Die letzte Woche Peter Stöger: Was ist beim SK Rapid schief gelaufen?
Nach einer beeindruckenden Erfolgsserie im Sommer stecken die Hütteldorfer seit Wochen in einer Negativspirale. Trainer Peter Stöger musste als Erster die Konsequenzen tragen, aber wieviel Verantwortung ist ihm wirklich zuzuschreiben?
Peter Stöger hat sich redlich bemüht, den SK Rapid in ruhigere Fahrwasser zu steuern, es ist ihm letztlich aber nicht gelungen. Das Auf und Ab der letzten Monate ist bemerkenswert: Nur eines der ersten 15 Pflichtspiele - das Hinspiel gegen den Györi ETO in der Conference League Qualifikation - ging verloren. Selbst dieser Ausrutscher blieb am Ende belanglos, im Rückspiel wurde der Aufstieg fixiert. Ende September kam es zur Trendumkehr, acht von zwölf Spielen gingen verloren. Nach einer derartigen Serie gehen den meisten Trainern die Argumente aus, so auch Stöger.
Jetzt stellt sich die Frage, was in Hütteldorf schiefgelaufen ist. Es gibt einfache und weniger einfache Erklärungsansätze. 90minuten hat einige Probleme zusammengetragen.
Das Personal
Der SK Rapid hat im Sommer mit Guido Burgstaller und Isak Jansson zwei Leistungsträger abgegeben, die in der Vorsaison gemeinsam 34 Scorerpunkte erzielt haben. Mit Mamadou Sangaré wurde zudem der bisherige Mittelfeldmotor abgegeben. Insgesamt acht Neuzugänge sollten die Verluste abfangen und die Breite verstärken. Andrija Radulovic und Ercan Kara wurden fest an den Verein gebunden.
Dafür mussten einige Ergänzungsspieler weichen, Dominic Vincze, Benjamin Böckle, Furkan Dursun und Moritz Oswald verbringen die Saison mangels Perspektive auf Spielzeit anderswo.
Vor allem in der Offensive haben zwei Neuverpflichtungen früh in der Saison für Aufsehen gesorgt, Petter Nosa Dahl und Claudy M’Buyi.
Torbeteiligungen (Tore + Assists + letzter Pass vor dem Assist)
Spieler | Bundesliga | Europacup | Gesamt |
|---|---|---|---|
Claudy M’Buyi | 8 | 3 | 11 |
Matthias Seidl | 4 | 6 | 10 |
Bendeguz Bolla | 4 | 5 | 9 |
Janis Antiste | 5 | 3 | 8 |
Petter Nosa Dahl | 5 | 3 | 8 |
Nikolaus Wurmbrand | 5 | 3 | 8 |
Andrija Radulovic | 2 | 5 | 7 |
Ercan Kara | 4 | 1 | 5 |
Romeo Amane | 2 | 1 | 3 |
Jannes Horn | / | 3 | 3 |
Marco Tilio | 2 | 1 | 3 |
Nenad Cvetkovic | 2 | / | 2 |
Tobias Gulliksen | 1 | / | 1 |
Furkan Demir | 1 | / | 1 |
Louis Schaub | / | 1 | 1 |
Jonas Auer | / | 1 | 1 |
Dominik Weixelbraun | / | 1 | 1 |
Serge-P. Raux Yao | / | 1 | 1 |
Dass M’Buyi seit Ende September verletzungsbedingt nur noch 336 und Dahl sogar nur 106 Minuten absolvieren konnte, hat sich stark negativ auf das Rapid-Spiel ausgewirkt. Mit Janis Antiste und Ercan Kara als Sturmduo fehlt es an Dynamik und Durchschlagskraft. Andere Offensiv-Neuzugänge wie Tobias Gulliksen und Marco Tilio bleiben einen Leistungsnachweis bis dato schuldig, die eigentlich erhoffte Breite fehlt.
Das Spiel gegen den Ball
Es ist ein Defizit, dass Peter Stöger von Beginn bis Ende seiner Amtszeit geblieben ist. Durch die hohe Positionierung der Außenverteidiger und zentralen Mittelfeldspieler im Ballbesitz geriet die grün-weiße Defensive auch in erfolgreicheren Phasen der Saison immer wieder unter Druck, insbesondere durch lange Bälle und Konter.
Man kann dem Trainerteam nicht vorwerfen, nicht nach einer Lösung gesucht zu haben. Die aus personellen Gründen notgedrungene Umstellung auf eine Fünferkette samt tieferem Pressing dämpfte zwar den Unterhaltungswert, brachte aber immerhin ein Stück Stabilität.
Erfolg hat auch die veränderte Formation nicht herbeigeführt, auch weil sie in spielentscheidenden Szenen letztlich gar nicht richtig aufgezogen war. Acht Gegentore aus dem Spiel musste der SK Rapid seit Ende September in der Bundesliga hinnehmen, den Großteil nach Ballverlusten in der Offensive und eigenen Folgefehlern in der Umschaltbewegung. Kein Gegentreffer ist aus einer längeren Ballbesitzphase in der Rapid-Hälfte gefallen, im Schnitt hat das andere Team 7,5 Ballkontakte zum Torerfolg gebraucht. Zum Vergleich: Sturm Graz hat sich im selben Zeitraum 10 Liga-Tore aus dem Spiel gefangen, dem Gegner im Schnitt aber 11,1 Kontakte abverlangt - trotz einiger Kontertreffer.
