so halten, dass ich mich auf mich fokussiere und weniger auf das, was außen herum passiert. Aber es ist natürlich logisch, dass man vom Europa-Radar verschwindet.
Es gibt schon einige Dinge wie Feuerwerke vor unseren Spielen, die in Europa undenkbar sind
90minuten: Ein großer Unterschied ist sicher auch der Lifestyle als Profi in den USA. Wie anders ist es im Vergleich zu Europa, in den USA Profi zu sein?
Wolf: Grundsätzlich muss man es schon so sehen, dass Fußball immer Fußball bleiben wird. In der NBA wird beispielsweise viel Wert auf Show gelegt, jeder kommt im eigenen Outfit zum Spiel. Aber es gibt schon einige Dinge wie Feuerwerke vor unseren Spielen, die in Europa undenkbar sind. Im Grunde ist es aber sehr ähnlich. Man führt hier ein ruhigeres Leben, was aber auch davon abhängt, in welcher Stadt man lebt. New York hat noch so viel mehr zu bieten als unseren Sport. Man hat ein relativ entspanntes Leben, wenn man durch die Stadt läuft.
90minuten: Das ist ein gutes Stichwort: Wie groß ist die "Gefahr", dass dich jemand auf der Straße erkennt und um ein Foto oder Autogramm bittet?
Wolf: Die ist ehrlich gesagt sehr gering. Es ist schon passiert, aber es sind eher Leute aus Österreich oder Deutschland. Mit Fans ist es mir vielleicht zwei oder drei Mal passiert. Das liegt aber nicht daran, dass wir keine Fans haben, bei uns sind bei jedem Spiel 15- bis 20.000 Zuschauer. Aber es (New York, Anm) ist so groß. Ich sehe selbst oft jemanden, wo ich mir denke: Ist das nicht ein Schauspieler? Man hat dann meistens wenig Zeit, um sich damit zu beschäftigen, weil New York so schnelllebig ist und jeder gefühlt durch die Stadt sprintet.

90minuten: Du blickst auf erfolgreiche letzte Wochen zurück. Vor der 14-tägigen Pause hast du gegen Nashville im Doppelpack getroffen, eine Woche zuvor gegen Chicago ein Tor gemacht. Generell spielst du eine starke Saison. Warum läuft es bei dir heuer so gut?
Wolf: Im Fußball hat man wenig Zeit. Man kommt wohin und muss direkt Leistung bringen, aber man muss auch sehen, aus welcher Phase ich letztes Jahr nach New York gekommen bin: Aus einer Meniskusverletzung und mehreren kleinen Verletzungen. Ich hatte keine wirkliche Pause und habe eigentlich eineinhalb Saisonen durch trainiert und gespielt, weil es hier keine typische Sommerpause gibt. Ich habe letztes Jahr schon gute Spiele gemacht, aber ich fühle mich dieses Jahr deutlich wohler, weil ich den Klub und die Liga besser kenne. Ich bin voll im Saft, was Anfang letzten Jahres nicht so war. Wir haben zudem einen Trainer bekommen, der aus Europa ist (Pascal Jansen/NED, Anm.). Es sind schon viele Dinge, die heuer ein bisschen besser passen.
90minuten: Starke Leistungen verstärken naturgemäß auch das Interesse an Spielern. Du hast schon voriges Jahr gesagt, dass eine Rückkehr nach Europa für dich ein Ziel ist, weil du deine besten Fußballer-Jahre noch vor dir hast. Sehen wir dich vielleicht schon bald wieder in Europa?
Wolf: Dadurch, dass ich in ein paar Tagen nach Kroatien fliege, seht ihr mich schon in Europa (lacht). Als Europäer hat man natürlich einen grundlegenden Bezug zum Fußball in Europa. Das Ziel beim damaligen Wechsel war schon, sich wieder für Europa zu empfehlen. Ich kann es aber schwer einschätzen, weil ich nicht weiß, wie die Liga (die MLS, Anm.) in Europa gesehen wird. Ich muss schon betonen, wie wohl ich mich hier fühle, aber natürlich kann ich mir vorstellen, eines Tages wieder in Europa zu spielen.
90minuten: Wie bilanzierst du eure bisherige Saison mit New York? Ihr liegt zwar knapp außerhalb der Playoff-Ränge, aber es ist alles sehr eng beisammen.
Wolf: Ich würde sagen, dass wir eine ordentliche Saison spielen. Wir hatten einen Trainerwechsel und ein, zwei wichtige Spieler verloren. Außerdem spielen wir mit noch jüngeren Spielern als letztes Jahr. In den letzten Wochen sieht man aber schon eine klare Entwicklung, wie wir spielen wollen. Ich glaube, es geht immer um Konstanz, das hat uns letztes Jahr ein wenig gefehlt. Wir haben eine gute Mannschaft, mit jungen, guten "Zockern". Da ist es normal, dass manchmal die Konstanz fehlt. Die Liga ist sehr eng und solange du im Raum der Playoffs bleibst, ist alles in Ordnung.
