Alessandro Schöpf: "Ich hatte bislang keinen besseren Trainer"
Vancouver ist von Wien rund 8.500 Kilometer entfernt - so weit weg war Alessandro Schöpf lange Zeit. Bis vor zehn Monaten der WAC anrief. Nun ist er Cupsieger und kehrt 2026 vielleicht als Nationalteamspieler zurück in die USA, Kanada und Mexiko.
2009 packte der Umhausner Alessandro Schöpf im Ötztal seine Koffer und wechselte in das Nachwuchsleistungszentrum des FC Bayern München. Er entwickelte sich zum Stammspieler in der 2. Bundesliga bei Nürnberg, war selbiges dann auf Schalke. Nach einem Jahr in Bielefeld ging er mit 28 Jahren in die USA.
Dieser Schritt bedeutet im Regelfall das Ende einer Nationalteamkarriere. Doch im Februar 2025 kehrte er zum Wolfsberger AC nach Österreich zurück. Eigentlich ein Fußballmärchen: Wenige Monate später gewinnen die Wölfe den ÖFB-Cup und dann ruft auch noch Teamchef Ralf Rangnick an.
Im 90minuten-Interview spricht der heute 31-jährige Kicker über die letzten Monate, die Trainer Pacult und Kühbauer, seine Zeit in den USA und dass er noch ein Duell mit Lionel Messi "nachzuholen" hat.
90minuten: Cupsieg, verpasste Europacup-Qualifikation, guter Start in die Liga, Trainer weg, Rückkehr ins Nationalteam, Trainer da, Trainer weg. Da ist sehr viel passiert?
Alessandro Schöpf: Ja, da war sehr viel los. Aber das meiste war grundsätzlich positiv. Im Fußball geht es jedoch immer sehr schnell, das zeigt sich an den drei Trainern, die wir in den letzten Monaten hatten – der Fußball ist extrem geworden, das ist teilweise verrückt.
90minuten: Räumen wir einmal was Unangenehmes aus der Welt. Das Verhältnis Pacult/Schöpf scheint nicht das beste gewesen zu sein, glaubt man ihm. Was sagst du?
Schöpf: Es war nicht so, dass viel nicht gepasst hat. Der Präsident hat sich die Entwicklung der Mannschaft, die Trainings und die Kommunikation vielleicht anders vorgestellt. Peter bzw. jeder Trainer hat seinen eigenen Stil und lässt sich da nicht wirklich reinreden. Im Fußball braucht es alle, vom Trainerteam bis hin zum letzten Spieler im Kader, darum ist es ein Mannschaftssport – das hat mir ein bisschen gefehlt.
90minuten: Er meinte: Spieler sind zum Präsidenten gegangen, um sich zu beschweren. Stimmt das?
Schöpf: Ich selbst war nie beim Präsidenten. Riegler hat mich am Weg zum Nationalteam angerufen, was ich davon halten würde, wenn der Peter zu uns kommt. Ich meinte, dass ich ihn weder persönlich noch als Trainer kenne. Also wollte ich keine objektive Meinung dazu abgeben. Als er dann da war, habe ich mit dem Präsidenten gar nicht mehr geredet.
Ich habe nur gehört, dass viel geredet wurde. Das kommt auch dem Präsidenten zu Ohr und wenn in so kurzer Zeit so viel passiert, dann hat es offenbar nicht gepasst. Ich habe auch nichts gegen Peter – ich will einfach Spaß am Training und Spiel haben. Ich bin weniger der Fan von seinen Methoden, aber das ist im Fußball immer so, man kann ja nicht mit jedem Trainer gleich gut auskommen.
90minuten: Ich dachte nicht, dass wir so viel über Peter Pacult sprechen. Viele Kicker haben den Wunsch, sich nicht zu äußern.
Schöpf: Ich hätte jetzt nichts dazu sagen können, aber dann würde es nur eine Sicht geben – ich habe aber kein Problem mit Peter.
90minuten: Was macht denn eigentlich einen guten Trainer aus?
Schöpf: Der eine hat mehr die menschliche Komponente, der andere mehr taktische Finesse. Die besten Trainer decken alles ab. Aber da ist jeder unterschiedlich.
Der Didi hat eine extreme Menschenkenntnis. Er weiß genau, was jeder Spieler kann und was nicht. Ich hatte bislang keinen besseren Trainer, der so gut beobachten konnte.
90minuten: Was macht Didi Kühbauer aus? Er hat stets schnell Erfolg.
