Erster Sommer Red Bull Salzburg: "Klar, dass das eine Topmannschaft wird"
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Erster Sommer Red Bull Salzburg: "Klar, dass das eine Topmannschaft wird"

Marc Janko wurde 2005 als fünfter Neuzugang der Ära Red Bull in Salzburg präsentiert. Nach 20 Jahren erinnert sich der langjährige Nationalspieler mit 90minuten an die Anfangszeit zurück.

Mit 21 Jahren durfte Marc Janko am 8. Dezember 2004 für die Admira in der Bundesliga debütieren. 95 Tage später schickte er den SV Austria Salzburg mit seinem zweiten Liga-Tor tiefer in die ohnehin schon schmerzhafte sportliche Krise.

Was damals noch nicht absehbar war: Weitere 75 Tage später wurde der Stürmer als fünfter Neuzugang von Red Bull Salzburg - frisch von Didi Mateschitz übernommen - präsentiert. Bei 90minuten erinnert sich der langjährige Nationalteamstürmer an die ersten Monate zurück.

Treffpunkt Autobahnraststätte

Anfang April trat der Energydrink-Hersteller erstmals und einigermaßen überraschend in Salzburg auf den Plan. Als sportliche Leitfigur wurde Kurt Jara engagiert, der zuletzt in Deutschland den HSV und Kaiserslautern trainiert hatte. Der Tiroler sollte einen Kader zusammenstellen und ab dem Sommer trainieren.

Janko hatte er dabei früh als Perspektivspieler auf der Liste: "Ich wusste schon ein, zwei Monate vor dem Wechsel von dem Interesse. Ich hatte im Winter den Sprung in die erste Mannschaft bei der Admira geschafft und noch keinen richtigen Profi-Vertrag unterschrieben. Als der Einstieg von Red Bull dann wirklich fix war, ist es schnell gegangen. Ich habe mich mit Kurt Jara in einer Raststation zwischen Wien und Salzburg getroffen, er hat mir von dem Projekt erzählt."

Er hat viele Superlative verwendet, mich hat das als junger Spieler beeindruckt, wen sie noch so holen wollen.

Janko über das Erstgespräch mit Kurt Jara

Die Ambitionen waren von Beginn weg groß, aus dem Abstiegskandidaten der Saison 2004/05 sollte innerhalb kurzer Zeit ein Titelanwärter geformt werden.

"Ich habe natürlich nach dem Gespräch mit Kurt Jara gewusst, was sie vorhaben. Er hat viele Superlative verwendet, mich hat das als junger Spieler beeindruckt, wen sie noch so holen wollen, wer schon zugesagt hat, bei wem nur mehr die Unterschrift fehlt. Es war klar, dass das eine Topmannschaft werden wird, die um Titel mitspielt. Und für mich hat es perspektivisch die Chance gegeben, dass ich viel lernen kann und - wenn ich es gut mache - auch zum Spielen komme."

Großer Schritt aus der Südstadt

Bei der Admira war die Situation für junge Spieler inmitten der 2000er-Jahre nicht einfach. "Zu der Zeit, in der ich Profi geworden bin, hat der Verein immer um den Abstieg mitgespielt. Finanziell war man daher auch nicht auf Rosen gebettet. Es kam sogar vor, dass während dem Duschen das Warmwasser abgedreht wurde, oder wir bitten und betteln mussten, um die Kraftkammer des Bundessportzentrums zu benutzen", erinnert sich Janko.

Sein Verdienst als Jungprofi lag damals bei rund 1.000 Euro - nachdem Gerüchte über einen Abschied die Runde machten, fand er sich im Büro eines Vereinsmanagers wieder. "Ich hatte keinen Berater und habe die Verhandlungen selbst geführt, mir wurde eine Verlängerung um fünf Jahre angeboten", erzählt der 42-Jährige im Gespräch mit 90minuten.

Großzügig war das Angebot nicht, rund 100 Euro mehr hätte es ihm eingebracht, obwohl er inzwischen zum Stammspieler aufgestiegen war. Dass man in dieser Konstellation den Glauben an eine ernsthafte Perspektive verliert, liegt nahe.

Namhafte Konkurrenz

Schon fest stand, dass Torschützenkönig Christian Mayrleb von Pasching nach Salzburg wechseln würde. Wenig später legte Red Bull nach: Alexander Zickler kam vom FC Bayern München, dazu Vratislav Lokvenc von Bundesliga-Absteiger Bochum - die Sturmzentrale war damit innerhalb kurzer Zeit überbesetzt.

