Canadi: "Bin in den Medien sehr negativ dargestellt worden"
Foto © EN Paralimniou

Canadi: "Bin in den Medien sehr negativ dargestellt worden"

Damir Canadi trainiert den zyprischen Klub EN Paralimniou. Die Insel ist das siebte Land, in dem er als Trainer arbeitet. Zeit, mit ihm darüber zu sprechen. Zudem spricht über seine Zeit bei Rapid und in Österreich.

"Nehmt's net immer die Rapid-Fotos, das ist jetzt siebeneinhalb Jahre her", bittet Damir Canadi, bevor 90minuten Fragen stellt. Das kurze Intermezzo von November 2016 bis April 2017 hat ihn nicht nur öffentliche Reputation gekostet.

Genau genommen hat er einen Punkt: Das ist alles lang her. Er, der damals vom Tabellenführer SCR Altach nach Hütteldorf kam, war mit Atromitos Athen historisch erfolgreich, betreute den 1. FC Nürnberg; nach zwei Rückkehren - Athen, Altach - heuerte er in Sibenik an, war kurz bei Velez Mostar.

Heute steht er am Strand der geteilten Insel Zypern. EN Paralimniou. Das war eine quasi unmögliche Aufgabe, als er kam. Im Oktober 2024 war der Verein haushoher "Favorit" auf den Abstieg. Canadi hat das Ruder herumgerissen und geht in die nächste Saison mit der Fahrstuhlmannschaft. Grund genug, mit ihm über all das zu reden.

90minuten: Herr Canadi, was muss man über EN Paralimniou wissen?

Damir Canadi: Als ich den Klub 2024 übernommen habe, kannte ich den Verein auch nicht wirklich. In meiner Zeit in Griechenland habe ich den zyprischen Fußball am Rande mitbekommen. Enosis Neon Paralimniou ist ein bisschen wie die Vienna, der Wiener Sportclub oder Austria Salzburg - ein Verein mit großer Historie, aber ein Ausbildungsverein für die Großen im Lande. Bis 2013 haben sie viereinhalb Jahrzehnte durchgehend erstklassig gespielt, seitdem geht es rauf und runter. Wir haben es nach dem Aufstieg im Sommer ab Oktober geschafft, die Liga zu halten.

90minuten: Wie ist der zypriotische Fußball?

Canadi: Ich bin jetzt im siebten Land und gebe ungern Einschätzungen ab. Hier ist es aber nicht wie in Deutschland oder sogar Österreich. Zwei, drei Vereine spielen in Limassol, in Nikosia spielen auch zwei Klubs. Sie haben keine eigenen Stadien. Auch die Anreisezeiten sind anders, maximal zwei Stunden. Das ist ein Vorteil. Im Sommer wiederum ist es sehr heiß, also muss man andere Trainingszeiten suchen. Insgesamt versucht Zypern, den Fußball neu zu strukturieren, mit viel Geld - die Großklubs haben zwischen 25 und 40 Millionen Euro Budget - und Akademien. Noch spielen viele Ausländer bei den Vereinen. 

Ich behandle ihn nicht anders als andere und versuche keine Emotionen zu haben. Wir können uns aber nicht so gegenseitig helfen, wie man das von außen vielleicht vermuten würde oder bewertet.

Damir Canadi über die Zusammenarbeit mit Sohn Marcel

90minuten: Wie kamen die Östereicher hierher?

Canadi: Marco Krainz kam im September, er ist der Grund, warum ich unterschrieben habe. Ich habe mit ihm telefoniert, sie waren am Tabellenende mit drei Punkten nach zehn Spielen. Das Gespräch war ausschlaggebend für meine letztendlich gute Entscheidung. Wir haben die jüngste Mannschaft, drei Spieler verkauft und trotzdem den Klassenerhalt geschafft. Markus Kuster kannte ich bereits, er hat zuletzt in der Schweiz gespielt. Wir haben einen Keeper gebraucht. Nun muss er sich durchsetzen. 

Mein Sohn Marcel war im Winter ein Wunschspieler meines Co-Trainers und des Sportdirektors. Ich habe viel nachgedacht, ob das eine gute Idee ist, weil er eben mein Sohn ist. Umgekehrt ist er schon fast 28 Jahre alt. Letztlich haben wir ihn aus Amerika geholt, da es ihm dort nicht gefallen hat. Ich kenne die Spieler, sie haben alle einen guten Charakter - am Ende entscheidet aber der Verein.

90minuten: Wie waren die Gespräche mit Ihrem Sohn?

