Sturm Graz und schottische Teams: Das bedeutet Spektakel, viele Tore und denkwürdige Momente. Dabei waren es lediglich vier Spiele, welche die "Blackies" bisher gegen Teams von der Insel bestritten. Doch alle vier sind viele Sturm-Fans bis heute im Gedächtnis.
Sie erzählen eine Geschichte voller Sensationen, Seltsamkeiten, bitteren Pleiten und Sensationen rund um legendäre Protagonisten wie Ivica Osim, Hannes Kartnig, Franco Foda und Doch-nicht-Sturm-Coach Christoph Daum. 90minuten schwelgt in Erinnerungen und blickt auf die vier bisherigen Spiele zurück.
12.9.2000 Rangers - Sturm 5:0 | Champions League, Gruppe D

Das erste Aufeinandertreffen Sturms mit einem schottischen Team datiert vom 12. September 2000. Es war die goldene Ära der "Blackies" unter Ivica Osim.
Der Meister der beiden vergangenen Jahre wollte auch in der Saison 2000/01 in der Königsklasse eine gute Figur machen. Gleich zum Auftakt wartete mit den Glasgow Rangers aber ein echter Prüfstein.
Die Ausgangslage:
Die Ausgangslage war alles andere als ideal. Mit vier Liga-Niederlagen im Gepäck machten sich die Steirer auf den Weg in den berüchtigten Ibrox-Park.
Trainer Osim plagten vor dem Spiel zudem enorme Personalsorgen. Neben den langzeitverletzten Ivica Vastic, Darko Milanic, Kazimierz Sidorczuk und Jan-Pieter Martens fehlten auch Tomislav Kocijan und Günther Neukirchner verletzt. Ferdinand Feldhofer und Mehrdad Minavand (der 2021 mit 45 Jahren an den Folgen einer Covid-Erkrankung verstarb) mussten wegen einer Sperre zuschauen.
Die Rangers waren damals international noch eine Hausnummer und gespickt mit Stars.

Trainiert wurde die Elf von Dick Advocaat. Im Tor stand Stefan Klos, der drei Jahre zuvor mit Borussia Dortmund die Champions League gewonnen hatte. Angeführt wurde die Truppe von Ronald De Boer und Giovanni van Bronckhorst.
Rechts verteidigte deren niederländischer Landsmann Fernando Ricksen, der 2019 mit nur 43 Jahren an der Nervenkrankheit ALS verstarb. Weitere bekannte Namen der Truppe: Barry Ferguson, Jörg Albertz und Claudio Reyna.
Mit Wut im Bauch
Die Rangers waren zwar klarer Favorit, hatten vor der Partie gegen die Steirer aber Rückschläge zu verkraften. Im Derby gegen Celtic kassierte man eine 2:6-Packung, danach kam man bei Dundee FC nicht über 1:1 hinaus.
Die hohe Pleite im Derby war damals beinahe eine Sensation. Denn die Rangers waren zu jener Zeit der "Abo-Meister", holten zwischen 1990 und 2000 neun von zehn Titeln. Nur 1998 durchbrach Celtic die Serie.
"Celtic hat bei jedem Angriff ein Tor erzielt und wir waren in der Defensive schwach. Ich kenne die Fehler, die es auszumerzen gilt", prophezeite Coach Advocaat und sollte recht behalten.
Die Aufstellungen
Rangers: Klos - Reyna, Amoruso, Konterman, Numan - Johnston (77. Kantschelskis), Ferguson, van Bronckhorst, Albertz - Mols (60. Dodds), R. de Boer (72. McCann)
Sturm: Schicklgruber - Foda - Mamedow, Strafner - Schopp, Schupp, Fleurquin, Korsos, Prilasnig - Reinmayr (79. Mählich), Juran (79. Szabics)
Das Spiel

Vor dem Spiel meinte Thomas Flögel, damals Legionär bei Hearts of Midlothian: "Jeder soll das genießen und sich darauf freuen. Es darf sich nur keiner in die Hosen machen."
Es sollte völlig anders kommen: Nach nicht einmal 30 Minuten lag ein chancenloses Sturm nach Treffern von Michael Mols, de Boer und Albertz schon 0:3 zurück, van Bronckhorst und Billy Dodds stellten den 0:5-Endstand her.
Es hätte aber noch schlimmer kommen können. Die Schotten ließen einige weitere gute Gelegenheiten aus, trafen zweimal Aluminium. Pepi Schicklgruber hielt zudem einen Strafstoß von Albertz.
Osim nahm die Niederlage gewohnt stoisch zur Kenntnis und meinte mit einer Prise Ironie: "Ich habe schon vor dem Spiel gewusst, dass wir praktisch keine Chance haben." Gilbert Prilasnig ergänzte: "Wir waren in allen Belangen unterlegen."
Das Rückspiel vom Oktober dagegen sollte völlig anders laufen und die Annalen der "Blackies" eingehen.
25.10.2000 Sturm - Rangers 2:0 | Champions League, Gruppe D

