Graz. Fußball. Infrastruktur. Ein Thema wie der ungeliebte Schwiegersohn. Seit Jahren herrscht Verdruss, die Gesamtsituation ist nicht zufriedenstellend, trotzdem gibt man aus Mangel an Alternativen die Hoffnung nicht auf, dass sich alles doch noch zum zumindest Besseren wendet.
Unlängst wurde auch ein Lichtblick vorgestellt. Das neue Trainingszentrum des SK Sturm für Jugend, Akademie und Damen ist auf Schiene und gemeinsam mit Bürgermeisterin und Landeshauptmann präsentierte man stolz die Eckpunkte des Projekts in Graz-Puntigam, das 2026 fertig sein soll.
Die Bassena Graz
Es ist zwar zu klein und hat nicht einmal Platz für die zweite Mannschaft von Sturm, aber wir sind in Graz und da werden diesbezüglich nun einmal kleinere Brötchen gebacken. Insbesondere dann, wenn es um die Unterstützung von Seiten der öffentlichen Hand geht.
Nichtsdestotrotz, die Stimmung war gut und auch bezüglich der Causa prima im Fußballkontext der Murstadt gab es vielversprechende Andeutungen. Die Machbarkeitsstudie zum geplanten Um- und Ausbau von Liebenau sei in der Zielgeraden, im Juni würden die Details der Öffentlichkeit nähergebracht.

Die Pläne werden in kleinem Rahmen diskutiert und vorangetrieben. Um in Ruhe arbeiten zu können, haben die Vereine, die Vertreter der Politik und die mitwirkende Beamtenschaft Stillschweigen bis zum Vorliegen der Ergebnisse vereinbart. Aber in der Gemengelage Graz, Fußball und Infrastruktur wäre es nahezu ein kleines Wunder gewesen, hätte nicht der in der Steiermärkischen Landeshauptstadt übliche "Bassenavirus" wieder zugeschlagen.
Umbaupläne fertig in der Schublade?
Die gute Stimmung bei der Präsentation zum Trainingszentrum hat offenbar den einen oder anderen emotional ein wenig zu sehr mitgenommen. Kurz darauf konnte man nämlich im Podcast "BlackFM.at" hören und in der "Kronen Zeitung" lesen, wie der konkrete Stand der Dinge zur Machbarkeit eines Stadionumbaus Liebenau aussehen soll.
Ausbau auf 23.000 Plätze, Vergrößerung des VIP-Bereichs, Erneuerung der Pressetribüne und die Errichtung von Sky-Boxen sollen in Graz wieder ein Stadion realisieren, dass auch allen internationalen Ansprüchen gerecht wird. Die Pläne lägen fix-fertig in der Schublade und würden nur noch auf Umsetzung warten. Sturm und GAK müssten während der Arbeiten jeweils für mehrere Monate ausziehen. Die Schwoazn nach Klagenfurt, der GAK nach Hartberg, so hieß es.
Hinsichtlich Machbarkeit sei man auf einem guten Weg, allein am Verkehrskonzept und bezüglich des Ankaufs eines benötigten Nachbargebäudes würde es sich aktuell noch spießen.
Ich bin wirklich irritiert, dass es nicht gelungen ist, das vereinbarte Stillschweigen noch die paar Wochen durchzuhalten, bis die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Es ist schlichtweg beschämend.
"Ich glaube nicht, dass alles schon auf einem so guten Weg ist, wie es die jüngsten Berichte darstellen. Dass zum Beispiel Kaufabsichten und dergleichen vorab öffentlich werden, ist nachvollziehbarerweise nicht unbedingt eine Verbesserung der Verhandlungsposition", erklärt der Klubchef der Grazer Grünen, Karl Dreisiebner, im Gespräch mit 90minuten. Die Grünen sind Teil der Grazer Regierungskoalition mit KPÖ und SPÖ.
Wenig Begeisterung über Medien-Leak
"Ich bin wirklich irritiert, dass es nicht gelungen ist, das vereinbarte Stillschweigen noch die paar Wochen durchzuhalten, bis die Ergebnisse auf dem Tisch liegen. Es ist schlichtweg beschämend", zeigt sich Dreisiebner verstimmt über die Medienberichte.
Aus dem Büro des für das Stadion zuständigen Finanzstadtrats Manfred Eber von der KPÖ kommen ähnliche Töne: "Wir kommentieren das nicht, wir haben Verschwiegenheit vereinbart. Ende Mai gehen wir mit den Ergebnissen der Studien zum Landeshauptmann, im Laufe des Juni wird die Öffentlichkeit informiert", erklärt Ebers Büroleiter Stefan Herzog. "Dass es jetzt schon diese Berichte vorab gibt, begeistert uns nicht und wir fühlen uns dabei auch ein wenig vor den Kopf gestoßen."