Wenn Woche für Woche neue Transfermeldungen eintrudeln, kann ein junger Spieler schon einmal nervös werden. "Ich war eigentlich ein No-Name. Viele Leute im Admira-Umfeld haben mir damals von dem Wechsel abgeraten. Auch die 'Kronen Zeitung' hat einen eigenen Artikel geschrieben, dass meine Karriere mit diesem Wechsel vorbei sein wird."

Die hochkarätig besetzte Salzburger Offensive um Janko: Wolfgang Mair, Christian Mayrleb, Vratislav Lokvenc, Alexander Zickler (v.l.n.r.)
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Die hochkarätig besetzte Salzburger Offensive um Janko: Wolfgang Mair, Christian Mayrleb, Vratislav Lokvenc, Alexander Zickler (v.l.n.r.)

Janko entschied sich für eine andere Herangehensweise: "Ich habe mir damals mit meinen knapp 21 Jahren gedacht, dass es sehr gut für mich sein könnte, jeden Tag mit den Besten in Österreich zu trainieren. Ich habe mir zugetraut, in diesem Umfeld mittelfristig zu spielen und zu treffen. Einen Torriecher habe ich immer schon gehabt. Der Gedanke war: Bei Salzburg sollte es viele Möglichkeiten geben, gut in Szene gesetzt zu werden, weil die Mitspieler ein Stück besser sind."

Auch wenn Kurt Jara, Mateschitz-Berater Franz Beckenbauer und weitere Verantwortliche schon früh die Worte "Konzept" und "Philosophie" in den Mund nahmen, lag der Schwerpunkt nicht sofort auf der Entwicklung junger Talente.

"Ich unterstelle im Nachhinein einfach einmal, dass man das mit zwei oder drei jungen Perspektivspielern aufhübschen wollte. Ich glaube nicht, dass es einen konkreten Plan gab, junge Spieler zu entwickeln und weiterzuverkaufen. Wenn sie funktionieren, ist es okay. Wenn nicht, dann wäre es auch egal gewesen", ordnet Janko ein.

"Vielleicht hat der Blick aufs Konto getröstet"

Wer sich die erste Salzburger "Bullen"-Mannschaft als überhebliches Starensemble vorstellt, liegt daneben.

Auch mit gestandenen Profis konnte man auf Augenhöhe kommunizieren, sie haben sich Zeit genommen, um mit mir zu reden.

Janko über die gute Teamchemie in Salzburg 2004/05

"Ich war damals erst ein halbes Jahr lang Profi und konnte das nicht gut einschätzen. Bei der Admira bin ich zu einer abstiegsbedrohten Mannschaft gestoßen. Vor allem für junge Spieler war es dort nicht einfach, es gab Mitspieler, die versucht haben, uns das Selbstvertrauen zu nehmen. In Salzburg war das komplett anders: Auch mit gestandenen Profis konnte man auf Augenhöhe kommunizieren, sie haben sich Zeit genommen, um mit mir zu reden", erzählt Janko und nennt ein Beispiel:

"Christian Mayrleb ist als Torschützenkönig nach Salzburg gewechselt und hat nicht so viel Spielzeit bekommen, wie er sich das vielleicht vorgestellt hat. Trotzdem hat er sich untergeordnet. In einem gewissen Alter - über 30 - sieht man das ganze vielleicht auch nicht mehr so eng. Vielleicht hat auch der Blick aufs Konto getröstet."

Er zieht einen Vergleich: "Ich würde es vergleichen mit PSG in den frühen 2010er Jahren, nur auf einer komplett anderen Leistungsstufe. Man hat auf Persönlichkeiten gesetzt, ohne mit der letzten Konsequenz zu prüfen, ob das auch wirklich auf dem Feld funktionieren kann. Vielleicht hat dieser ganz große Hunger im ersten Jahr auch noch gefehlt."

Probleme beim Transfer

Jankos eigener Transfer verlief nicht reibungslos: "Nachdem der Wechsel schon angekündigt war, gab es einen Rechtsstreit zwischen Salzburg und der Admira, weil nicht klar war, ob zusätzlich zur Ausbildungsentschädigung auch eine Ablösesumme fließen muss. Bei meinem Jungprofi-Vertrag war das damals rechtlich nicht ganz klar."