Sturm war schon damals für seine Heimstärke bekannt. Das war auch den Rangers bewusst.
Seit über einem Jahr waren die "Blackies" zum damaligen Zeitpunkt im Europacup in der damals noch als "Schwarzenegger-Stadion" firmierenden Arena ungeschlagen - und sollten es bleiben.
Die Ausgangslage
Zwischen Hin- und Rückspiel gegen die Rangers lagen sechs Wochen, in denen Sturm wieder besser in die Spur fand. In der Königsklasse wurden Galatasaray und Monaco in Liebenau sensationell mit 3:0 bzw. 2:0 bezwungen, dazwischen setzte es in Monaco eine weitere 0:5-Pleite.
In der Liga lief es nach wie vor nicht ganz rund, aber immerhin konnte man die Pleiten-Serie beenden. In den fünf Begegnungen seit dem Hinspiel gegen die Rangers holte Sturm zwei Siege (Austria, Admira), ein Remis (Rapid) und verlor zweimal (LASK, Ried).

Doch erneut plagten Ivica Osim Personalsorgen. Der in Hochform agierende Markus Schopp sowie Roman Mählich fehlten gesperrt. Mehrdad Minavand weilte beim Asien-Cup und auch die noch rekonvaleszenten Ivica Vastic und Kazimierz Sidorczuk standen nicht zur Verfügung. "Ob wir das verkraften, werden wir erst sehen", meinte Osim.
Die Rangers dagegen befanden sich im “Goalie-Dilemma”. Neben dem schon länger verletzten Lionel Charbonnier fiel nun auch noch Stefan Klos mit einer Sprunggelenksblessur aus. Eilig wurde deswegen der Däne Jesper Christiansen verpflichtet, der im Duell gegen Sturm sein Debüt feiern sollte.
Der schottische Meister reiste außerdem mit zwei Liga-Niederlagen im Gepäck nach Graz. Und noch dazu hing intern hing der Haussegen schief. "Einige Spieler verbringen zu viel Zeit mit Golf spielen und im Internet. Das kann ich nicht mehr akzeptieren", motzte Trainer Advocaat.
Die Aufstellungen
Sturm: Schicklgruber - Popovic - Neukirchner, Korsos - Mamedow (83. Feldhofer), Schupp, Reinmayr (46. Minavand), Fleurquin, Prilasnig - Juran (65. Strafner), Kocijan
Rangers: Christiansen - Amoruso, Porrini, Numan, Konterman - Kantschelskis, Ferguson, Turgay, van Bronckhorst (55. McCann) - Wallace (73. Dodds), Ronald de Boer
Das Spiel
"Bei der Dopingprobe haben mir die österreichischen Spieler gesagt, dass sie sehr viel stärker sein werden, wenn ihre besten Spieler wieder dabei sind. Es schaut aus, als ob genau das eingetreten ist", meinte Rangers-Verteidiger Bert Konterman vor der Partie.
Die Aussage sollte zur Prophezeiung werden. Sturm lieferte den Rangers einen Kampf, stand hinten gut und war im Gegenzug aus Kontern gefährlich. Die erste gelungene Aktion nach 20 Minuten führte sogleich auch zur Grazer Führung.
Gilbert Prilasnig fand mit einem langen Ball Hannes Reinmayr auf rechts, der direkt auf Sergey Yuran verlängerte. Der Russe tanzte Ferguson und Goalie-Debütant Christiansen aus und traf zur Führung.
Danach zeigte sich Pepi Schicklgruber als sicherer Rückhalt, entschärfte mehrere Rangers-Gelegenheiten. In Minute 85 wurde bei den Schotten Arthur Numan mit Gelb-Rot vom Platz gestellt.

In der Nachspielzeit nutzte Sturm die Überzahl eiskalt aus und machte in Person von Gilbert Prilasnig den Deckel drauf. Wieder trafen die "Blackies" aus einem Konter. Über Mehrdad Minavand und Gerald Strafner gelangte der Ball zu Prilasnig, der es Juran gleichtat und Ferguson versetzte. Sein Schuss ins lange Eck war für Christiansen nicht zu halten.
Mit dem Sieg übernahm Sturm sogar die Führung in der Champions-League-Gruppe D. "Berufs-Pessimist" Osim konnte sich darüber nur teilweise freuen: "Die Tabellenführung ist schön, der Druck auf die Mannschaft wird damit aber auch größer."