90minuten: Die Ausgeglichenheit liegt aber wohl auch am System in den USA, wo es unter anderem einen Salary Cap gibt.
Wolf: Ja, zu hundert Prozent. Ich erlebe es ja hier, wie die Liga ist. Ich kenne die österreichische und deutsche Bundesliga, die englische Championship - die MLS ist keine so einfache Liga, eben weil du diese Salary Caps hast. Es gibt kaum Spiele, wo du klarer Favorit oder Außenseiter bist. Man kann sich fast nicht absetzen, weil jeder ähnliche Mittel hat.
Es ist etwas Besonderes, vor 60.000 Zuschauern in New York gegen einen Spieler zu spielen, der Generationen geprägt hat.
90minuten: Du hast bisher zweimal gegen Lionel Messi gespielt. Wie war es für dich, gleichzeitig mit dem vielleicht größten Fußballstar aller Zeiten auf dem Feld zu stehen?
Wolf: Das Spiel in New York war schon eine coole Erfahrung, weil das Yankees Stadium ausverkauft war. Es ist etwas Besonderes, vor 60.000 Zuschauern in New York gegen einen Spieler zu spielen, der Generationen geprägt hat. Das ist eine tolle Möglichkeit, die die Liga mit sich bringt: Man spielt gegen Stars, die vielleicht schon über ihrem Zenit sind, aber du siehst eben trotzdem die Qualität. Man kann nicht leugnen, dass das eine kleine Extra-Motivation mit sich bringt.
90minuten: Hattest du mit ihm in irgendeiner Form Kontakt, gab es vielleicht sogar einen Trikot-Tausch?
Wolf: Ich bin generell nicht der Typ, der Trikots tauscht. Aber ich glaube, dass mit Messi jeder gerne tauschen würde. Es gab ein paar Situationen, in denen unsere spanischsprachigen Spieler mit ihm diskutiert haben. Du stehst dann daneben und denkst dir: Ich muss sie nachher fragen, was sie da besprochen haben. Am Spielfeld willst du aber vor allem gewinnen. Der nötige Respekt ist da, aber wenn es dann zur Sache geht, auch nicht mehr als das. Da wir aber beide Offensivspieler sind, läuft man sich weniger über den Weg, als man denkt.
90minuten: Deine starken Leistungen könnten dich potenziell früher oder später auch wieder ins Nationalteam spülen. Hast du regelmäßig Kontakt zum ÖFB?
Wolf: Ich finde, das Nationalteam macht es derzeit super, ich verfolge es jedoch zeitbedingt nicht so intensiv. Aktuell gibt es keinen Kontakt. Ich glaube, dass es von hier aus schwierig ist, wieder zurück ins Nationalteam zu kommen, weil die Bewertung der Liga meiner Meinung nach nicht ganz richtig ist. So werden die Leistungen vielleicht auch kleiner gemacht, als sie sind. Es ist eine besondere Ehre, für sein Land zu spielen. Ich bin aber entspannt, mein Ziel war es immer, bei meinem Klub Leistungen zu bringen. Ich bin ein Typ, der sich darüber nicht so viele Gedanken macht. Was kommt, das kommt. Das war immer mein Weg.

90minuten: Aber ich höre heraus, dass du dich über einen Anruf von Ralf Rangnick freuen würdest.
Wolf: Natürlich ist es als Profi das Ziel, das Maximum aus deiner Karriere herauszuholen. Da gehört das Nationalteam auf jeden Fall dazu. Ich bin 26 und habe noch keinen Einsatz für das österreichische Nationalteam. Das hätte ich mir mit 18 wahrscheinlich nicht gedacht, so wie es dazwischen gelaufen ist.
90minuten: In Kürze startet die Klub-WM. Mit Red Bull Salzburg ist auch dein Ex-Klub dabei. Wirst du das Turnier verfolgen und insbesondere die Salzburg-Spiele?
Wolf: Die Klub-WM werde ich generell schon verfolgen, nicht nur Salzburg. Dortmund spielt ja beispielsweise in der Nähe (in New Jersey, Anm.). Ich muss schauen, wie es sich mit dem Training ausgeht, aber ich werde natürlich das eine oder andere Spiel verfolgen.
90minuten: Was traust du Salzburg zu? Sie haben ja nicht die einfachste Gruppe erwischt.