Matthias Dielacher vom GAK möchte zu dieser Causa noch weniger sagen, er hält als Antwort auf unsere Gesprächsanfrage nur so viel fest: "Wir haben absolutes Stillschweigen bis zur Veröffentlichung vereinbart und zumindest wir halten uns auch daran."
Wer hat also geplaudert? So einige hatten Sturmpräsident Christian Jauk im Verdacht, wieder einmal einen medialen Vorstoß unternommen zu haben. Der weist das gegenüber 90minuten zurück und hält fest, er hätte nur auf Nachfrage der "Kronen Zeitung", die dort schon bekannten Fakten bestätigt. Die genannten Details dementiert er aber nicht.
Wer hat’s verraten?
Eine andere Spur führt zu einem gekränkten Oppositionspolitiker in Graz, der ob seiner wenig bedeutenden Rolle in diesem ganzen Prozess, ein Fenster zur Aufmerksamkeit gesucht hätte. Woher auch immer die Dinge gekommen sind, es wurde im Grazer Politik- und Fußballumfeld wieder einmal nicht geschafft, wichtige Informationen solange unter Verschluss zu halten, bis eine Veröffentlichung auch Sinn stiftet.
Sturm wird sich da nicht einkaufen, damit die anderen sich wieder benachteiligt fühlen. Das wird es nicht geben.
Wir sind wieder mittendrin in der Spekulations- und Mutmaßungsblase. Baukosten werden diskutiert, von rund 90 Millionen Euro ist die Rede. Jeweils 40 Millionen kämen von Stadt und Land, zehn Millionen würde interessanterweise der SK Sturm beisteuern.
Zahlen, die laut Stadtpolitik weit weg von valide seien. Sowohl Karl Dreisiebner, als auch Stefan Herzog betonen, dass die kolportierten Summen allesamt mit Vorsicht zu genießen sind. Bevor es in die Detailplanung geht, könne man das keineswegs so konkret festmachen, halten die Vertreter der Grazer Stadtregierung fest.
Zu einem einseitigen Beitrag von Sturm, der den Schwarz-Weißen laut "Krone" auch gewisse Rechte einräumen würde, hält der Grüne Klubchef zudem gar nichts. "Sturm wird sich da nicht einkaufen, damit die anderen sich wieder benachteiligt fühlen. Das wird es nicht geben", will Dreisiebner diesbezüglichen Konflikten schon vorbauen. Der GAK hat in der Vergangenheit einen Beitrag zum Umbau immer von sich gewiesen, man sei dazu finanziell schlichtweg nicht in der Lage, hieß es aus Graz-Weinzödl.
Zur Kostenteilung zwischen Stadt und Land könne genauso derzeit noch überhaupt nichts gesagt werden, betonen die beiden Politikvertreter. Herzog verweist auf den Termin mit Landeshauptmann Mario Kunasek Ende Mai und Dreisiebner sagt: "Ich weiß überhaupt nicht, wie sich das Land dazu verhält, dazu gibt es noch keine Informationen."
Des Landeshauptmanns Name ist Hase
Das bestätigt auch ein Statement des Büros des Landeshauptmanns und Sportreferenten, das 90minuten auf Nachfrage bekommen hat. Mein Name ist Hase und ich weiß von nichts, kann der Inhalt in Bugs-Bunny-Sprech salopp zusammengefasst werden. Man wisse über die Erstellung einer Machbarkeitsstudie Bescheid, sei aber am Prozess nicht beteiligt. Über konkrete Details zu Umbaupläne sei nichts bekannt und "bezüglich der Finanzierung ist die Stadt Graz bis dato nicht an die neue Landesregierung herangetreten."

Soweit, so offiziell. Dass es hinter den Kulissen zumindest zwischen einem oder beiden Vereinen und dem Büro des Landeshauptmannes schon Gespräche gegeben hat, kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
Es hat den Anschein, dass sich Sturm, in Person von Christian Jauk, durchaus in Richtung neue Landesregierung bewegt. Dem Präsidenten des Titelverteidigers wird ein guter Draht zum Landeshauptmann und bekennenden Sturm-Fan Mario Kunasek nachgesagt. Jauk vermittelt zudem im persönlichen Gespräch den Eindruck, er möchte die ständigen Querelen, die es mit der Stadtpolitik in der Vergangenheit gegeben hat, hinter sich lassen und sich in Richtung nächsthöhere Ebene orientieren. Jauk betont zwar eine derzeit gute Grundstimmung, traut dem Frieden aber offenbar nicht ganz.
Es darf in diesem Kontext auch nie vergessen werden: Stadt Graz und Land Steiermark werden von diametral entgegengesetzten politischen Lagern regiert, was einer Lösung nicht zuträglich ist und auch in Zukunft nicht sein wird. Fakt ist außerdem: Ohne signifikanten Beitrag der Landesregierung, wird kein einziger Bauarbeiter Liebenau betreten.