Spiel gegen | Tor zum | Ballkontakte in Rapid-Hälfte |
|---|---|---|
GAK | 2:1 | 4 |
WSG Tirol | 1:0 | 5 |
Sturm Graz | 1:0 | 4 |
Red Bull Salzburg | 1:0 | 13 |
Red Bull Salzburg | 2:1 | 5 |
Austria Wien | 1:0 | 6 |
Austria Wien | 2:1 | 10 |
Austria Wien | 1:3 | 13 |
Schnitt | 7,5 Ballkontakte | |
Zur neuen Problemzone wurde der Raum vor der Fünferkette, den zuletzt zwei Sechser besetzen sollten. Zu oft ließen sie sich aus der Formation ziehen, gleichzeitig hatten die Innenverteidiger ihre Probleme beim Herausrücken, um frei stehende Gegner zu stellen.
Die von Stöger mehrfach geforderte Kompaktheit und Laufbereitschaft fehlte jedenfalls konstant.
Die Matchpläne und ihre Umsetzung
Nach den letzten Spielen der Amtszeit Stöger zu hinterfragen sind auch die jeweils angewandten Strategien, mit denen Rapid letztlich krachend gescheitert ist. Bei der 1:2-Heimniederlage gegen den GAK war man auf ein geordnetes Kurzpassspiel bedacht, alleine Keeper Paul Gartler kam auf 55 Ballkontakte, dem gegenüber steht ein Schnitt von 35 in seinen restlichen Startelf-Einsätzen dieser Saison. Weil der GAK die beiden Sechser Matthias Seidl und Lukas Grgic mit seinen Stürmern zugestellt hat, blieb nur der Weg über die breit stehenden Innenverteidiger auf den Außenbahnen. Dort hatten die Grazer kaum Probleme, die Rapid-Angriffe im Keim zu ersticken.
Konträr dazu gestaltete sich Stögers letztes Spiel gegen Rakow Czestochowa in der Conference League, eine 1:4-Niederlage. Auf einen sortierten Spielaufbau verzichtete man hier komplett, Keeper Gartler spielte 25 lange Pässe. Dahinter dürfte ein Plan gesteckt haben, Zielspieler war Ercan Kara, der sich aus dem Sturm fallen ließ, Romeo Amane sollte die Gegenspieler in seiner Nähe stören. Das Rapid-Vorhaben ging gleich in zweierlei Hinsicht daneben: Zum einen scheiterte Kara daran, Bälle im Zweikampf festzumachen und kam sich mehrfach mit Amane in die Quere. Nur rund ein Viertel der Versuche hatte zumindest kurzen Rapid-Ballbesitz zur Folge.
Verteilung der Gartler-Abschläge - Oben: Tor von Rakow Czestochowa / Unten: Tor des SK Rapid
Zum anderen brachte die Platzierung von Gartlers Abschlägen links und rechts auf Höhe der Mittellinie immer wieder die eigene Abwehr in Bedrängnis. Nach der Balleroberung lauerten drei Rakow-Spieler auf Konter, zur Absicherung waren allerdings nur drei bis vier Rapid-Verteidiger abgestellt. Aus einer solchen Szene fing sich die Stöger-Elf kurz vor der Halbzeit das 0:2.
Das 0:2-Gegentor nach einem Abstoß:
In beiden Partien hielt Rapid lange am vorab geplanten Konzept fest und verschenkte den Ball vielfach an den Gegner. Auch andere Details, wie der Umgang mit Standardsituationen, geben Rätsel auf: Während GAK-Spieler Tobias Koch Eckbälle mehrfach unangenehm in die Nähe des zugestellten Paul Gartlers schlug und Gefahr erzeugte, drehte Matthias Seidl seine Varianten vom Tor weg.
Und jetzt?
Aller Wahrscheinlichkeit nach teilen sich das Trainerteam und die Spieler die Schuld an den schlechten Leistungen der letzten Wochen. Zuletzt wurden die falschen Konzepte mangelhaft umgesetzt. Auch den Assistenten, die für unterschiedliche Spielphasen zuständig waren, fällt Verantwortung zu.
Fest steht auch, dass einige Fehler schon im Sommer zu beobachten waren. Die Erfolgsserie war genauso glücklich, wie einige Niederlagen seit Ende September unglücklich waren.
Bilanz der beiden konträren Saisonphasen:
Runden | Torschüsse | Gegn. Torschüsse | xG | Gegner-xG | Tore | Gegentore |
|---|---|---|---|---|---|---|
1-7 | 4,29 | 3,00 | 1,84 | 1,00 | 1,57 | 0,57 |
8-14 | 5,00 | 5,00 | 1,47 | 1,40 | 1,00 | 1,75 |
Einem neuen Trainer sollte es gelingen, die Mannschaft wieder aufzurichten und neu zu sortieren. Ob das reicht, um bei Rapid das Fundament für langfristigen Erfolg legen zu dürfen, hängt auch von anderen Faktoren ab und wird sich erst zeigen.
Daniel Sauer