Wolf: Ich glaube, das ist ganz schwierig zu sagen. Man weiß ja nicht, wo alle Klubs stehen, mit der kurzen Sommerpause oder eigentlich mitten in der Sommerpause. Es ist die Frage, mit welchen Mannschaften sie dann wirklich auflaufen, weil die Spieler schon an der Belastungsgrenze sind. Es haben ja auch Länderspiele stattgefunden. Salzburg hat schon ein paar Transfers getätigt und es wird spannend sein zu sehen, wie eingespielt sie schon sind. Ich glaube, dass es ein cooles Turnier ist und bin schon gespannt, wie es hier angenommen wird.
Ich glaube, dass der Amerikaner Tickets etwas später kauft. Selbst wenn ich zur NBA gehe, kaufe ich die Tickets manchmal erst vier Stunden vorher.
90minuten: Die Ticketverkäufe laufen schleppend. Ist dieses Turnier in der breiten Öffentlichkeit ein Thema? Interessiert sich jemand dafür?
Wolf: Ich bekomme es natürlich mit, weil ich selbst Profi bin und ich auf meinem Handy den ganzen Tag nichts anderes sehe als Fußball. In New York habe ich davon noch nicht viel gesehen, aber wenn Testspiele der ganz großen Klubs stattgefunden haben, waren die Stadien immer voll. Ich glaube, dass der Amerikaner Tickets etwas später kauft. Selbst wenn ich zur NBA gehe, kaufe ich die Tickets manchmal erst vier Stunden vorher.
90minuten: In einem Jahr steht dann die "richtige" WM am Programm. Welchen Stellenwert hat der Fußball in den USA momentan, vor allem im Vergleich mit den anderen großen Sportarten?
Wolf: Wie ich zuvor schon gesagt habe: Das hängt davon ab, wo du bist. Wenn du beispielsweise in Austin/Texas oder Columbus bist - da hat Fußball einen hohen Stellenwert. In Städten wie New York ist das nicht so leicht, weil du so viele verschiedene Sportarten hast. Zwischen Yankees, Knicks und anderen ist es nicht so einfach, dass sich der Fußball etabliert.
Ich denke, dass es grundsätzlich aber schon ein wachsendes Projekt ist, das von Jahr zu Jahr besser wird. Ich kenne auch Leute, die vor zehn Jahren hier gespielt haben und die sagen, dass es heute etwas ganz anderes ist. Es wird aber noch Zeit brauchen, die WM kann viel bewirken. Eigentlich muss es irgendwann riesig werden, weil das Land gibt alles dafür her. Die Bevölkerung ist fußballbegeistert. Du hast viele Südamerikaner im Land, für die Fußball das allergrößte ist.
Ich hoffe, die Leute können hier zusammenkommen und ein riesiges und friedliches Fest erleben
90minuten: Das US-amerikanische Nationalteam wird an einem möglichen Hype einen großen Anteil haben. Zurzeit gibt es so viele Spieler in europäischen Top-Ligen wie nie zuvor und mit Mauricio Pochettino einen Top-Trainer. Wie passen da die letzten Ergebnisse und Leistungen dazu? Wie schätzt du die Chancen des US-Nationalteams bei der "Heim"-WM ein?
Wolf: Ich denke, dass in einem Jahr generell noch viel passieren wird und sich viele Dinge verändern werden. Daher ist das schwer zu sagen. Es ist den USA zu wünschen, dass sie eine gute Weltmeisterschaft spielen, weil es vielleicht den Hype entfachen würde, den es braucht. Ich denke, dass die Leute das verdienen und auch die Liga, die eine irrsinnigen Aufwand betreibt.
90minuten: Dem Fußball wird immer eine verbindende Wirkung nachgesagt. Traust du so einem Fußballfest wie der WM zu, die aktuellen Gräben in den USA ein wenig zuzuschütten? Zum einen innerhalb des Landes, aber auch mit den anderen beiden Veranstalter-Ländern?
Wolf: Ich denke schon, weil Sport einfach generell verbindet. Ich bekomme es nicht so mit. Ich bin in meinem Leben ja privilegiert und bekomme vielleicht Dinge nicht zu sehen, die andere Menschen hier durchmachen müssen. Jedes Land hat seine guten und schlechten Seiten. Ich glaube, dass vieles von außen anders gesehen und berichtet wird, als es dann am Ende ist.
Es wäre natürlich schön, wenn das hier ein riesiges Fußballfest wird. Ich lebe seit eineinhalb Jahren hier und habe wirklich coole Erfahrungen gemacht. Es hat natürlich auch seine Schattenseiten, aber ich finde die USA sind ein richtig schönes Land, das immer einen Besuch wert ist - speziell für eine Weltmeisterschaft. Ich hoffe, die Leute können hier zusammenkommen und ein riesiges und friedliches Fest erleben.