Nach der Präsentation kommt der Schluckauf
Wir kommen somit zum Knackpunkt, der über Schein und Sein in der Causa Liebenau entscheiden wird: Die Finanzierung. Die budgetäre Situation von Stadt und Land ist schlecht bis sehr schlecht und einem etwaigen positiven Machbarkeitsbescheid sowie den Detailplanungen, wird ein nicht einfacher Verhandlungsprozess dazu folgen, woher das Geld dafür kommen soll.
Die Prognosen sind schlecht und werden nicht besser. Wir gehen davon aus, dass sich bis zu den Jahren 2029-30 keine wesentliche Erholung einstellt.
"Nach der Präsentation der konkreten Pläne werden wir erst einmal Schluckauf bekommen, weil das viel Kohle sein wird", macht sich Karl Dreisiebner keine Illusionen, dass ein Umbau des Stadions einen riesigen finanziellen Brocken darstellt. Der Grüne hofft aber auf Maßnahmen von Seiten der Bundesregierung, die die Lage für Städte und Gemeinden ein wenig entspannen sollen. Und wenn die Wirtschaft auch nur ganz leicht anzieht, bringe das Mehreinnahmen über die Kommunalsteuer und den Finanzausgleich.
"Wir haben ein Budget, aus dem wir unsere laufenden Kosten decken müssen, wozu auch der Betrieb eines Stadions zählt. Da muss die Null stehen, heißt, es darf nicht mehr kosten als es einbringt. Das andere ist das Investitionsbudget", erklärt Karl Dreisiebner. Investitionen würden über Kredite finanziert, wo man aber natürlich die Rückzahlung darstellen müsse. "Wir schaffen uns mit einem Umbau von Liebenau ein Gebäude, das nutzbar ist und somit einen Gegenwert", so der Klubchef.
"Wenn das Land Steiermark die Hälfte der Kosten dazuzahlt, 60 Prozent wäre mir noch lieber, lässt sich das aus meiner Sicht alles relativ gut darstellen", wäre Dreisiebner für so einen Fall zuversichtlich.
Baubeginn in Liebenau 2026?
Stefan Herzog aus dem Büro des Finanzstadtrats sieht die Gesamtsituation ein wenig pessimistischer. "Ohne Land wird es nicht gehen", schlägt er in die gleiche Kerbe wie sein Grüner Koalitionspartner. An eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren glaubt Herzog allerdings nicht.
"Die Prognosen sind schlecht und werden nicht besser. Wir gehen davon aus, dass sich bis zu den Jahren 2029-30 keine wesentliche Erholung einstellt", so der KPÖ-Mann. "Aber wir schauen was möglich ist und arbeiten daran, etwas auf die Beine zu stellen."
Wir werden keine Wunderkugel bauen können, wo sie noch in Asien und Südamerika darüber schreiben.
Was auch immer man auf diese Beine stellen wird, der Fahrplan dorthin sieht folgendermaßen aus: Eine positive Machbarkeitsstudie und eine Darstellung der Kosten vorausgesetzt, muss der Grazer Gemeinderat im Juli oder spätestens September das Projekt beschließen. Es folgen Verträge, Ausschreibungen und Behördenverfahren.
Und über all dem schwebt freilich die Hoffnung, dass all das ohne eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) auskommt, die den ganzen Prozess zumindest um zwei Jahre in die Länge ziehen würde. Ohne UVP ist ein Baubeginn 2026 realistisch, bis dahin fallen auch abseits von ein paar Gutachten oder eines Architektenwettbewerbs keine Kosten an. Die Investitionssumme für den tatsächlichen Umbau wird erst danach benötigt.
Wir sind immer noch in Graz
Das ist also der Weg, den es zu gehen gälte. Die allererste Voraussetzung dafür, dass er auch zu Ende gegangen werden kann, ist aber "dass die grundsätzlich gute Stimmung zwischen der Stadtpolitik und den Fußballklubs nicht weiter durch Geschichten wie das aktuelle Leak zu den Medien kaputt gemacht wird", mahnt Karl Dreisiebner.
"Wir werden keine Wunderkugel bauen können, wo sie noch in Asien und Südamerika darüber schreiben", rückt er die Ansprüche zurecht. "Aber ein Stadion, wo beide Vereine die nächsten 20-25 Jahre, ohne, dass wir uns genieren oder nach Klagenfurt ausweichen müssen, spielen können, ist ein realistisches Ziel."
Wie eingangs erwähnt, wir sind in Graz und hinsichtlich Sportinfrastruktur ist das wahrscheinlich schon mehr, als man sich normalerweise erwarten dürfte.