U21: So hat Deutschlands Anpassung Österreichs Defensive vor Probleme gestellt [Spiel-Analyse]

Im entscheidenden U21-Spiel zwischen Deutschland und Österreich hat eine Anpassung von DFB-Trainer Kunz die österreichische Defensiv vor Probleme gestellt.

Eine Spiel-Analyse von David Goigitzer

 

Im zweiten Teil der Analyse des Spiels Österreich gegen Deutschland widmet sich 90minuten.at den Aspekten des Defensivspiels. Die Österreicher, die vor allem in den ersten 15 Minuten als die stärkere Mannschaft zu bezeichnen waren, mussten sich nach dem 1:1 Ausgleichstreffer (durch Kevin Danso per Elfmeter in der 24. Minute) interessanterweise mehr mit dem eigenen Pressing beschäftigen als noch zuvor. In dieser Phase erkannte man auch am besten den Plan der Gregoritsch-Elf: Das deutsche Mittelfeld in der 1-2-Staffelung sollte mit klaren Zuordnungen in einer eigenen 2-1-Staffelung lose verfolgt werden. Als Pressinghöhe hatte man sich ein etwas tieferes 4-4-1-1 Mittelfeldpressing ausgesucht, das vor allem bei Abstößen des Gegners ins Angriffspressing überging. Die Rolle des Druckmachers war Kalajdzic zugeteilt, der immer wieder aus einer zentralen Position vor und teilweise auch neben Schlager den Ballführenden anlief. Diese taktische Einstellung hat, so wie jede andere auch, ihre Vorteile und Herausforderungen:

Tah kann recht einfach einen Seitenwechsel spielen, da Kalajdzic und Schlager sich nicht komplett einig sind, wer den deutschen Sechser Eggestein nun tatsächlich zustellen muss. So entsteht ein Passweg zwischen den deutschen Verteidigern. Ljubicic sticht hier gut raus auf die zurückfallende Bewegung des Achters Neuhaus.

Nach dem Seitenwechsel läuft Kalajdzic zwar an, ist jedoch zu weit weg. So wie Schlager. Horvath weiß nicht so recht, wohin er soll. In den vorherigen Spielen war er stets am Außenverteidiger orientiert, nun steht er zwar im Raum, hat jedoch keine klare Aufgabe. Lienhart deckt den Mann, hätte hier jedoch auch durchaus wie vorhin Ljubicic nach vorne stechen können. Vorausgesetzt, die österreichische Hintermannschaft schiebt kollektiv nach.

Die klare Zuordnung und lose Verfolgung generieren auf simple und klare Weise Zugriff auf den Gegenspieler. Jeder hat „seinen Mann“ und auch in weniger übersichtlichen Situationen simple Knotenpunkte für die Entscheidungsfindung. Dies sorgt prinzipiell für Stabilität, da jeder deutsche Spieler in der Theorie mit hohem Druck einen Ball annehmen kann und sofort in einen Zweikampf verwickelt ist. Im besten Fall führt dies zu Ballgewinnen im Mittelfeld, mit direkten Anspielstationen nach vorne - mit Schlager als Zehner und Kalajdzic als Stürmer.

Als Herausforderung dieser Herangehensweise, die sich dann auch im Spiel zeigte, stellte sich die kluge Positionierung des Gegners dar. Denn bewegten sich die deutschen Mittelfeldspieler in den Schnittstellen zwischen ihren Gegenspielern, war die Zuordnung nicht mehr so klar. Die Österreicher mussten komplexere Entscheidungen treffen, und Kalajdzic’s Rolle wurde aufwändiger (mehr dazu weiter unten). Es muss jedoch gesagt werden, dass die österreichischen Spieler diese Herausforderung in einigen Situationen herausragend lösten. Nicht deshalb, weil man etwa gewann oder jeden Angriff des Gegners stoppen konnte. Aber wenn man die Rahmenbedingungen betrachtet – wenig Vorbereitungszeit (wie für jedes Nationalteam), nicht bis ins Detail durchdachte und kontinuierlich gebildetes System, sowie taktische Veränderung von einem Spiel zum anderen – dann gab es nur sehr wenige Momente in diesem Spiel, in dem die Österreicher an Stabilität vermissen ließen. Dies spricht vor allem für die individuelle Qualität der beteiligten Spieler, auch ohne viel gemeinsames Training in komplexen Situationen zumindest das Schlimmste zu verhindern.