Janko hatte in Salzburg bereits einen Dreijahresvertrag unterschrieben, obwohl die Admira zuvor eine Option auf eine automatische Vertragsverlängerung gezogen hatte. Der Kontrollausschuss der Bundesliga gab der Admira recht. Schon ein Jahr zuvor durfte Markus Katzer in einer ähnlichen Situation ablösefrei von der Admira zu Rapid wechseln, seine Klausel war damals für ungültig erklärt worden.

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Marc Janko nach seinem ersten Tor für Salzburg im November 2005, ausgerechnet gegen die Admira. (Foto: GEPA)

Der Vergleich zur aktuellen Situation von Hartberg-Verteidiger Paul Komposch, der sich jetzt auch noch einen Kreuzbandriss zugezogen hat, liegt nahe. "Man hat sich damals zuerst darauf geeinigt, dass ich bei den Amateuren spielen darf, um Spielpraxis zu sammeln. Irgendwann wurde dann auch eine Ablösesumme für mich bezahlt und damit haben beide Seiten ihr Einverständnis gegeben, dass ich doch wechseln darf. Für mich war das belastend, weil ich nicht genau wusste, wie es mit mir weitergeht. Es stand ja auch im Raum, dass ich vielleicht auch wieder zur Admira zurück muss - das wäre natürlich nicht ideal gewesen." Mitte Juli wurde der Transfer dann offiziell, sportlich startete der Stürmer dann vor allem in der zweiten Saisonhälfte durch.

Viel Spektakel

Auch in vielen Belangen abseits des Platzes konnten die Salzburger Spieler in eine neue Welt eintauchen. Schon für die Teampräsentation Mitte Juni wurde großer Aufwand betrieben, das erste Testspiel wurde - damals unüblich - auf der neuen Klubhomepage live übertragen. Bei der ersten Partie im rundum erneuerten und in Red-Bull-Optik getauchten Heimstadion war viel Sportprominenz geladen, von Skispringer Andi Goldberger bis zum Fahrertrio des Formel-1-Rennstalls waren alle dabei.

Der Mannschaft wurde einiges geboten: "Wir haben auch viel von den anderen Sportarten mit Red-Bull-Präsenz miterleben dürfen. An einem freien Spielwochenende wurden wir als Mannschaft mit der DC-6 von Didi Mateschitz zum Formel-1-Grand-Prix in Belgien geflogen, haben einen Tag an der Rennstrecke verbracht, super gegessen und waren am Abend wieder in Salzburg. Das war schon beeindruckend."

Man hat gleich gemerkt, dass das Marketing eine sehr große Rolle spielt. Wie man sich nach außen gibt, war sehr wichtig.

Marc Janko

Noch im Juli 2005 wurde das Salzburger Team mit neuen Audis als Firmenwagen ausgestattet und von Hugo Boss mit Anzügen versorgt. Für Janko war das ein nennenswertes Upgrade: "Ich bin davor mit einem Mazda Popeye gefahren, der schon fast auseinander gefallen ist. Thomas Linke hat mir einmal seinen S6 geborgt, das war natürlich cool, ich habe meine ganzen Freunde angerufen. Da lässt man sich als junger Spieler vielleicht auch ein bisschen blenden."

"Es gab natürlich eine große Aufbruchsstimmung, man hat schon gewusst, dass ein Einstieg von Red Bull nicht ruhig ablaufen wird, sondern dass sie sich das auch richtig etwas kosten lassen. Jede Präsentation, jeder Ausflug war perfekt geplant. In der Anfangszeit hat man gleich gemerkt, dass das Marketing eine sehr große Rolle spielt. Wie man sich nach außen gibt, war dem Klub und der Marke dahinter sehr wichtig", meint er rückblickend.

Marc Janko mit Formel-1-Pilot David Coulthard
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Marc Janko mit Formel-1-Pilot David Coulthard

Die Spieler zwischen den Fronten?

Die Übernahme des Vereins durch Red Bull hatte auch ihre Schattenseiten. Bei jedem Spiel wurde protestiert, viele Anhänger der Austria bemühten sich letztendlich vergeblich um den Erhalt der Identität und violett-weißen Vereinsfarben.

Auch wenn die Aktionen großteils friedlich abliefen, gab es in der Anfangszeit das ein oder andere Problem. "Ich hatte deswegen keine schlaflosen Nächte, es hat sich auch nicht direkt gegen einzelne Spieler gerichtet. Aber unsere Autos waren mit einem Bullen gebrandet, man konnte uns also gut zuordnen. Hin und wieder hat es Beschimpfungen oder Vandalismus gegeben", sagt Janko.

