Gregor Seberg: "Der GAK wird Champions League spielen"
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Gregor Seberg: "Der GAK wird Champions League spielen"

Wie wird man Fußballfan und was bedeutet es, Anhänger eines Fußballvereins zu sein, wenn man selbst Fans hat? 90minuten geht diesen und weiteren Fragen nach und hat sie diesmal dem Schauspieler und GAK-Fan Gregor Seberg gestellt.

Im Format "Promi-Fan" erzählen abseits des Fußballs bekannte Menschen, was und wen sie am Kick besonders finden. In der ersten Ausgabe ist Schauspieler Gregor Seberg zu Gast.

Es ist noch heiß in Wien beim Interview-Termin mit Gregor Seberg im Gastgarten eines Vorstadtbeisls.

Seberg, das wird schnell klar, lebt seine Liebe zum GAK anders als viele andere. Er kann "keine Spieler aufzählen. Ich bin keiner dieser Fans, die dir das Ergebnis vom 4. Oktober 1989 in irgendwo aufsagen können".

Der Schauspieler selbst hat mit den Rotjacken viel mitgemacht. Als 67er-Jahrgang war er beim ersten Cup-Sieg 1981 gar nicht mehr in Graz. Die ersten Fußballspiele machte er bis zum Rauswurf bei Puch Graz, ehe er nach Wien übersiedelte und sich dort einmal für andere Dinge interessierte.

Daraus wurde eine Schauspielkarriere, die ihn auf viele Bühnen und vor zahlreiche Kameras brachte. Von 2006 bis 2017 war er Oberstleutnant Helmuth Nowak in der Serie "SOKO Donau", sogar einen Hollywood-Film hat er gedreht.

In der Traumfabrik gibt es mehr von allem, wie im Vergleich von Real Madrid und seinem GAK. Aber die Grundsätze sind komplett gleich. Während Schauspieler auch in Hollywood nur schauspielen, kicken die Königlichen und die Grazer auch elf gegen elf. Allerdings: "Besoffen vor Glück", wie Seberg den 2004er-Meistertitel beschreibt, ist man wohl nur beim Fußball.

90minuten: Wenn du ein Fußballer in einem bestimmten Spiel sein könntest, wer wäre es?

Gregor Seberg: Das wäre das Spiel, in dem 2004 klar wurde, dass der GAK Meister wird. Da wäre ich gerne in der Mannschaft gewesen, wissend, dass das eine Mörderparty wird.

90minuten: Welche Position hättest du da gespielt?

Seberg: So wie bei meinem Verein FC Wojtyla als hängende Spitze. Du kannst die Bälle verteilen, bist aber nicht der Letztverantwortliche. Wenn du als Routinier dann einen Pass spielst und der junge Stürmer ihn nicht erwischt, kannst du es ihm vorwerfen.

90minuten: Wie kam es eigentlich überhaupt dazu, dass du GAK-Fan geworden bist? Sturm ist ja der größere Verein...

Seberg: Ich kann es nicht wirklich erklären. Meine Schwester und mein bester Freund waren Sturm-Fans, als ich noch unentschieden war. Vielleicht wollte ich zu ihnen in Opposition gehen. Oder weil die "starken Hawis" dort, wo ich aufgewachsen bin, halt GAK-Anhänger waren.

90minuten: Du bist ein 67er-Jahrgang, als du GAK-Fan geworden bist, konnten bis dahin nur Linz und Innsbruck den Wienern Paroli bieten.

Seberg: Der GAK war vor dem Titel ein Klub, der halt mit dabei war, Meister sind die anderen geworden. Aber wenn du in Graz aufwächst, geht es nur um das Derby.

90minuten: Als Kind hast du bei Puch Graz gespielt, wie war das?

Seberg: Ich war Tormann und rechter Flügelstürmer. Aus disziplinären Gründen wurde ich gebeten, nicht mehr zum Training zu kommen.

90minuten: Du bist mit 13 Jahren nach Wien gegangen, welche argen Dinge macht man denn in dem Alter?

Seberg: Naja, ich habe Trainings geschwänzt, mich gestritten und mich nicht an die Anweisungen des Trainers gehalten. Wir haben ja den ganzen Tag gekickt und ich war der Meinung, dass ich es besser weiß.

Ich konnte in der Sekunde die gesamte aufgestaute Arroganz rauslassen. À la: Wer seid ihr? Wie schreibt man "Rapid"? Kenn ich nicht! Ich bin allen tagelang auf die Nerven gegangen mit meinem: "Hier regiert der GAK".

Gregor Seberg

90minuten: Wärst du gut genug für weiter oben gewesen?