Schöpf: Der Didi hat eine extreme Menschenkenntnis. Er weiß genau, was jeder Spieler kann und was nicht, was er verlangen kann und was nicht. Die Spieler spielen auf ihren besten Positionen und dort fordert Kühbauer dann das ein, was jeder kann. Ich hatte bislang keinen besseren Trainer, der so gut beobachten konnte. Es fühlen sich alle von Kaderplatz eins bis 30 ganz genau auf ihrer besten Position aufgehoben. Da ist er außergewöhnlich.
90minuten: Dabei hast du unter Tedesco, Breitenreiter, Weinzierl trainiert; Namen, die auch hierzulande öfters fallen, wenn ein Trainerstuhl frei wird.
Schöpf: Ich spreche von der Menschenkenntnis. Er hat auch eine klare Idee, wie er das Spiel anlegt. Er will eben das, von dem er weiß, was wir können – nicht mehr und nicht weniger.
90minuten: Der nächste (und übernächste) Gegner heißt Red Bull Salzburg – im Normalfall kann man nur überraschen, ist das nach den turbulenten Monaten ganz gut für den neuen Trainer Ismail Atalan?
Schöpf: Wir haben erst zwei Wochen mit ihm trainiert. Es braucht alles Zeit, aber wir merken schon, was seine Idee von Fußball ist. Ich denke auf jeden Fall, dass er uns sehr helfen wird und Verein sowie Spieler von seinen Ideen profitieren werden.
90minuten: Aus eurer Sicht zum Glück: Die Liga ist sehr eng. Wie schätzt du die Lage ein?
Schöpf: Die Leistungsdichte geht nicht so weit auseinander wie beispielsweise in Deutschland. Der eine oder andere mag individuell bessere Spieler haben, in der Breite sind die Kader aber ausgeglichen. Das führt dazu, dass die Spiele sehr eng sind. Die kleineren Teams holen auf und können sich bessere Spieler leisten. Salzburg und Sturm kommen umgekehrt vielleicht auch nicht mit der Doppelbelastung zurecht. Das hilft den Kleineren vielleicht auch.
90minuten: In Deutschland geht es sehr weit auseinander, die MLS greift mit dem Salaray Cap ein. Was ist denn besser?
Schöpf: Gut, dass du das ansprichst: Wenn man sich ansieht, wie die Budgets in Deutschland verteilt sind, geht die Schere zwischen Bayern und Heidenheim schon sehr weit auseinander. In Österreich gibt es Salzburg, die viel mehr haben als die anderen, wenn man es mit Deutschland vergleicht, sind das Peanuts. Ich denke, das ist schon auch ein Punkt, warum die Liga ausgeglichen ist. Es ist ähnlich wie in der MLS; dort gibt es fast jedes Jahr einen neuen Meister.
90minuten: Gehen wir ein paar Jahre zurück. Zwischen 2016 und 2022 warst du, wenn fit, weitgehend Stammspieler in der deutschen Bundesliga, lange bei Schalke, dann noch ein Jahr in Bielefeld. Rundheraus: Warum geht man mit nicht einmal 30 Jahren in die USA?
Schöpf: Es geht immer um Angebot und Nachfrage und welche konkreten Angebote am Tisch liegen. Ich hätte nach dem Abstieg schon in Bielefeld bleiben können, habe die Optionen abgewogen. Zweite und erste deutsche Bundesliga hatte ich schon lange gespielt. Also wollte ich einen neuen Reiz für meine Karriere. Das Leben, die Kultur und die Stadt waren große Punkte, warum meine Frau und ich dorthin wollten.
90minuten: Vancouver gilt gemeinsam mit Wien, Zürich, Kopenhagen oder Melbourne als eine der lebenswertesten Städte der Welt. War das mit ein Grund, dorthin zu gehen – du hast natürlich auch eine Partnerin?
Schöpf: Bei uns war es so, dass meine Frau hochschwanger war, unsere beiden Kinder sind in Kanada auf die Welt gekommen. Unsere zwei Hunde sind ebenfalls mit rüber gekommen. Und weil der Fußball auch so schnelllebig ist, ist es mit zwei kleinen Kindern und ohne Familie schwierig, sich etwas aufzubauen.
In der MLS fliegt man viel herum und kann wenig unterstützen, weil man mindestens einen Tag vor dem Spiel weg ist. Ich bin ihr sehr dankbar, dass sie bei allem mitzieht und das Gute sieht. Mittlerweile würde ich verstehen, wenn sie den einen oder anderen Umzug nicht mitmacht.
Es ist schon ein bissl gemunkelt worden, dass ich einberufen werde. Ich meinte: Geh, machts kan Schmäh, das ist so weit weg.
90minuten: Wie viel Zeit hat man, das Leben in Nordamerika zu genießen?