Diese Situation verteidigen die Österreicher gut. Vor allem, da Kalajdzic Druck macht und den diagonalen Passweg in die Mitte zustellt. Stürmer Waldschmidt ließ sich in den Zehnerraum fallen, und Ljubcic war kurz davor Zugriff auf seinen angestammten Gegenspieler Neuhaus zu suchen. Balic verhält sich jedoch auch klug hier: Er bleibt enger, stellt den Halbraum zu und gibt Ljubcic die Möglichkeit etwas zentraler zu sein. Der schlussendliche Pass auf den Flügel kann leicht attackiert werden und die Deutschen müssen zurückspielen.

Deutsche Anpassung führt zu Problemen

Ob es eine angeordnete Anpassung war, oder ob der Spieler instinktiv entschied, ist natürlich nicht zu beurteilen. Mittelstürmer Luca Waldschmidt, engagiert beim SC Freiburg, zeigte nach ungefähr 20 Minuten vermehrt Bewegungen in den bei den Deutschen vakanten Zehnerraum. Er schien erkannt zu haben, dass sich durch die lose Mannorientierung von Lienhart, Ljubicic und Schlager an ihren direkten Gegenspielern Passwege für die Innenverteidiger in den Zehnerraum öffneten. Waldschmidts zurückfallende Bewegungen wurden durch die Positionierungen der deutschen Flügel ergänzt, die sich etwas zentraler in den Halbräumen orientierten. Dies band zum Teil die österreichische Viererketteund und stellte die Stefan Posch und Kevin Danso vor ein Dilemma: Gehe ich mit oder nicht? Die Antwort war meist: Ich gehe nicht mit. So war Waldschmidt oft frei und konnte in einigen Situationen auch öfters angespielt werden. Dies führt auch zum nächsten Teil, der für die Österreicher gegen den Ball problematisch wurde: Der Übergang vom tiefen ins hohe Pressing.

 

Löchriges Angriffspressing

Die Situationen, in denen Waldschmidt durch Zurückfallen den Ball bekam, waren vor allem bei Angriffspressing – und hohem Mittelfeldpressing - der Österreicher zu finden. Dies zeigte sich nämlich überaus löchrig, vor allem durch die Mannorientierungen im Mittelfeld. Kalajdzic' und Schlagers Rolle schien entweder nicht klar genug definiert, schlecht ausgeführt oder falsch geplant. Denn es gab nur selten ein Wechselspiel der beiden, wo der eine Druck macht und der andere sichert. Meist lief der Admiraner Kalajdzic an, während Schlager den Deutschen Sechser Maximilian Eggestein bewachte. Hinzu kam das etwas zögerliche und unintensive Nachschieben des restlichen österreichischen Blocks, sodass eine simple Innenverteidiger-zu-Innenverteidiger-Verlagerung reichte, um sofort einen Durchbruch nach vorne zu erzielen. Hier zeigten sich die Nachteile der Herangehensweise der Österreicher im tiefen Verteidigen. Mit klar definierten Pressingauslösern für Schlager sowie mehr Linien im Pressing und einer generell intensiveren und kompakteren Einstellung hätte man den Deutschen auch in diesen Momenten das Leben sehr schwer machen können. Wobei natürlich nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Nachbarn mit Alexander Nübel einen stark mitspielenden Torwart als Not-Anspielstation stets parat hatten.

 

Fazit

Zwar wurden „die Chancen nicht reingemacht“ und das Tor der Deutschen erzielte Waldschmidt durch einen Sonntagsschuss, aber eine bessere Defensivleistung legt nicht nur den Grundstein für das Nichtbekommen eines Tores, sondern auch für das Erzielen eines ebenjenen. Saubere, zahlreiche Ballgewinne hätten Konterchancen für die Österreicher bedeutet, die das Spiel unbedingt gewinnen mussten. Der offensive Plan passte zwar zum groben Teil, hätte dann aber mit einer besseren Defensive durch einen höheren Konterfokus – zum Beispiel mit der früheren Hereinnahme von Honsak als zweiten Stürmer – ergänzt werden können. So musste man sich jedoch immer wieder Zwischenlinienpässe der spielerisch starken Deutschen gefallen lassen. Und wenn auch jene zu qualitativ schlechteren Chancen kamen, so kamen sie jedoch immer wieder gut vors Tor der Österreicher. Die Defensive war auch schon gegen Dänemark ein Problem und legte somit den Grundstein für das Ausscheiden aus dieser Europameisterschaft.

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