Seberg: Das habe ich mir nie konkret überlegt. Ich habe halt viel Sport gemacht und in der Schülerliga gekickt. Da war ich auf eine Sache schon stolz: Wir haben in Liebenau gespielt und es waren ungefähr so viele Fans im Stadion wie Buben auf dem Feld. Einer hat gerufen: "Passts auf den Elfer auf, der ist schnell!" Der Spieler war ich. Aber ehrlicherweise habe ich kein herausragendes Talent gehabt.

90minuten: Mit 13 seid ihr nach Wien umgezogen, dann waren andere Dinge wichtiger und du hast nicht mehr gekickt, oder?

Seberg: Dinge, die nicht erlaubt waren. (lacht) Ich habe schon noch gekickt, aber mein Interesse hat sich verlagert. Das ist eigentlich schade, in Graz hätte ich bei einem anderen Verein wohl weitergespielt oder mich bemüht, beim GAK unterzukommen.

90minuten: Wie ging es mit deinem Fan-Dasein in Wien weiter?

Seberg: Längere Zeit war da relativ wenig. Meine Begeisterung hat wahrscheinlich mehr deshalb weitergelebt, weil ich die Wiener ärgern konnte. Hier gibt es ja nur zwei Hauptreligionen und die Nebenreligion Wiener Sportclub. Als der GAK in Konkurs gegangen ist, hat sich dann später sogar direkt jemand vom Verein gemeldet, weil er gelesen hat, dass ich Fan bin. Da wurden im Zuge dessen ja Schläuche und sogar ein Jetski verkauft.

90minuten: Bleiben wir noch in den 90ern. Langsam kamen auch andere Städte auf, zuerst Austria Salzburg, dann Sturm. War es jemals ein Thema, Fan eines anderen Vereins zu werden?

Seberg: Das war keine Frage. In meiner Generation gab es ja noch Vereinstreue.

90minuten: Außer dem Cup-Sieg 1981 hatte der GAK wenig vorzuweisen. Wie hast du den Titel 2004 erlebt?

Seberg: Besoffen vor Glück. Das war richtig geil. Ich konnte in der Sekunde die gesamte aufgestaute Arroganz rauslassen. À la: Wer seid ihr? Wie schreibt man "Rapid"? Kenn ich nicht! Ich bin allen tagelang auf die Nerven gegangen mit meinem: "Hier regiert der GAK". Ich weiß, dass das kindisch ist, aber ich habe so einen naiven Zugang zum Fußball.

2004 war das rote Graz glücklich, förmlich "besoffen vor Glück".
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2004 war das rote Graz glücklich, förmlich "besoffen vor Glück".

90minuten: Wie kann man sich diesen vorstellen? Können wir eine Taktikdiskussion anreißen?

Seberg: Gar nicht, ich kann dir auch keine Spieler aufzählen. Ich bin keiner dieser Fans, die dir das Ergebnis vom 4. Oktober 1989 irgendwo aufsagen können. Davon habe ich keine Ahnung, es interessiert mich nicht. Ich freue mich, wenn der GAK gewinnt, aber die Woche ist nicht im Orsch, wenn er verloren hat. Und man muss auch sagen: Das ist der GAK, wir haben einmal einen Meistertitel geholt. Davon müssen wir jetzt lange zehren.

90minuten: Immerhin ist der GAK Meister aller Klassen.

Seberg: Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erzählt habe, aber ich war auf einem Match, da waren sie in der 2. oder 3. Liga und ich war in Graz. Man hat mich gebeten, den Ankick zu machen, und sie haben sehr hoch gewonnen. Sie meinten, ich soll wieder kommen, aber ich sagte: "Nein, nie mehr – besser wird es nicht."

90minuten: Wie oft gehst du heutzutage ins Stadion?

Seberg: Selten. Das ist mit meinem Beruf schwer vereinbar, weil ich am Samstag meistens spiele oder drehe. Was mich aber wirklich abschreckt, wie beim Cupspiel vor zwei Jahren, ist die Gewalt. Ich will mit meinem Kind nicht hingehen, weil wenn sich ein Sessel oder eine Bierflasche verfliegt oder sich ein ang'soffener Sautrottel verschaut, kann es mein Kind erwischen. Das will ich nicht. Das ist eine so depperte Unkultur.

90minuten: War das früher anders?

Seberg: Genauso und vielleicht noch schlimmer. Mich ärgert es, dass der Mensch nichts dazu lernt. Liebe Jugendliche, die ihr das lest: Man darf g'scheiter werden. Man hat sogar das Recht, ist vielleicht dazu verpflichtet. Es gibt ja nichts Sinnloseres, als sich wegen 22 Männern oder Frauen, die kicken, in die Gosch’n zu hauen. Du bist denen ja egal, die spielen nicht deinetwegen, sondern weil sie Geld verdienen.