Canadi: Er weiß, dass ich Beruf und Privatleben gut trennen kann. Das hat er akzeptiert. Vielleicht finden manche Spieler das etwas streng an mir. Ich behandle ihn nicht anders als andere und versuche keine Emotionen zu haben. Er hat eine gute Saison gespielt und war ein wichtiger Bestandteil, mit fünf Assists und einem Tor, bei Standards hat er für Gefahr gesorgt. Wir können uns aber nicht so gegenseitig helfen, wie man das von außen vielleicht vermuten würde oder bewertet. Das ist mir schon bewusst. Am Ende waren wir erfolgreich – also ist es gut gegangen.

90minuten: Zypern liegt in der Nähe Israels, ist selbst geteilt. Was bekommen Sie da alles mit?

Canadi: Das Land ist seit dem Krieg zwischen Griechenland und der Türkei 1974 geteilt. Die Trennung ist ja nie aufgehoben worden. Famagusta liegt beispielsweise nur zehn Kilometer von uns entfernt, das ist eine Geisterstadt. In Paralimni gibt es für Touristen die schönsten Strände, das ist der wunderbarste Teil des Landes. Vom Rest habe ich persönlich nicht viel mitbekommen. Man macht sich natürlich Gedanken darüber, aber wir spüren es überhaupt nicht. Das Klima ist ruhig und angenehm, und so ist auch das Leben für mich.

90minuten: Was sind denn die sportlichen Ziele für diese Saison?

Canadi: Wir wollen nicht in eine schwierige Situation geraten und bis zuletzt um den Ligaerhalt zittern. Jetzt muss man die Mannschaft sorgsam zusammenstellen: Wir haben neun Transfers getätigt, haben Sakic geholt, den ich von Altach und Atromitos kenne. Sie geben uns Stabilität. Wir wollen nicht um den Klassenerhalt zittern. Wir haben den Ex-Tottenham-Spieler Ahmed Hossam Mido als Investor bekommen, er bringt uns auch Spieler aus Afrika. Man muss schauen, wie diese Zusammenarbeit letztlich läuft, das können wir aktuell bis jetzt nicht abschätzen.

EN Paralimniou ist eine knifflige Aufgabe, die Canadi gelöst hat
Foto © EN Paralimniou
EN Paralimniou ist eine knifflige Aufgabe, die Canadi gelöst hat

90minuten: Was war retrospektiv der Lieblingsjob, wo hat es ihnen am meisten getaugt?

Canadi: Jedes Team hatte so seine Herausforderungen und mein persönlicher Reichtum ist es, in so vielen Ländern gearbeitet zu haben, die Kulturen, Menschen und Spieler kennenzulernen. Das bringt einen auch menschlich weiter. Es ist ja auch lehrreich, sich in neuen Ländern zurechtzufinden. Das wird mit der Erfahrung aber besser und einfacher. Wer nur Österreich kennt und nichts anderes, hat diesen Blickwinkel vielleicht nicht.

90minuten: Wo hatten Sie die beste Zeit als Trainer, quasi der "Prime-Canadi"?

Canadi: Da gab es sehr viel. Etwa, im Amateurbereich Meister zu werden. Mit Altach sind wir in die Bundesliga aufgestiegen und haben Europacup-Quali gespielt. Mit Atromitos haben wir überhaupt alle Klubrekorde gebrochen und zweimal Europa League gespielt. Der Ligaerhalt hier war fast wie der Gewinn einer Mannschaft, weil es niemand erwartet hat. Ich war emotional sehr berührt. Vielleicht schauen manche in Österreich nur auf die Tabelle und sehen Rang zehn oder elf, für die Fans hier war das aber eine riesengroße Sache.

Ich habe es vorhin schon erwähnt, man braucht sich ja nur die Europacup-Statistiken ansehen (Anm.: In 27 Spielen haben heimische Klubs bei vier Remis zwölfmal gewonnen, elfmal verloren). Klar, im Nationalteam schaut es noch anders aus, da ist es schwieriger. Beim ÖFB gibt es viele Kicker von großen Klubs, da ist Zypern bisher nicht. Aber man hat Geld und nimmt am Fußballbusiness teil. Das sieht man auch an den vielen Legionären. Die Budgets habe ich schon erwähnt, da kann man sich vorstellen, dass hier viel Geld ist; vor allem auch deshalb, weil man hier mehr Netto vom Brutto bekommt. 

90minuten: Sie haben sich 2023 eine Auszeit genommen. Wie "brutal" ist das Trainergeschäft für Sie?