Kartnig war "fix und foxi"
Ganz anders tönte Sturm-Zampano Hannes Kartnig: "Ich war das ganze Spiel fix und foxi. Ich sehe natürlich auch das große Geld. Den UEFA-Cup-Platz haben wir nun schon, aber ich bin sicher, wir schaffen mehr."
Und es sollte auch so kommen: Ein hart erkämpftes Remis bei Galatasaray sicherte Sturm in Folge den Aufstieg in die damals noch existente Zwischenrunde.
Dort schlug man sich in einer Gruppe mit Valencia, Manchester United und Panathinaikos wacker, schied aber dennoch aus.
19.9.2002: Sturm - FC Livingston 5:2 | UEFA-Cup: 1. Runde, Hinspiel

Der Beginn einer neuen Zeitrechnung beim SK Sturm. Ivica Osim verkündet noch am Abend nach dem 1:3 gegen FC Kärnten seinen Rücktritt - fünf Tage vor der Europacup-Partie gegen Linvgston.
Der Bosnier prägte die bis dato erfolgreichste Ära der "Blackies". In acht Jahren als Trainer gewann er zweimal die Meisterschaft, dreimal den ÖFB-Cup.
Die Ausgangslage
Die Fußstapfen könnten für Osims Nachfolger kaum größer sein. Ein gewisser Franco Foda, erst seit Saisonbeginn Co-Trainer von Osim, springt ein. Dass er seine Cheftrainer-Premiere gleich auf internationalem Boden bestreitet, kam erschwerend dazu.
Überhaupt übernahm der Deutsche nur interimistisch von dem Trainer, unter dem er zwei Meistertitel holte. Foda sollte eigentlich nur als Platzhalter fungieren, ehe Wunschkandidat Christoph Daum übernimmt. Andi Brehme galt nur als Kandidat, sollte Daum absagen. Ersteres sollte auch passieren, Daum heuerte zwei Wochen später völlig überraschend bei der Wiener Austria an.

Rein sportlich lief es auch nicht bei den Grazern, wobei das nicht der Grund für den Osim-Rücktritt war. Bewerbsübergreifend wartete Sturm seit sieben Spielen auf einen Sieg. Allen voran der verletzungsbedingte Ausfall von Mario Haas schmerzte im Vorfeld, u.a. fehlte auch Eddy Bosnar gesperrt gegen die Schotten.
UEFA-Cup-Gegner Livingston qualifizierte sich überraschend fürs internationale Geschäft. Der Aufsteiger landete hinter den Großklubs aus Glasgow auf Rang drei. In der laufenden Saison war der Klub aber auf den unteren Rängen zu finden.
Die Aufstellungen
Sturm: Hoffmann - Neukirchner, Golemac, Strafner - Masudi (80. Kienzl), Wetl, Brzeczek (77. G. Korsos), Mählich, Dag - Mujiri, Szabics (61. Heldt)
Livingston: Broto - Brinquin, Rubio, Andrews, Bollan - Quino, Lovell, Bahoken (Toure-Maman), Wilson (66. Dadi) - Zarate, Camacho (75. Bingham)
Das Spiel
Vor seinem Trainer-Debüt bei den Profis stapelte Foda tief. Sturm sei nicht der Favorit, “aber bei uns wird eine andere Mannschaft zu sehen sein als zuletzt in der Meisterschaft.”
Auf diese Worte ließen Sturm Taten folgen. Zur Pause lagen die Grazer nach dem Treffer von Arnold Wetl (37.) allerdings "nur" 1:0 vorne. Alain Masudi hatte eine Viertelstunde vorher noch einen Elfer verschossen.

So richtig drehte die Foda-Elf in Hälfte zwei auf: Innerhalb von neun Minuten verwandelte man ein 1:0 in eine 5:0-Führung! Imre Szabics, Ekrem Dag und dann zweimal Davit Mujiri stellten den Sieg schon nach einer Stunde sicher.
"Auch Osim hätte heute gewonnen"
Zwei Ehrentreffer gelangen Livingston noch am Ende (90., 90.+2), zum Ärger von Foda: "Leider haben wir in der Schlussphase zwei dämliche Tore bekommen. Ich hoffe aber nicht, dass die zwei Tore im Rückspiel noch weh tun."
Von Eigenlob hielt er anschließend Abstand und betonte klar: "Dass wir heute gewonnen haben, hängt nicht mit meiner Person zusammen. Auch Osim, mit dem ich die ganze Woche Kontakt hatte, hätte heute gewonnen."
Während Foda also noch von seinem Vorgänger sprach, dachte Präsident Hannes Kartnig schon an dessen Nachfolger: "Daum hat sich fünf Videos gewünscht: Zwei Heim - und zwei Auswärtsspiele und eines von dieser Partie."
Einziger Makel: Der Zuschauerandrang war überschaubar. Das befand auch Manager Heinz Schilcher: "Enttäuschend war die kleine Kulisse, doch den knapp 3.000, die gekommen sind, müssen wir Danke sagen."
3.10.2002 FC Livingston - Sturm 4:3 | UEFA-Cup, 1. Runde Rückspiel