Red Bull hat verständlicherweise gesagt: 'Wenn wir den Klub übernehmen, wollen wir unsere Interessen durchsetzen.'

Marc Janko

Grundsätzlich hat er Verständnis für beide involvierte Seiten: "Red Bull hat verständlicherweise gesagt: 'Wenn wir den Klub übernehmen, wollen wir unsere Interessen durchsetzen.' Auf der anderen Seite gab es eine alteingesessene Fangemeinde, die ihre Farben behalten wollte."

Die Umgestaltung des Vereins wurde rasch umgesetzt, von der bisherigen Tradition blieb kaum etwas übrig. "Man muss schon auch sagen, dass es den Verein in dieser Form nicht mehr gäbe, wenn Red Bull nicht eingesprungen wäre. Sie hatten massive finanzielle Sorgen."

Die Leitfigur(en) in Salzburg

Auf die Frage nach prägenden Erlebnissen und Verbindungen in den ersten Monaten bei Red Bull Salzburg fallen zwei Namen. "Zu Kurt Jara hatte ich immer einen sehr guten Draht. Er war derjenige, der etwas in mir gesehen und mich zu diesem Starensemble dazugeholt hat. Vor allem in der Anfangszeit haben wir viele Gespräche geführt, er hat mir Mut zugesprochen und mir glaubhaft vermittelt, dass ich eine faire Chance habe, mich da durchzusetzen."

Dietrich Mateschitz und Franz Beckenbauer mit den ersten Red Bull Salzburg Trikots
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Dietrich Mateschitz und Franz Beckenbauer mit den ersten Red Bull Salzburg Trikots

Dann kommt Janko aber vor allem auf Didi Mateschitz zu sprechen. "Ich durfte ihn später in einer für mich unfassbar schweren Zeit richtig kennenlernen. Ich hatte mich 2007 schwer verletzt, damals war nicht einmal klar, ob ich jemals wieder schmerzfrei gehen kann. In dieser Zeit hat mein Handy geläutet, ich habe die Nummer nicht gekannt und abgehoben, dann war er dran. Er hat gesagt, dass ihm wahnsinnig leid tut, dass mir das passiert ist und dass ich auf seine Unterstützung zählen kann. Mich hat es menschlich sehr beeindruckt, ich habe zu diesem Zeitpunkt ja gerade einmal eine halbe Saison erfolgreich Fußball für Salzburg gespielt."

Dem jungen Stürmer wurden zusätzliche Behandlungsmethoden ermöglicht, weshalb er bis heute dankbar und Red Bull weiterhin verbunden bleibt. "Diese Dankbarkeit war auch einer der Hauptgründe, warum ich noch eine Saison länger in Salzburg geblieben bin: Weil Didi wollte, dass ich bleibe."

Eine beeindruckende Erfolgsgeschichte

Über die Jahre blieben im Verein nur wenige Steine aufeinander, immer wieder wurde vor und hinter den Kulissen umgebaut. Bis zum fertigen Produkt, mit dem über Jahre konstant Erfolge gefeiert werden konnten, sollte es noch lange dauern.

Die Ambition der handelnden Personen und des Konzerns im Hintergrund war aber von Beginn weg erkennbar. "Für mich war das alles überwältigend, eigentlich ein Unterschied von 0 auf 100. Die Organisation im Hintergrund, die medizinische Betreuung, die Annehmlichkeiten waren alle auf einem enorm hohen Niveau. Es gab den ernsthaften Plan, als Verein zu wachsen. Dass es so lange gedauert hat, bis man international Erfolge feiern konnte, war vielleicht nicht absehbar", erinnert sich Janko.

Red Bull hat im positiven Sinn einen Beitrag zur Entwicklung des österreichischen und europäischen Fußballs geleistet.

Marc Janko

"Man kann meiner Meinung nach nicht wirklich darüber diskutieren: Red Bull hat im positiven Sinn einen Beitrag zur Entwicklung des österreichischen und europäischen Fußballs geleistet. Wenn man sich anschaut, welche Spieler, Trainer und Sportdirektoren über diesen Verein ihre Wege gefunden haben, ist das beeindruckend. Man hat es am Ende doch in einem relativ kurzen Zeitraum geschafft, etwas Nachhaltiges aufzubauen. Das ist eine beeindruckende Erfolgsgeschichte."


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