Canadi: Ich weiß nicht, ob man es so nennen kann. Wir entscheiden uns ja selbst dafür, das zu tun und müssen dann eben performen. Der Fußball ist mittlerweile, wie er ist, man muss nicht nur gewinnen, sondern auch Spieler entwickeln, die Geld bringen. Aber man wird schnell abgestempelt. Vor dem Engagement beim SK Rapid hatte ich ja 16 Jahre Erfolg, dann halt ein paar Monate nicht - und schon war ich abgestempelt. Vielleicht habe ich auch nicht die Sager geliefert, die Journalisten wollten. Oder ich kann mich nicht so gut ausdrücken wie Peter Stöger oder bin so besonnen wie Carlo Ancelotti. Meinen Charakter hat man da nicht so akzeptiert. Ich will einfach nur ein guter Trainer sein, habe 60, 70, 80 Spieler entwickelt, Spieler zu Nationalteamkickern gemacht oder Millionentransfers ermöglicht.

Wenn man so lange im Geschäft ist, darf es auch "runter" gehen. Man hat ja auch ein Privatleben – wir sind keine Maschinen, wir erleben Dinge, wie jeder andere auch. Da ist man dann vielleicht nur bei 95 Prozent, aber das erlaubt der Fußball nicht. Bei Guardiola und seiner Trennung stand der Klub dahinter. Klar, ich bin nicht der Guardiola, aber es zeigt, dass wir eben alle Menschen sind. Auf meine bin ich aber mit 55 Jahren eigentlich sehr stolz und weiß schon, dass es um Ergebnisse und öffentliche Beurteilung geht. 

Leider war damals das Verhalten mir und meiner Familie gegenüber alles andere als in Ordnung, in den Medien bin ich sehr negativ dargestellt worden.

Damir Canadi

90minuten: Wenn wir auf diese Zeit bei Rapid zurück blicken, was macht es mit Ihnen, dass der Verein heute auch nicht unbedingt besser da steht?

Canadi: Mit mir macht das gar nichts. Es war vor, mit und nach mir nicht wirklich besser - das ist schade, weil ich wünsche dem Verein alles Gute. Ich kam damals auch, um Titel zu gewinnen und war da vielleicht ein bisschen zu forsch, dominant, jung und auch stolz. 

90minuten: Rapid und auch Altach wechseln mit den Trainern auch oft Spielideen. Vielleicht können Sie uns einen Einblick geben, wie ein Kader darauf reagiert.

Canadi: Es nicht nur an uns Trainern, sondern auch an der Mannschaft.  Wenn man zu Red Bull Salzburg geht, weiß man, welche Philosophie verlangt wird. Dahingehend suchen sie den Trainer aus. Ich bin auch ein Trainer, der gerne nach vorne spielt. Aber das muss man entwickeln. In Altach habe ich beispielsweise zuerst die Defensive stabilisiert und war dann Erster, als ich nach Hütteldorf gegangen bin. Stimmt die Organisation, arbeitet man an der Offensive. Das habe ich auch bei Rapid versucht, aber für eine Viererkette hatten wir zu langsame Innenverteidiger und keine Flügelspieler. Ich habe dann auf eine Dreierkette umgestellt, damit wir mehr Sicherheit haben - man muss sich danach richten, was die Mannschaft kann, hat oder bietet.

Und es spielen eben viele Details mit rein, auch Charakter und Mentalität der Mannschaft. Für derartige Dinge braucht es Veränderungen und im jeweiligen Verein auch den Willen und das Durchhaltevermögen. Was nicht passieren darf, ist, dass es im Verein zu viel um Politik geht; sich also der CEO ins Sportliche einmischt oder umgekehrt. Und was man am Ende nicht vergessen darf: Es ist immer leichter, eine erfolgreiche Mannschaft Richtung Spitze zu führen als sie dort zu halten. 

90minuten: Sind Sie mit Fußballösterreich versöhnt?

Canadi: Heute habe ich kein Problem mehr damit. Leider war damals das Verhalten mir und meiner Familie gegenüber alles andere als in Ordnung, in den Medien bin ich sehr negativ dargestellt worden - das wollte ich auch schon lange einmal in österreichischen Medien sagen. Ich weiß, dass ich ein guter Mensch bin, ich kommuniziere offen und ehrlich. Sie werden keine G'schichtn über mich finden, wenn man meine ehemaligen Spieler fragt, werden die sagen, dass sie gerne mit mir zusammen arbeiten. 

90minuten: Welche Ziele verfolgen Sie, mit 55 eigentlich im besten "Traineralter"?

Canadi: Natürlich geht es am Ende um Erfolg und klar, wenn ich erfolgreich bin, steigert das auch meinen Marktwert. Ich stecke mir immer die höchstmöglichen Ziele und will trainieren, wo ich mich wohl fühle; das ist mir schon wichtig und darum habe ich hier verlängert. Europacup zu spielen war aber schon toll, wo, ist mir egal. Ich kann mir auch vorstellen, wieder in Österreich zu arbeiten. Schauen wir, was kommt.

90minuten: Wir danken für das Gespräch!


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