Schöpf: Du hast unter der Saison schon drei, vier, fünf Tage frei. Es gibt neben der MLS noch die Champions League, den kanadischen Cup und den Ligacup. Das sind schon viele Spiele und wenn du ausscheidest, hat man natürlich freie Tage, um dich zu erholen.
90minuten: Als Tiroler nach Deutschland, von München nach Gelsenkirchen, Bielefeld, Vancouver, Wolfsberg – was war eigentlich der größte Kulturschock?
Schöpf: (lacht) Die Orte sind sehr unterschiedlich. In Wolfsberg ist nicht wirklich viel los, dafür ist die Landschaft sehr schön und es gibt nicht so den Druck, wenn es nicht so läuft. In Gelsenkirchen ist das anders. Du merkst dort auch die Armut, Schalke ist ihr Lebensinhalt. Und Bielefeld... da heißt es immer, dass es das nicht gibt, weil es so irgendwo im Nirgendwo ist.
Ich bin am Ende über alle Stationen froh. In Schalke war die Arena auch in der zweiten Liga immer ausverkauft. In Bielefeld war die Tribüne nach dem letzten Saisonspiel und dem Abstieg 40 Minuten lang noch voll und sie haben gesungen. Das beeindruckt mich. Letztlich bin ich froh, wie die Karriere war.
90minuten: Wie fühlt man sich, wenn man so lange im Ausland ist und dann der WAC anruft?
Schöpf: Der Kontakt kam über einen gemeinsamen Bekannten von Didi und mir zustande. Ich wurde gefragt, ob ich vielleicht wieder zurückkommen wollte. Zuerst haben wir geschaut, bei Vancouver zu bleiben bzw. in der MLS, es hat sich aber nichts ergeben. Türkei oder Norwegen waren dann Optionen, aber wir haben uns für Wolfsberg entschieden. Dass es dann so gut klappt, konnte man wiederum nicht erwarten.
90minuten: Gleich einen Titel zu holen ist nicht schlecht.
Schöpf: In Vancouver habe ich zweimal den kanadischen Pokal gewonnen, es war sehr cool, dann gleich den ÖFB-Cup zu holen. Als Fußballer ist es schwierig, Titel zu holen. Gerade, wenn man bei einem Team spielt, das vom Namen her nicht zu den Topteams gehört.
90minuten: Und dann rief Teamchef Rangnick auch noch an?
Schöpf: Das war gefühlt aus dem Nichts. Es ist schon ein bissl gemunkelt worden, dass ich einberufen werde. Ich meinte: Geh, machts kan Schmäh, das ist so weit weg. Dass Ralf mich dann angerufen hat und mir das mitgeteilt hat und mich dreieinhalb Jahre nach meinem letzten Spiel ins Nationalteam zurückholt, meine Leistungen honoriert wurden, macht das alles ganz schön.
90minuten: Du bist seit September wieder im Nationalteamkader, was war das für ein Gefühl, als Ralf Rangnick anrief? Der klassische Red-Bull-Spieler bist du ja nicht.
Schöpf: Er meinte, dass ich mir das aufgrund meiner Leistungen verdient hatte und er mir das persönlich mitteilen wollte. Ich denke, ich habe es in den Lehrgängen dann gut gemacht, darum war ich mit dabei – und das ist immer eine Ehre, im Nationalteam aufzulaufen. Sich dann auch noch für die Weltmeisterschaft zu qualifizieren, ist ein echtes Karrierehighlight.
90minuten: Mit welchen Gefühlen blickst du auf die Auslosung?
Schöpf: Du musst es eh nehmen, wie es kommt. Die Gruppe ist gut, mit Argentinien gibt es einen klaren Favoriten, gegen den du nichts zu verlieren hast. Die anderen sind sicher gute Gegner, aber in der Gruppe kannst du schon Zweiter werden. Es ist interessant, weil die Teams von einem anderen Kontinent kommen und man noch nicht gegeneinander gespielt hat. Wenn alle fit sind, können wir dort auch eine gute Rolle spielen.
90minuten: Abschließend: Du könntest in den USA etwas nachholen, was dir am 26. Mai 2024 verwehrt geblieben ist.
Schöpf: Von Vancouver nach Miami fliegt man sechs Stunden. Wir haben daheim auf Kunstrasen gespielt und Lionel Messi war nicht ganz fit, weil er davor verletzt war. Ich denke, er wollte dann nicht so lange reisen und auf Kunstrasen kicken. Das war für mich sehr schade – hoffentlich hole ich das bei der Weltmeisterschaft nach.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!
Georg Sohler