Knapp doppelt so viele Zuschauer fanden sich in der Home of the Set Fare Arena in Livingston ein.
Franco Foda betreute ein wieder zurück in die Spur findendes Sturm Graz weiterhin und wollte den klaren Hinspiel-Sieg veredeln.
Die Ausgangslage
Und Sturm kam nicht nur wegen des Hinspiel-Siegs plötzlich mit Rückenwind. Unter Foda gewann man auch die zwei Bundesliga-Partien (2:1 bei Rapid, 3:1 gegen Salzburg) zwischen den UEFA-Cup-Auftritten.
Dennoch hielt Hannes Kartnig weiter wenig davon, den Deutschen langfristig als Cheftrainer arbeiten zu lassen ("Er weiß, er ist noch zu jung"). Selbst Foda stimmte zu, ins zweite Glied zu rutschen, sofern ein Top-Trainer kommt.

Auf dem Platz blühte dagegen der schon abgeschriebene Roman Mählich auf. Vor der Saison stand noch ein Wechsel des heutigen TV-Experten nach Griechenland im Raum. Mählich hatte seinen Stammplatz verloren, kämpfte sich aber zurück. Außerdem sorgte das - gerade für damalige Verhältnisse - junge Sturmduo Imre Szabics (22)/Davit Mujiri (25) für Furore.
Die Aufstellungen
Livingston: Sanchez-Broto - McNamee, Andrews, Rubio, Bollan - Quino (73. Toure-Maman), Hart, O'Brien (56. Camacho) - Wilson, Xausa (65. Zarate), Bingham
Sturm: Hoffmann - Neukirchner, Golemac, Strafner - Masudi (76. Heldt), Wetl, Brzeczek (84. Bosnar), Mählich, Dag - Szabics, Mujiri (64. G. Korsos)
Das Spiel
Wie im Hinspiel fielen auch im Rückspiel sieben Treffer. Doch anders als im Arnold-Schwarzenegger-Stadion musste Sturm erst einmal einem Rückstand hinterherlaufen. Barry Wilson verwandelte den Strafstoß nach Foul von Günther Neunkirchner (31.). Sturm hatte danach Glück, noch vollzählig am Feld zu stehen. Alain Masudi spuckte seinen Gegenspieler an, der Schiedsrichter sah die Aktion - glücklicherweise aus Sturm-Sicht - nicht.
Anschließend schlug das gut aufgelegte Duo Szabics/Mujiri aber zu. Der Ungar köpfte nach Flanke des Georgiers zum Ausgleich ein (45.). Zu Beginn der zweiten Hälfte ging es in dieser Tonart weiter. Mujiri zum 2:1 (48.), ehe Szabics das dritte Tor schoss (53.).

Livingston gab sich nicht auf, traf durch Davide Xausa rasch zum Anschluss und drehte die Partie sogar noch. Die Tore von Marvin Andrews (77.) und Wilson (90.) kamen aber zu spät, um das Weiterkommen der Grazer wirklich in Gefahr zu bringen.
Sturm zog also verdient in die zweite Runde des UEFA-Cups ein.
Für Foda gab es dennoch Redebedarf ("Über die letzten 25 Minuten muss ich mit der Mannschaft aber intensiv reden"), insgesamt hat er die Pflicht aber erfüllt: "Wichtig ist, dass wir eine Runde weiter sind. Der Aufstieg stand nie in Frage."
Wie es bei Foda und Sturm weiterging
Zumindest für diese Saison war es der letzte Europacup-Sieg für die Grazer. In Runde 3 gab es gegen Lazio Rom nichts zu holen.
Foda erhielt - mit langer Wartezeit - schließlich doch das (kurzfristige) Vertrauen von Kartnig. Anfang November, fast zwei Monate nach Fodas Amtsantritt, erhielt er einen Vertrag bis Saisonende.
Anschließend hinkte Sturm aber auch national den Erwartungen hinterher. Rang sechs war die schlechteste Endplatzierung seit neun Jahren, der Saison vor Osim. Das Ziel Europacup-Qualifikation wurde klar verfehlt.
Also übernahm der Deutsche im Sommer 2003 Sturm II. Ein großer Name vom Kaliber Daum folgte aber nicht auf Foda. Kartnig fand in Gilbert Gress den neuen Sturm-Cheftrainer. Der Franzose blieb nur zwei Monate.