ÖFB-Teamspielerin Hanshaw: "Wir sind ja keine Maschinen"
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ÖFB-Teamspielerin Hanshaw: "Wir sind ja keine Maschinen"

Österreichs Frauen-Nationalteam hat im Juni gegen Deutschland eine historische Niederlage erlitten. Verena Hanshaw, der die Deutschen um die Ohren liefen, stellt sich mit etwas Abstand wichtigen Fragen dazu.

Wer beim lang erwarteten Duell mit Deutschland eine kleine Verspätung hatte, wunderte sich über ein 0:1. Ein paar Minuten später stand es 0:2. Und zur Pause war die Niederlage schon mehr als besiegelt – 0:6.

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Die Deutschen fegten Anfang Juni über Rot-Weiß-Rot hinweg. Die Nationalteam-Kickerinnen waren immer einen Schritt zu spät, vor allem die Flügel waren offener als ein Scheunentor, die Zuordnung in der Defensive klappte nicht.

Erst eine Fünferkette unter der Führung von Zadrazil sorgte für mehr Stabilität – und dafür, dass die Deutschen in Durchgang zwei zurückschalteten.

"Ich hatte mit diesem Spiel echt zu kämpfen, direkt nach dem Spiel und auch jetzt. Ich kann mich eigentlich auch nicht erinnern, dass so etwas schon einmal passiert ist", sagt Abwehrspielerin Verena Hanshaw heute, mit etwas Abstand und einem Urlaub dazwischen, über das Spiel.

Historische Niederlage

Vielleicht hilft das Archiv der 31-Jährigen. Noch nie seit dem ersten Frauen-Länderspiel 1990 haben die ÖFB-Frauen sechs Tore kassiert. Zweimal verlor man 0:5 (1999 gegen Tschechien, 2002 gegen Schottland). Im Februar 2024 bekam man sieben Gegentreffer von den Engländerinnen, schoss aber auch zwei.

Ich verstehe bis heute nicht, wie das geschehen konnte, und kann es auch mit Abstand nicht einordnen.

Verena Hanshaw

"Ich verstehe bis heute nicht, wie das geschehen konnte, und kann es auch mit Abstand nicht einordnen", gibt die West-Ham-Legionärin unumwunden zu. "Es war ein blöder Ausrutscher. Was wir daraus machen können, ist lernen." Und das muss auch geschehen.

Wie soll man das einordnen?

Wie arbeitet man so ein Spiel auf? Man hatte sich nach dem Neustart ein bisschen was erhofft – immerhin verlor man im April 2024 in Linz gegen die Deutschen nur knapp mit 2:3. Aber eine derartige Klatsche, die Erinnerungen an Toni Pfeffer hervorrief, verlangt nach einer Einordnung.

Gerade nach Enttäuschungen – dem knappen Aus in der WM-Quali gegen Schottland, den Niederlagen gegen Polen im Kampf um die EURO, der 0:6-Klatsche – muss geschaut werden, was nicht gut lief.

Klar, man hätte sofort infrage stellen können, ob die Entscheidung des ÖFB richtig war, auf Alexander Schriebl zu setzen. Zur Erinnerung: Er trainierte zuvor die Männer des SV Horn in der 2. Liga, danach die Frauen von Bergheim bzw. Red Bull Salzburg.

Doch eines will Hanshaw trotz allem klarstellen: "Bei manchen Kommentaren nach dem Spiel dachte ich mir: Das ist wieder typisch. Wer hat denn geglaubt, dass wir die Niederlande und Deutschland besiegen? Wir sind im Soll."

Sich neu finden

Da Österreich die Schottinnen zweimal geschlagen hat, kann im Herbst um den Verbleib in der Nations League gespielt werden. Vielleicht war auch ein Stück weit der Druck abgefallen, nachdem man dieses Ziel wenige Tage vor dem Deutschland-Spiel erreicht hatte.

Sieht man sich das größere Bild an, hat das letzte halbe Jahr durchaus funktioniert – nachdem sich der ÖFB von Irene Fuhrmann getrennt hat.

Wie geht man mit Enttäuschungen um? Unterschiedlich: "Alex und Irene sind zwei verschiedene Persönlichkeiten, und sie gehen anders mit Rückschlägen um", erzählt Hanshaw. Fuhrmann sei sehr akribisch gewesen, Schriebl analysiert ebenfalls, setzt aber mehr auf positive Vibes.

War das nun ein guter oder schlechter Start in die Ära Schriebl? Die Zeit wird die Frage beantworten
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War das nun ein guter oder schlechter Start in die Ära Schriebl? Die Zeit wird die Frage beantworten

Was besser ist, will sie nicht sagen. Ein Mix aus Akribie und positiver Energie scheint ihr jedoch hilfreich. Allerdings müsse man manchmal "einfach weitermachen. Der Alex wird schon den richtigen Weg finden."