Bei beiden Sachen sitzen die Menschen da und schauen anderen bei etwas zu, was sie besonders gut können. Du musst als Kicker und Schauspieler im Moment funktionieren.

Gregor Seberg

90minuten: Fußball und Schauspielerei sind beides Freizeitdienstleister, aber niemand rastet wegen eines Theaterstücks aus oder ist unendlich traurig, wenn in Hintertupfing ein Theater zusperrt. Der GAK war mehrmals in Konkurs. Wie hast du das erlebt?

Seberg: Es hat einen schon traurig gemacht. Man fragt sich ja auch immer, wie so etwas passieren kann. Als im Raum stand, dass der Verein vielleicht gar nicht neu gegründet wird, dachte ich schon, dass es damit vorbei wäre. In Wien hätte es schon den Sportclub gegeben, das hätte ich aber nur gemacht, weil es sonst nichts gibt. Ein Leben ohne GAK macht schon Sinn, aber es ist nicht schön. Mir gefällt ja auch das Clown-hafte. Da hat es einen Tormann gegeben, der immer eine lange Hose anhatte. Oder Michael Liendl! Der hat einmal den Bruno für das schönste Tor gewonnen. Wir haben das nachgestellt und er hat es genau gleich wieder getroffen. Der kann das. Das liebe ich! Sie sind Künstler.

90minuten: Wie lebst du dein Fantum heute?

Seberg: Ich habe Leute in Graz, die mir Liveberichte und Videos schicken, wie die Stimmung ist. Das ist super, aber ich lasse es derzeit leider schleifen. Weil ein Match im Fernsehen anzusehen, taugt mir auch nicht. Aber wenn ich zufällig Samstag oder Sonntag in Graz bin, gehe ich hin.

Seberg hat den GAK anders im Blick als viele Fans - aber im Blick
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Seberg hat den GAK anders im Blick als viele Fans - aber im Blick

90minuten: Gehst du in Wien zu den Nationalteams?

Seberg: Das ist zeitlich auch schwierig. Aber ich finde Frauen und Männer super. Ich war ja länger künstlerischer Leiter der Bruno Gala und so habe ich einen tollen Einblick bekommen. Ich bin übrigens auch, was man nicht glaubt, Fan von Real Madrid.

90minuten: Wie kam das?

Seberg: Man möchte meinen, Barcelona passt besser. Ich war einfach als Jugendlicher dort und da waren bei einem Training 80.000 Menschen im Stadion. Es ging um nichts, ein paar Spieler haben den Ball herumgekickt. Und sie sind ein Mitgliederverein. Ich weiß das ja aus der Schauspielerei, weil ich einmal den Franz Werfel in einer Hollywood-Produktion gespielt habe: Die kochen alle auch nur mit Wasser und es schaut besser aus.

90minuten: Allerdings weiß man beim Theater in den meisten Fällen, was einen erwartet.

Seberg: Schauspiel ist, soweit ich weiß, noch älter als Fußball. Aber bei beiden Sachen sitzen die Menschen da und schauen anderen bei etwas zu, was sie besonders gut können. Du musst als Kicker und Schauspieler im Moment funktionieren, der Pfiff ertönt, der Vorhang geht hoch, und du musst da sein. Ein Unterschied ist, dass wir keine technische Unterstützung haben. Der eigene Körper ist das Werkzeug.

Beim GAK ist bei mir sowieso Hopfen und Malz verloren – ich bin davon überzeugt, dass wir wieder Meister werden und Champions League spielen.

Gregor Seberg

90minuten: Wobei Netflix und Co. Film und Fernsehen schon verändert haben. Vielleicht so ähnlich wie das Bosman-Urteil.

Seberg: Ich meine gar nicht so sehr SOKO Donau, sondern das Theater. Da ist es schon so, dass du eine Komödie spielst und ein Witz zündet am Donnerstag und am Freitag nicht. Das ist natürlich nicht eins zu eins dasselbe wie im Fußball. Aber der Anspruch ist schon, dasselbe immer wieder zu machen. Der Arjen Robben hat doch gefühlt immer dasselbe Tor geschossen.

90minuten: Wie ist es eigentlich für dich, Fan zu sein, wenn man selber Fans hat (Anm.: Tatsächlich kommt nachher ein Gast her und bittet um ein Foto mit Gregor Seberg)?