"Keine Maschinen"

So leicht darf man es sich aber nicht machen. Es gibt einige Kritikpunkte. Manche Kommentator:innen meinen, dass die Zeit einiger Teamspielerinnen vorbei sein könnte. Auch Hanshaws Name fällt dabei.

"Das Alter mag schon eine Rolle spielen, aber das ist nicht der ausschlaggebende Punkt", sagt sie dazu. "Es braucht einen Mix zwischen Erfahrung und Jugend." Der sei eigentlich gar nicht so schlecht.

Überhaupt ist das Team noch in einer Findungsphase. Im Klub geht das schneller – beim Nationalteam hat man sich seit dem Fuhrmann-Abgang erst zweimal getroffen. Das Neue tue dem Team gut, aber "es braucht eben manchmal, bis solche Veränderungen greifen."

Wir sind ja keine Maschinen, die auf einmal wieder super funktionieren. Da muss man auch die menschliche Ebene verstehen.

Verena Hanshaw

Einfach einen neuen Trainer holen und dann erwarten, dass man sofort wieder ins Viertelfinale kommt – das gehe nicht. "Wir sind ja keine Maschinen, die auf einmal wieder super funktionieren. Da muss man auch die menschliche Ebene verstehen."

Das größere Bild

Wer Fußball schaut, weiß: Hin und wieder passieren Dinge, die schwer erklärlich sind. Welches Team ist nicht perplex, wenn es nach zehn Minuten 0:2 steht?

Und: Hat die Fußball-Öffentlichkeit nicht ein paar Tage zuvor gesehen, wie die hochbezahlten Spieler von Inter Mailand gegen Paris St. Germain mit 0:5 untergingen – und das nicht in einem Spiel um die goldene Ananas, sondern im Finale der Champions League?

Überhaupt darf nie vergessen werden, dass es nach wie vor große Unterschiede zwischen dem Männer- und dem Frauenfußball gibt. Das erste Männer-Länderspiel war 1901 – 89 Jahre vor jenem der Frauen. Die Ansprüche an die Nationalteams sind heute ähnlich, aber die Voraussetzungen sind es nicht.

Hat PSG nicht auch hochbezahlten Inter-Profis eine empfindliche Niederlage eingebrockt?
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Hat PSG nicht auch hochbezahlten Inter-Profis eine empfindliche Niederlage eingebrockt?

"Ich finde schon, dass man hier differenzieren muss und sensibler damit umgehen sollte", so Hanshaw, die bereits 2011 im Team debütierte. "Wofür wir alles kämpfen mussten! Wir haben zwei erfolgreiche EUROs gespielt, der Hype ums Team ist aber – im Gegensatz zu anderen Ländern – schnell abgeflacht."

Es tut sich was

Hanshaw kann noch bis 2027 bei West Ham spielen und peilt die WM im selben Jahr an. Vielleicht tut sich bis dahin auch medial etwas.

Natürlich sollen Medien Niederlagen wie gegen Deutschland kritisch hinterfragen und einordnen. Zwischen sachlicher Differenzierung und übertriebenen Samthandschuhen ist viel Platz.

Einen Tag nach dem Interview unterstreicht Hanshaw ihre Haltung mit einem Instagram-Posting von 90min_de. Das Schweizer Nationalteam hatte in der Vorbereitung auf die Europameisterschaft gegen ein männliches Nachwuchsteam verloren. Die Bild titelte: "Frauen-EM: Schweizerinnen um Alisha Lehmann verlieren gegen U15-Bubis mit 1:7."

Man muss in die Schulen gehen. Wenn es uns Nationalteamspielerinnen dazu braucht – gerne.

Verena Hanshaw

Das deutsche Medium kommentierte: Diese Artikel werden nicht geschrieben, um zu informieren, sondern um Klischees aufrechtzuerhalten – etwa, dass Frauen nicht wüssten, wie man Fußball spielt. Hanshaw schrieb dazu: "Gutes Beispiel zu unserem Thema."

Das braucht es

In den letzten Jahren ist viel passiert: Rapid und Red Bull engagieren sich im Frauenfußball – das sei begrüßenswert. Aber das Wichtigste sei: "Wir brauchen mehr Spielerinnen."

Das hängt stark mit dem Nationalteam zusammen. Wenn das gut spielt, wollen mehr Mädchen kicken. Wenn mehr über den Frauenfußball berichtet wird, ebenfalls. "Man muss in die Schulen gehen. Wenn es uns Nationalteamspielerinnen dazu braucht – gerne", meint Hanshaw. Sie hatte solche Möglichkeiten nicht, nun müsse man sie vermehrt schaffen.

Am Ende dieser Entwicklung soll dann hoffentlich stehen, dass man nach einem 0:6 nur noch über abkippende Sechser und schwache Strafraumbesetzung diskutiert – und ein Text wie dieser gänzlich ohne das Kapitel "Das größere Bild" auskommt. Noch – siehe Bild – sind wir leider nicht so weit.


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