Seberg: Das vergisst du in dem Moment ja auch. In meinem Job passiert es schon manchmal, dass einer um ein Selfie fragt und wenn einer anfängt, kommen gleich mehr daher. Aber das gibt es im Fußball ja auch. Die Leute wollen alle nur den Goalgetter und nicht den Verteidiger. Messi, Mbappé oder Ronaldo haben einen Torjubel, der Dragovic hat das nicht, obwohl er ein Mörderkicker ist.

90minuten: Wärst du lieber selber Kicker geworden, alleine wenn du dir anschaust, was die verdienen? Da kann doch nur der Christoph Waltz irgendwie mithalten.

Seberg: Die fetten Jahre beim Drehen oder Theaterspielen sind vorbei, mit ein paar Ausnahmen. Aber bei Kickern endet das ja irgendwann mit spätestens 40 Jahren. Du hast eine recht kurze Zeitspanne, um Geld zu verdienen, und musst dann bei solchen Schnapsideen wie der Klub-WM mitmachen. Das ist schon sehr stressig. Und wir leben in einer heldenfreien Zeit, da sind Sportikonen der Ersatz und man projiziert viel auf sie. Als würde der Messi selbst beim Schnitzelschneiden besser sein.

Seberg ist mit dem Fußball per du - wie hier bei der Bruno-Gala
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Seberg ist mit dem Fußball per du - wie hier bei der Bruno-Gala

90minuten: Vor allem ist es ja nicht so, dass die Scheichs sich einen Gregor Seberg oder Matthias Schweighöfer in die Wüste holen. Sondern Cristiano Ronaldo.

Seberg: Ich glaube, sein Geheimnis ist, dass er clever ist. Vielleicht steht er auf 2-Millionen-Euro-Autos, aber die Leute finden sowas ja toll. Wir kommen ja alle gleich auf die Welt und lernen dann etwas, werden vielleicht richtig gut. Aber ich möchte eine Anekdote über Erling Haaland erzählen.

Ich habe, als er in Dortmund war, per Videoschalte für die Fußballergewerkschaft mit ihm gesprochen und extra zwei Sätze Norwegisch gelernt. Die habe ich aufgesagt, und er hat mich dann gefragt, was das war, weil es war viel, aber nicht Norwegisch. Das war wahnsinnig sympathisch. Und natürlich denke ich mir manchmal schon auch: Wenn mich der Kellner erkennt, bekomme ich vielleicht meine Frittatensuppe schneller.

90minuten: Und wenn man doch SOKO Dubai drehen will, du also dieselbe Chance bekommst wie die Kicker, was machst du dann?

Seberg: Ich sage einmal so: Ich wurde öfter gefragt, ob ich Dancing Stars machen will, und habe öfter abgelehnt, weil ich mir das nicht vorstellen kann. Irgendwann fragen sie dann einfach: "Was sollen wir dir zahlen?" Und dann hast du natürlich dieses Teufelchen auf der Schulter, das meint, man kann sich schon zum Deppen machen. Das hat wohl jeder so. Wenn mich Dubai unbedingt will, möchte man natürlich Nein sagen, aber …

Ich zeige es anhand einer anderen Geschichte: Ich habe einmal ein Interview über einen Schauspieler gelesen, der gefragt wurde, ob er in Hongkong einen Film drehen will – er wäre dort ein Nazi. Er hat es gemacht und spielt jetzt oft einen Nazi in Hongkong-Produktionen und lebt wie Gott in Frankreich. Natürlich taugen mir in Dubai viele Dinge nicht, wie die Menschenrechtssituation. Aber ich möchte mich nicht edler machen, als ich bin. Ich weiß nicht, was ich machen würde, wenn sie mit einem goldenen Rolls-Royce winken.

Ralf Rangnick ist für uns ein Glücksfall. Wer immer ihn kritisiert, soll sich einen Sandhaufen kaufen, seinen Kopf reinstecken und da reinreden.

Gregor Seberg

90minuten: Wie lange können wir Fußball noch so naiv schauen?

Seberg: Schwer zu beantworten. Man muss die Ansprüche hierzulande nach innen runterschrauben und nach außen nach oben. Beispielsweise ist Ralf Rangnick für uns ein Glücksfall. Wer immer ihn kritisiert, soll sich einen Sandhaufen kaufen, seinen Kopf reinstecken und da reinreden. So was Blödes, aber auch von den Funktionären. Das kannst du auch schreiben. Wir müssen diese Zeit nutzen, weil der Arnautović nicht jünger wird.

Beim GAK ist bei mir sowieso Hopfen und Malz verloren – ich bin davon überzeugt, dass wir wieder Meister werden und Champions League spielen. Aber natürlich soll man nicht alles machen. Das neue Stadion in Liebenau soll 150 Millionen Euro kosten und es gibt so viele arme Menschen in Graz.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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